Mehr als 200 Werke von Psychiatriepatienten

Heidelberger Sammlung Prinzhorn: Tiere als Spiegel der Seele

Stand
Autor/in
Martina Senghas

Die Heidelberger Sammlung Prinzhorn beschäftigt sich mit Kunst von Psychiatriepatientinnen und -patienten. Nun zeigt sie erstmals, was Tierdarstellungen über deren Seelenleben erzählen.

"Anima-l" so lautet der Titel der neuen Ausstellung in der Heidelberger Sammlung Prinzhorn. Sie zeigt mehr als 200 Tierdarstellungen, die ausschließlich von Menschen stammen, die zeitweise in einer Psychiatrie untergebracht waren. Die Kunstwerke sind zwischen 1850 und heute entstanden. Es ist das erste Mal, dass sich das Museum des Universitätsklinkums diesem Thema widmet. Manche Bilder waren noch nie öffentlich zu sehen.

Von bedrohlich bis behütend - Tiere spiegeln innere Zustände

Nach Ansicht der Ausstellungsmacher erzählen die Tierdarstellungen etwas über die inneren Zustände der Menschen, die sie angefertigt haben. Bei Psychiatriepatientinnen und -patienten könne es sich dabei um sehr starke Emotionen handeln.

Wir haben entdeckt, dass Tiere Stellvertreter sind für psychische Ausnahmeerfahrungen. Es gibt aber auch Schutzgeister in Tierform oder Tiere sind auch Mittel zur Kommunikation

Eine Ziege, deren stechender Blick sehr bedrohlich wirkt, oder eine faustgroße Spinne, die ihr Opfer verspeist; ein Schmetterling, dessen Körper aus einem eng umschlungenen Liebespaar besteht oder ein Pferd, das mit seiner Reiterin zu einem Wesen verschmilzt. Mal ist Bedrohung und Unheimliches auf den Bildern zu entdecken, mal die Sehnsucht nach Geborgenheit und Zugehörigkeit.

"Angst in der Nacht" von Lea Hürlimann (1969)
"Angst in der Nacht" von Lea Hürlimann (1969)

Überschriften und ein Booklet geben Interpretationshilfe

Eingeteilt ist die Ausstellung in rund zwanzig unterschiedliche Kapitel, deren Überschriften von zentralen Bildern inspiriert sind und die eine Möglichkeit zeigen, wie man die Darstellungen interpretieren kann. "Untiere, Dämone, Drachen" lautetet eine der Überschriften beispielsweise, andere "Erotische Motive", "Darwinismus" oder "Fantastische Hybridwesen". Aus manchen Bildern lässt siche eine Kritik an der Psychiatrie herauslesen, etwa aus einem Bild, auf dem Vögel im Käfig auf Vögel in Freiheit blicken. Auf anderen Kunstwerke ist auch Komisches zu entdecken, beispielsweise auf einer Zeichnung, auf der U-Boote von Nilpferden durchs Wasser bewegt werden. Außerdem bekommen alle Besucherinnen und Besucher ein Booklet ausgehändigt, das rund 60 Abbildungen zeigt und die dazu passenden Künstlerbiografien enthält. Sie sollen eine Erklärungshilfe liefern, wie es zu der ein oder anderen Darstellung kam.

Schmetterling von August Natterer (1911)
Schmetterling von August Natterer (1911)

"Anima-l" schöpft aus dem riesigen Depot des Universitätsmuseums

Die Ausstellung in der Klinik für Allgemeine Psychiatrie des Universitätsklinikum Heidelberg zeigt eine große Vielfalt an künstlerischem Ausdruck, Kunst-Techniken und Kunst-Stilen. Und sie schöpft aus dem riesigen Depot, über das die Prinzhorn-Sammlung inzwischen verfügt. Angelegt wurde sie von 1919 bis 1921 von Hans Prinzhorn, einem Assistenzarzt an der Psychiatrischen Klinik in Heidelberg, der rund 5.000 Kunstwerke zusammentrug. Inzwischen ist die Sammlung auf rund 40.000 Objekte angewachsen. Sie versteht sich als Forschungssammlung und wird vom Universitätsklinikum Heidelberg getragen.

Schildkröte von Hans Wühr (1963)
Schildkröte von Hans Wühr (1963)

Mit der Tier-Ausstellung "Anima-l" beziehe man sich auf sehr besondere Weise auf das, worum es der Sammlung Prinzhorn gehe, so die Ausstellungskuratorin Ingrid von Beyme. Das englische Wort "animal" kommt nämlich aus dem lateinischen "anima". Und das bedeutet übersetzt: Seele. Und das Seelische und Psychische zugänglich machen, das sei der Auftrag des Universitätsmuseums.

Mehr über die Heidelberger Prinzhorn-Sammlung

Treffpunkt Musik Zu Gast im Studio: Thomas Röske, Direktor der Prinzhorn Sammlung Heidelberg

Am Mikrofon: Michael Rebhahn

Treffpunkt Musik SWR Kultur

Gesellschaft Malerei aus der Psychiatrie – Wie die „Sammlung Prinzhorn“ die Kunst beeinflusst hat

Einst von den Nazis geächtet, ist die Sammlung Prinzhorn heute weltbekannt. Seit 100 Jahren zeigt sie Kunstwerke von psychisch kranken Menschen und ändert unseren Blick auf sie. Von Eberhard Reuß (SWR 2022). | Manuskript und mehr zur Sendung: http://swr.li/malerei-psychatrie | Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: wissen@swr2.de | Folgt uns auf Twitter: @swr2wissen



Gebt uns Eure Stimme für den Deutschen Podcastpreis: https://www.deutscher-podcastpreis.de/podcasts/swr2-wissen-2/

SWR2 Wissen SWR2

ARD Mediathek Kultur: „Outsider Art – Prinzhorn in Heidelberg”

Warum reinschauen?
Wann gilt ein Werk als Kunst? Wer darf Künstler:in sein? Spannende Doku über Fragen nach Außenseitertum, Kunst und Gesellschaft.

Stand
Autor/in
Martina Senghas

Mehr von SWR Aktuell Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent.