Seit Jahren fordern Schülerinnen und Schüler in BW, dass sie mehr praktisches Finanzwissen beigebracht bekommen. Viel bewegt hat sich seit dem nicht, sagt der Landesschülerbeirat.
Lehrer sollten aus Sicht des Landesschülerbeirats stärker unterrichten, wie Steuererklärungen ausgefüllt, Versicherungen abgeschlossen und Mietverträge verhandelt werden. "Zum Leben gehören nicht nur Vektorrechnung und Gedichtanalyse, sondern auch steuerrechtlicher Unterricht und Analysestrategien", sagte Augustin Renz, der für den Rat das neue Grundsatzprogramm mitentworfen hat. "Es ist schlicht absehbar, dass unsere Generation privat vorsorgen muss und sich auch mit der Steuerthematik schnell konfrontiert sehen wird."
In ihrem alle zwei Jahre aufgestellten Forderungskatalog sprechen sich die Schülerinnen und Schüler neben Forderungen für alle Schularten auch für die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium und eine Wahlfreiheit für den "G8-Schnellzug" aus. Alle Lehrkräfte sollten zudem gleich bezahlt, eine Vorleseoffensive in den Kindertagesstätten und Grundschulen organisiert und Noten in der Grundschule abgeschafft werden.
Erst Anfang Januar hatten die Grünen bemängelt, dass es für die Rückkehr zu G9 nicht genügend Lehrkräfte gebe.
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Mehr Finanzunterricht - weniger Religionsunterricht
"Wir würden uns ein Unterrichtsfach wünschen, das vom Wirtschaftsunterricht abgegrenzt ist und Dinge behandelt, die wir von den Eltern gar nicht oder auch aufwendig beigebracht bekommen", sagte der Vorsitzende des Landesschülerbeirats, Berat Gürbüz, der Deutschen Presse-Agentur. Es heiße immer, man lerne in der Schule fürs Leben. "Aber was bedeutet das, wenn wir auf ganz Alltägliches nicht vorbereitet werden?" Das Wissen über Wirtschaft und Finanzen sei nützlich, friste in den Schulen aber nach wie vor ein Nischendasein.
Geht es nach dem Landesschülerbeirat, sollte die Zeit für den "Alltagsunterricht" nicht zusätzlich in den Lehrplan aufgenommen, sondern vom Religionsunterricht abgezweigt werden. Auf diesen dürfe schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verzichtet werden, sagte Gürbüz. Sein Gremium spricht sich aber in seinem Programm dafür aus, die Stundenzahl für den Religionsunterricht zu reduzieren. "Religion sollte vor allem Privatsache sein", sagte der 20-Jährige.
Schülerinnen und Schüler fordern Bewertungsmöglichkeit
Laut Grundsatzprogramm müssen sich Lehrer zudem bewerten lassen - von den Schülerinnen und Schülern. "Niemand kann die Unterrichtsqualität besser beurteilen als sie", sagte Renz. Wichtig sei außerdem, dass vor allem jene Grundschulen Mittel erhielten, die diese am dringlichsten benötigten. Deshalb müsse bei deren Verteilung der Sozialindex, also die soziale Zugehörigkeit der Schülerinnen und Schüler, berücksichtigt werden. Ebenfalls Teil des Programms sind Vorschläge für eine flächendeckende Ausstattung der Schultoiletten mit kostenlosen Menstruationsprodukten sowie die Einrichtung von unabhängigen Meldestellen, um bei Diskriminierung, Rassismus oder sexueller Gewalt zu alarmieren.
Eltern betrachten Forderungen der Schüler als "Luxusthemen"
Zumindest bei den Eltern stößt der Landesschülerbeirat mit seiner Forderung nach alltagstauglicherem Unterricht auf Ablehnung. "Das sind in Summe schon ziemliche 'Luxus- oder Randthemen'", sagte der Vorsitzende des Landeselternbeirats, Michael Mittelstaedt. Nach wie vor hätten Kinder und Jugendliche mit Lesen, Schreiben und Rechnen sowie mit Themen wie Medienkompetenz Probleme. "Wir sollten uns wohl eher auf eine solide Grundversorgung fokussieren, sonst werden viele von ihnen nie eine Steuererklärung machen können - wegen fehlenden Einkommens", sagte er.
VBE weist Kritik an Unterricht zurück - GEW unterstützt die Schüler
Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) weist die Kritik zurück, dass der Unterricht zu alltagsfern sei. Im SWR sagte der VBE-Vizevorsitzende Dirk Lederle, es sei extra ein neues Fach für solche Themen kreiert worden, die "Wirtschafts-, Beruf- und Studienorrientierung". Genau in diesem Fach würden praktische Lebensinhalte besprochen und gelehrt, so Lederle weiter.
Rückendeckung kommt hingegen von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): "Der Landesschulbeirat (gemeint ist der Landesschülerbeirat - Anmerkung der Redaktion) ist auf jeden Fall innovativer als Grüne und CDU", sagte die Landesvorsitzende Monika Stein. Die Vorschläge zur Grundschule ohne Noten, zur Stärkung der Gesellschaftswissenschaften, die Ideen zum Feedback und zur gerechteren Bezahlung unterstütze auch die GEW. Für steuerrechtliche und anlagestrategische Inhalte brauche es aber kein eigenes neues Fach, sie fänden Platz im Rahmen der Bildungspläne, sagte Stein.
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