CDU kritisiert "ärgerliches Pingpong"

Kretschmann macht Rückzieher bei Aufweichung von Klimazielen

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Autor/in
Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik
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Jakob Fandrey
SWR-Redakteur Jakob Fandrey

BW hat ehrgeizigere Klimaziele als der Bund. Doch der CO2-Ausstoß zum Beispiel im Verkehr bleibt hoch. Darum wollte Regierungschef Kretschmann nochmal ran an das Klimaschutzgesetz - und wird zurückgepfiffen.

Nach massivem Druck aus den eigenen Reihen hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bei der angedachten Aufweichung der Klimaziele für Sektoren wie den Verkehr einen Rückzieher gemacht. In einem Brief an alle Ministerien, der dem SWR vorliegt, schreibt der Regierungschef, eine Prüfung habe ergeben, "dass wir an unseren Sektorzielen zum jetzigen Zeitpunkt festhalten".

Als Begründung fügte der Grünen-Politiker hinzu: "Solange marktwirtschaftliche Instrumente nicht die nötige Dynamik entfalten, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen, sind wir auf dieses Instrument angewiesen." Damit spielt Kretschmann unter anderem auf den lahmenden Verkauf von klimaschonenden E-Autos an. Allerdings müsse man nochmal über die Sektorziele nachdenken, wenn von 2027 an Kraft- und Brennstoffe in den europäischen Emissionshandel einbezogen würden.

Kretschmanns Vorstoß kam bei grünen Ministern gar nicht gut an

Vor gut zwei Wochen hatte der Ministerpräsident angesichts der Reform des Klimaschutzgesetzes im Bund vorgeschlagen, die Sektorenziele auch in BW zu überprüfen und neu zu ordnen. Die Ampel-Regierung in Berlin hatte zuvor nach langem Widerstand der Grünen entschieden, die Klimaziele nicht mehr rückwirkend nach einzelnen Sektoren zu kontrollieren, sondern in die Zukunft gerichtet und sektorübergreifend. Kretschmanns Anstoß hatte bei der grünen Ministern Thekla Walker (Umwelt) und Winfried Hermann (Verkehr) dem Vernehmen nach Entsetzen ausgelöst. Hermann machte seinem Unmut auch öffentlich Luft. Zusammen mit Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz fingen sie Kretschmann wieder ein.

CDU kritisiert "ärgerliches Pingpong-Spiel"

Der Koalitionspartner CDU, der zusammen mit Wirtschaft und FDP Kretschmanns ursprünglichen Vorschlag begrüßt hatte, zeigte sich verärgert über den Rückzieher. "Wir bedauern es sehr, dass Herr Kretschmann zunehmend offenbar von der grünen Partei korrigiert wird. Das macht das Regieren nicht einfacher. Und die Lösungen nicht einfacher", sagte Raimund Haser, umweltpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion dem SWR. Er zeigte sich überzeugt, dass man in Bund und Land früher oder später zu einheitlichen Regelungen kommen müsse.

"Auf längere Sicht wird sich die Unterschiedlichkeit zwischen EU, Bund und Land bei der Sektoren- oder sonstigen Klimarechnung ohnehin nicht halten lassen, gerade weil es im internationalen Wettbewerb um verlässliche Rahmenbedingungen für grenzüberschreitend tätige und handelnde Unternehmen geht." Haser fügte hinzu: "Die Debatte ist also nur vertagt und an unserer Haltung ändert sich durch das ärgerliche Pingpong-Spiel nichts."

Klimaziele: FDP sieht "Autoritätsverlust" des Grünen-Regierungschefs

Unterstützung erhielt der CDU-Politiker von der FDP. "Das ist ein galoppierender Autoritätsverlust des Regierungschefs, der sich nicht mehr gegen die eigenen grünen Kabinettsmitglieder durchsetzen kann", sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke dem SWR. Dabei habe Kretschmann mit seinem Vorstoß Recht gehabt. "Denn es ist notwendig, die Klimaziele der Länder mit denen des Bundes zu synchronisieren."

Auch die Unternehmer Baden-Württemberg hatten seinerzeit erklärt, die derzeit geltenden "kleinteiligen Sektorziele sind hingegen kontraproduktiv und wettbewerbsschädigend". Baden-Württemberg will bis 2040 klimaneutral werden, der Bund fünf Jahre später und die EU im Jahr 2050.  

Kretschmann führt weniger rigides Gesetz als Grund an

Kretschmann begründete seinen Rückzieher auch damit, dass das Klimaschutzgesetz in Baden-Württemberg deutlich weniger rigide sei als das vorherige im Bund. Der Grüne schreibt in seinem Brief an die Ministerien: "Während der Bund jährliche Minderungsziele für einzelne Sektoren festgelegt hat, gibt es in Baden-Württemberg eine solche jahresscharfe Betrachtungsweise nicht. Stattdessen wurden für jeden Sektor Zwischenziele für die Jahre 2030 und 2040 festgelegt, deren Erreichung in einem regelmäßigen Monitoring überprüft wird." Was aber noch wichtiger sei: "Wenn im Bund die jährlichen Minderungsziele nicht erreicht wurden, führte dies zu der Pflicht, ein Sofortprogramm aufzulegen. In Baden-Württemberg gibt es eine solche Pflicht nicht."

Darum sei es richtig, derzeit an dem Instrument Sektorziele festzuhalten. "Es gibt Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einen verlässlichen Handlungsrahmen und eine Basis für Maßnahmen. Es trägt dazu bei, dass der Klimaschutz nicht nur als Thema des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft betrachtet wird, sondern nimmt alle Ressorts in die Verantwortung."

Grün-Schwarz kommt beim Klimaschutz nicht vom Fleck

Doch tatsächlich kommt die Landesregierung bei der Minderung des Ausstoßes von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) kaum voran. Der Klima-Sachverständigenrat hat mehrfach erklärt, die Regierung tue viel zu wenig, um ihre hochgesteckten Klimaziele zu erreichen. Demnach droht die Regierung in fast allen Bereichen, also unter anderem im Verkehr, in der Industrie und im Gebäudesektor, ihre Ziele zu verfehlen.

Der schleppende Ausbau der Windkraft ist nur ein Problem von vielen. Im Jahr 2022 sind die CO2-Emissionen im Vergleich zu 2021 nur um 0,4 Prozent gesunken. Das Ziel bis 2030 ist eigentlich: Ein Minus von 65 Prozent der Emissionen im Vergleich zu 1990. Bisher ist nicht viel passiert. Um das Ziel zu erreichen, dürften laut Statistischem Landesamt 2030 nicht einmal mehr die Hälfte der Emissionen von 2022 ausgestoßen werden.

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