Neue Erkenntnisse nach Messerangriff

Mannheimer Attentäter soll radikaler Islamist sein

Stand
Autor/in
Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik

Ein aus Afghanistan stammender Mann verletzte am Freitag in Mannheim mit einem Messer einen Polizisten so schwer, dass er später im Krankenhaus starb. Nun klärt sich das Tatmotiv.

Der Attentäter von Mannheim soll ein radikaler Islamist sein. "Es verdichten sich die Erkenntnisse, dass es sich um eine religiös motivierte, oder, um es konkret zu sagen, um eine islamistisch-extremistisch motivierte Straftat handelt", sagte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Dienstag in Stuttgart. Er sehe im Moment keine Hinweise, "dass es sich um eine Person handelt, die einer größeren Gruppe angehört." Damit könne es sich bei dem aus Afghanistan stammenden Mann um einen "islamistisch-radikalisierten Einzeltäter" handeln.

Strobl warnte: "Gerade diese Leute sind besonders gefährlich." Der 25-jährige Mann war den Sicherheitsbehörden bis zu seiner Tat nicht aufgefallen. Da er keiner Gruppe angehörte, sei so jemand nur schwer vorher aufzuspüren, erklärte der Innenminister. Solche Einzeltäter, die sich selbst radikalisieren, könnten sich auch ohne Probleme ihre Tatwaffen besorgen. Entweder sie nutzten ein Kraftfahrzeug oder ein Messer, was beides leicht verfügbar sei. "Diese Art von Attentaten zu verhindern, ist in der Tat sehr schwer", sagte Strobl. 

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Bei dem Angriff hatte der Mann am Freitag auf dem Marktplatz in der Mannheimer Innenstadt bei der Veranstaltung der islamkritischen Bewegung Pax Europa (BPE) insgesamt sechs Männer verletzt, darunter den Polizisten. Der 29-Jährige starb am Sonntag im Krankenhaus. Zu den Verletzten zählt auch das BPE-Vorstandsmitglied Michael Stürzenberger.

In Mannheimer Rathaus liegt Kondolenzbuch aus

Am Mittwoch gab die Stadt Mannheim bekannt, dass sie im Foyer des Rathauses in der Innenstadt ein Kondolenzbuch ausgelegt hat - "um den Bürgerinnen und Bürgern eine weitere Möglichkeit zu geben, ihrer Trauer und Anteilnahme Ausdruck zu verleihen". Das Kondolenzbuch stehe der Öffentlichkeit während der Öffnungszeiten des Rathauses montags bis freitags von 8:00 bis 18:00 Uhr zur Verfügung.

Kondolenzbuch für getöteten Polizisten Rouven L. im Mannheimer Rathaus mit Bild
Im Mannheimer Rathaus liegt ein Kondolenzbuch für den getöteten Polizisten aus

Angreifer in Afghanistan geboren

Der 25-jährige Angreifer wurde in Afghanistan geboren und kam 2014 als Jugendlicher nach Deutschland. Er war von den Beamten am Freitag vor Ort angeschossen und so außer Gefecht gesetzt worden. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt im hessischen Heppenheim.

Innenminister Strobl für Abschiebung nach Syrien und Afghanistan

Strobl forderte die Ampel-Bundesregierung auf, endlich auch bestimmte Straftäter nach Syrien oder Afghanistan abzuschieben. "Es gibt in Syrien und Afghanistan sichere Gebiete, wohin man diese Leute bringen kann", so der CDU-Politiker. Er zeigte sich überzeugt: "Es wird auch niemand in den Tod abgeschoben." Im Bürgerkriegsland Syrien regiert Machthaber Baschar al-Assad und in Afghanistan die radikal-islamische Taliban-Regierung. Der Minister begrüßte, dass die Bundesregierung nach vielen Jahren der Blockade nun offenbar über eine Abschiebung in diese Länder nachdenke. "Allerdings müssen endlich den Worten auch Taten folgen", sagte Strobl weiter. Es dürfe nicht allein bei der Empörung bleiben: "Wenn der Tod des Polizisten irgendeinen Sinn haben soll, dann kann es eigentlich nur der sein, dass jetzt endlich das getan wird, was absolut notwendig ist." 

Er sei dafür, dass nicht nur bei schwersten Verbrechen abgeschoben wird, sondern auch bei Sexualstraftaten und bei tätlichen Angriffen gegen Polizeiangehörige oder Mitarbeitende der Rettungsdienste. Strobl zeigte sich überzeugt, dass Abschiebungen eine "generalpräventive Wirkung" hätten. "Ob man auch diesen Einzelfall hätte verhindern können, weiß ich nicht." Momentan müsse der Mann nicht mit einer Abschiebung rechnen.

Diese Art von Attentaten zu verhindern, ist in der Tat sehr schwer.

Auch Kretschmann für Abschiebung nach Afghanistan

Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach sich dafür aus, schwere Straftäter nach Afghanistan abschieben zu können. Es sei "schwer verständlich", wenn abgelehnte Asylbewerber nicht abgeschoben werden könnten, etwa nach Afghanistan, wenn sie hier schwere Straftaten begehen. Er begrüße es, dass die Ampelregierung nach Lösungen suche.

Es sei absurd, dass Menschen vor der Gewalt der radikalislamistischen Taliban flöhen und dann in Deutschland Gewalttaten verübten. "Dann haben sie ihre Rechte verwirkt", sagte der 76-Jährige. Allerdings müsse der Bund entscheiden, ob man eine solche Abschiebung verantworten könne: "Wir können auch Verbrecher nicht in den Tod schicken."

