Fehlende Betreuungsangebote, Wartelisten für psychologische Beratung: Familien werden zwischen Krisen zerrieben. Und zu wenig gehört, kommentiert SWR-Redakteur Patrick Figaj.
Der Druck ist enorm. Jeden Tag prasseln unzählige Meldungen auf uns ein. Sie handeln von Krieg, von Zukunftssorgen, vom Leben, das immer teurer wird. Manches ist greifbar, anderes schwer zu fassen.
Und doch: alles hängt zusammen. Krisen rücken näher, vieles lässt sich nicht mehr ausblenden. Die ukrainischen Schülerinnen und Schüler in der Klasse. Der bange Blick auf die Heizkostenabrechnung. Der Stau vor der Stadteinfahrt. Klimaproteste, die zwischen Smartphone-Bildschirm und Arbeitsweg verschmelzen.
All das landet in den Wohnzimmern, am Küchentisch, auf Spielplätzen und Schulen. Wir leben in krisenhaften Zeiten. Der Raum durchzuatmen, wird immer enger. Und die Familien im Land werden davon zerrieben.
Psychische Folgen belasten Familien
Völlig egal, welches Bild jeder von uns von einer Familie im Kopf hat: Mutter, Vater, Kinder. Gleichgeschlechtliche Paare. Patch-Work. Alleinerziehende. Kleine und große Kinder. Große und kleine Familien. Wohlhabende oder solche, die wenig Geld zur Verfügung haben. Sie alle eint eines: Die Krisen wirken auf sie ein. Ganz unterschiedlich zwar, aber sie lassen sich nicht abschalten.
Das wirkt. Wenn nicht nur ein kleiner Anteil, sondern immer mehr Eltern davon berichten, dass sich Kinder selbst verletzen oder sich zurückziehen, nachts keine Ruhe mehr finden. Dann läuft etwas aus dem Ruder. Das sieht übrigens auch die Wissenschaft: Längst wird erkannt, dass es einen Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Belastungsfaktoren und der Psyche gibt. Dass das, was an großen Krisen um uns herum geschieht, einen Einfluss auf uns hat. Auf Familien. Auf Mütter und Väter. Auf Kinder.
Kinder und Jugendliche, die unter den Folgen der Corona-Pandemie leiden, sollen nach dem Willen der Bundesregierung mehr Unterstützung bekommen. Selten war die Nachfrage nach psychologischer Beratung so hoch wie in oder in Folge der Corona-Pandemie. Und auch wenn es teilweise lange dauert: Es gibt Unterstützung. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Denn der Druck wächst überall.
Betreuungsplätze in Baden-Württemberg fehlen
Wenn Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher oder Eltern im Land protestieren, weil es an Personal fehlt, die Betreuung von Kindern löchriger wird oder schulische Leistungen abfallen, dann ist das Geschrei groß. Aber es ist ein strukturelles Problem, das sich konkret lösen lässt. Im Gegensatz zu den großen Krisen.
Doch dann wird debattiert. Gestritten und gejammert. In zähen Prozessen. Aber Familien brauchen schnellere Entscheidungen. Es überwiegt das Gefühl: Ihr schiebt uns auf die lange Bank. Eine Politik, die die Familie in den Fokus stellt, um daran ihr Handeln zu messen – nur schwer vorstellbar. Vielleicht fehlt Familien auch die passende Lobby? Weil sie als Ganzes so schwer zu greifen ist? Böse gesagt: unprofitabel ist?
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Was sind uns Familien wert?
Wir müssen dringend über den Wert jeder einzelnen Familie sprechen. Was sie für die Zukunft unseres Landes bedeutet. Denn die Kinder und Jugendlichen von heute sind es, die morgen dieses Land gestalten. Nur wer ihnen heute richtig zuhört, sie ernst nimmt, in sie investiert - profitiert in den kommenden Jahren davon.
Wenn wir eines aus der großen Krise der vergangenen Jahre gelernt haben, dann doch das: Wer die Probleme auf diejenigen abwälzt, die sich am wenigsten wehren, bekommt später die Quittung dafür. Wer heute die Familien in Krisenzeiten allein lässt, wird in ein paar Jahren die Konsequenzen verantworten müssen. Nur dann ist es zu spät.
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