Im Prozess um die Kfz-Kennzeichen-Affäre in der Zulassungsstelle Wiesloch (Rhein-Neckar-Kreis) haben am Dienstag unter anderem ehemalige Vorgesetzte der angeklagten Amtsleiterin ausgesagt.
Vor dem Landgericht Mannheim müssen sich seit einigen Wochen ein Heidelberger Unternehmer und zwei ehemalige Mitarbeiterinnen der Zulassungstelle in Wiesloch wegen Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit verantworten. Nachdem der Landrat des Rhein-Neckar-Kreises, Stefan Dallinger (CDU), bereits als Zeuge gehört wurde, waren am Dienstag unter anderem ehemalige Vorgesetzte der beiden angeklagten Frauen als Zeugen geladen.
Kurzzeit-Kennzeichen aus Wiesloch wurden per Kurier bundesweit verteilt
Nach Angaben eines Zeugen, der am Dienstag vernommen wurde, wurden die in Wiesloch beantragten Kennzeichen in ganz Deutschland verteilt. Mehrmals täglich seien dafür Kuriere nach Wiesloch gekommen. Die beiden angeklagten Mitarbeiterinnen der Kfz-Zulassungsstelle in Wiesloch sollen tausende Kennzeichen für den ebenfalls angeklagten Heidelberger Unternehmer ausgestellt und dabei auf die gesetzlich vorgeschriebene Bedarfsprüfung verzichtet haben. Außerdem sollen sie die Kennzeichen für die Hälfte der Gebühren ausgegeben haben.
Regierungspräsidium Karlsruhe wollte problematische Vorgänge unterbinden
Eine Mitarbeiterin des Regierungspräsidiums Karlsruhe gab an, dass es von Seiten des Regierungspräsidiums immer wieder Weisungen an das Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises gegeben habe, rechtlich problematische Vorgänge anzupassen. Es habe beispielsweise Unklarheiten bei der Bedarfsprüfung der Kennzeichen-Antragsteller gegeben. Das Regierungspräsidium hätte daraufhin das Landratsamt angewiesen, dies zu korrigieren, so die Leiterin des Verkehrsreferats.
Kreisverwaltung hatte Interesse am Geschäft mit den Kennzeichen
Die ehemalige Dezernentin des Straßenverkehrsamts erklärte die halbierten Gebühren damit, dass man dem angeklagten Unternehmer auf diese Weise eine Aufwandsentschädigung für seine Vorleistungen beim Erstellen der Anträge zukommen lassen wollte. Wer das entschieden hatte, wusste sie nicht mehr. Sie sei stets davon ausgegangen sei, dass alles in Ordnung sei. Zudem hätten sowohl der frühere und der jetztige Landrat als auch das Finanzdezernat des Rhein-Neckar-Kreises immer mit den Gebühren aus dem Kurzzeitkennzeichen-Geschäft gerechnet und dementsprechend ein Interesse an diesem Geschäft gehabt.
Ehemaliger Erster Beamter hatte Vertrauen in Fachabteilung
Der als Zeuge vernommene ehemalige erste Beamte des Rhein-Neckar-Kreises sprach von einem "absoluten Vertrauen" in die Leitung des Straßenverkehrsamtes. Er selbst sei als stellvertretender Landrat nur als Behördenleiter involviert gewesen. Allerdings habe er den Vorschlag, die Gebühren zu senken, wohlwollend zur Kenntnis genommen und genehmigt.
Die geladenen Zeugen hatten zwischen 2012 und 2014 leitende Positionen im Landratsamt inne. Ihre Aussagen sollen Aufschluss darüber geben, inwieweit die Behauptungen der angeklagten Amtsleiterin der Zulassungsstelle schlüssig sind. Sie hatte alle Vorwürfe der Bestechlichkeit zurückgewiesen und Vorgesetzte dafür verantwortlich gemacht, dass massenweise Kurzzeitkennzeichen an den Heidelberger Unternehmer ohne sogenannte Bedarfsprüfung abgegeben worden waren.
Landrat Stefan Dallinger musste aussagen
Landrat Dallinger hatte bei seiner Befragung vor Gericht den Vorwurf zurückgewiesen, von den illegalen Vorgehensweisen in der Zulassungsstelle gewusst zu haben. Er erklärte, es gebe in einer Behörde wie dem Landratsamt eine gestufte Verantwortung. Er als Landrat trage selbst nur eine Teilverantwortung. Die Verantwortlichen der zuständigen Stellen hätten ihm gegenüber immer wieder bekräftigt, dass die Ausstellung der Kurzzeitkennzeichen im Wesentlichen rechtmäßig gewesen sei.
Zwei Angeklagte schweigen bisher
Die zwei Mitarbeiterinnen der Zulassungsstelle in Wiesloch sollen mehr als 188.000 Kurzzeitkennzeichen für den Unternehmer ausgestellt haben. Sowohl die mitangeklagte Mitarbeiterin des Landratsamtes und der Heidelberger Unternehmer haben sich bisher nicht geäußert. Sie sollen laut Anklage auf die gesetzlich vorgeschriebene Bedarfsprüfung verzichtet und die Kennzeichen für die Hälfte der Gebühren ausgegeben haben. Der angeklagte Unternehmer soll die Kennzeichen dann weiterverkauft haben.