Regierungserklärung und Debatte im Bundestag

Inzwischen wurde bekannt, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag im Bundestag eine Regierungserklärung abgeben wird. Darin soll es vor dem Hintergrund der kommende Woche beginnenden Fußball-Europameisterschaft in Deutschland und des tödlichen Angriffs von Mannheim um die aktuelle Sicherheitslage gehen. Im Anschluss soll es dazu eine Debatte im Bundestag geben. Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hatte zunächst eine Aktuelle Stunde zu Konsequenzen aus der Tat in Mannheim beantragt, zog den Antrag nach Ankündigung der Regierungserklärung aber wieder zurück.

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Marktplatz wird zwei Wochen lang zum Gedenkort für Opfer des Attentats

Der Mannheimer Marktplatz wird für 14 Tage per Allgemeinverfügung zu einem Gedenkort für den getöteten Polizisten sowie die Verletzten der Messerattacke erklärt. Das teilte Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) am Dienstagnachmittag mit. Die Verfügung gelte ab sofort und betreffe alle Veranstaltungen, die nicht der Grundversorgung der Bevölkerung dienen. Das heißt, nur der Wochenmarkt wird dort stattfinden. Die Allgemeinverfügung gilt bis einschließlich Sonntag, 16. Juni. In dieser Zeit solle der Marktplatz eine Stätte der Trauer und des stillen Gedenkens sein. Specht forderte alle auf, diese Gedenkstätte zu respektieren.

Für Freitagabend hatte die AfD eigentlich zu einer Demonstration auf dem Marktplatz aufgerufen. Zeitgleich sollte eine Gegendemonstration der Antifa stattfinden. Doch die Stadt hat Kundgebungen an dem Gedenkort untersagt. Dagegen hat die AfD Baden-Württemberg beim Verwaltungsgericht Karlsruhe einen Eilantrag gestellt. "Wir wollen zwei Tage vor der Europawahl genau dort demonstrieren, wo der islamistische Terror zugeschlagen hat, um ein klares politisches Signal in die ganze Republik zu senden", teilte der AfD-Landesvorsitzende Markus Frohnmaier am späten Mittwochabend mit. Das Verwaltungsgericht hat den Eingang des Eilantrags dem SWR am Donnerstag bestätigt. Sollte das Karlsruher Gericht der AfD nicht Recht geben, will die Partei auf den Paradeplatz in Mannheim ausweichen.

Am Sonntag hatten sich auf dem Marktplatz hitzige Szenen abgespielt. Ein überparteiliches Bündnis hatte zu einer Mahnwache gegen Gewalt, Hass und Hetze aufgerufen. Zeitgleich fand eine Kundgebung der Jungen Alternative statt. Die Versammlung der Jugendorganisation der AfD lief unter dem Motto "Remigration hätte diese Tat verhindert!". Auf Videos im Internet ist zu sehen, wie Demonstrantinnen und Demonstranten in der Innenstadt eine lange Menschenkette bilden - und wie die Polizei mit einer Gruppe von Antifa-Aktivisten zusammenprallt.

Spenden für Angehörige des toten Polizisten: Schon über 530.000 Euro eingegangen

Bei einer Spendenaktion für den Polizisten, der bei dem Messerangriff in Mannheim ums Leben kam, sind inzwischen (Stand 5. Juni) mehr als 530.000 Euro zusammengekommen. Die Aktion läuft auf der Internet-Plattform "gofundme". Organisiert wird die Aktion nach eigenen Angaben von Mitgliedern eines gemeinnützigen Vereins von Bereitschaftspolizisten. Ursprünglich waren die Spendengelder ausschließlich für die Angehörigen des 29-jährigen Polizisten gedacht. Doch als die 100.000-Euro-Marke überschritten war, habe man beschlossen, das Geld auch für ähnlich gelagerte Fälle zu nutzen, hieß es von dem Verein. Ein Teil des Geldes soll darüber hinaus auch den Kollegen des getöteten Polizisten zu Gute kommen. Nach Angaben der Polizei in Mannheim gibt es zudem ein weiteres Spendenkonto der Polizeistiftung Baden-Württemberg.

Kritik an "Hass und Hetze" in sozialen Medien

Die Mannheimer Polizeivizepräsidentin Ulrike Schäfer hat sich am Dienstag in einer Mitteilung für die große und bundesweite Anteilnahme am Tod des 29-jährigen Polizisten bedankt. Nicht nur sie, auch die Beamtinnen und Beamten im Polizeipräsidium Mannheim, seien wegen des "sinnlosen Todes zutiefst erschüttert und unfassbar traurig". Schäfer bittet in der Mitteilung darum, die Ermittlungen des Landeskriminalamts (LKA) abzuwarten "und keinerlei Spekulationen Raum zu bieten".

Schäfer teilte weiter mit, sie habe kein Verständnis dafür, "dass trotz dieser tragischen Ereignisse Hass und Hetze überwiegend in den Sozialen Medien" zu finden seien. User beleidigten und bedrohten dort Polizisten und es gebe auch Schuldzuweisungen. Dazu kämen auf manchen Plattformen "respektlose und teils verachtende Kommentare auch dem verstorbenen Kollegen gegenüber". Die Polizei prüfe nun, ob strafrechtlich relevante Inhalte vorlägen und Ermittlungsverfahren eingeleitet würden.

Laut Schäfer wurde ein Spendenkonto der Polizeistiftung Baden-Württemberg eingerichtet. Damit sollen unter anderem die in Mannheim unmittelbar beteiligten Kolleginnen und Kollegen des getöteten Polizisten unterstützt werden. Sie und weitere Beamte, die eng mit dem Getöteten zusammengearbeitet haben, werden demnach derzeit psychologisch betreut.

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