Wie fühlt es sich an, in einem Tiny House zu wohnen? Das können Interessierte in Rheinau testen. Die Kleinhäuser gehören dem Mann, der den Trend vor Jahren nach Deutschland gebracht hat.
Heidi Jäger und Benjamin Stoll sind ziemlich überrascht, als sie zum ersten Mal ins Tiny House "Nummer zwei" auf dem Gelände in Rheinau (Ortenaukreis) eintreten. "Oh, ist das schön gemütlich hier, und so geräumig", strahlt das Paar aus Offenburg, das sich über das Wochenende ein Tiny House gemietet hat. Ihr Plan: Probewohnen auf Zeit. Um herauszufinden, wie sie so zurecht kommen mit dem Wohngefühl zu zweit auf engstem Raum.
Schlafen auf der Empore
Rund 25 Quadratmeter hat ihr Tiny House - eines von insgesamt drei Kleinhäusern auf dem Gelände von Vermieter Dieter Puhane. Er gilt als der Gründer der Tiny House-Bewegung in Deutschland und hat in Rheinau vor ein paar Jahren eine kleine Siedlung mit Modellhäusern gebaut. Damals waren Tiny Houses in Deutschland noch kaum bekannt.
In seinen Modellhäusern wirkt alles luftig und aufgeräumt. Neben einer Sofaecke mit TV-Gerät gibt es einen Esstisch mit vier Stühlen, eine kleine Kochnische mit Gasherd und Kühlschrank, dazu ein recht komfortables Bad mit Waschbecken, Dusche und WC. Ein Pellet-Ofen sorgt überall für heimelige Wärme.
Stauraum im Tiny House ist knapp
Über eine kleine Stiege geht es hinauf auf die Schlafempore, wo ein Doppelbett untergebracht ist. Und das Wichtigste: Jede noch so kleine Ecke wurde genutzt, um Ausziehschränke und Regale unterzubringen. Stauraum ist knapp bemessen im Tiny House.
25 Quadratmeter statt Haus auf sieben Etagen
Benjamin Stoll und Heidi Jäger träumen schon länger davon, sich zu verkleinern. Die Lehrerin für Sonderpädagogik und der Onlinehändler für Retro-Spiele wohnen in einem Reihenhaus aus den 1960er Jahren in Offenburg - mit sieben Etagen vom Keller bis unters Dach.
Da die drei Kinder längst erwachsen und ausgezogen sind, wird das Haus inzwischen zum Ballast. "Es ist einfach alles viel zu groß hier. Es gibt viele Treppen, viel zu putzen und nur wenige Räume werden auch von uns genutzt", klagt Heidi Jäger.
Im Tiny House ist alles ganz nah beieinander. Das begeistert vor allem Benjamin, der akute Knieprobleme hat und froh ist, die vielen Treppen zuhause mal für eine Weile los zu sein. Und da beide gut harmonieren, halten sie es auch bei Regenwetter problemlos miteinander aus. Benjamnin spielt Video-Spiele auf dem Sofa, Heidi hat sich auf die Empore verzogen und liest ein Buch.
Sehnsucht nach Minimalismus
Vermieter Dieter Puhane kennt diese Sehnsucht vieler Leute nach einem minimalistischen Lebensstil. Er hat viele Jahre lang selbst Tiny Houses gebaut - als gelernter Schreiner wurde er vor neun Jahren auf die Tiny-House-Bewegung in Amerika aufmerksam und war auf Anhieb fasziniert. Damals ahnte er noch nicht, welchen Boom er damit auch hierzulande auslösen würde. In Karlsruhe gibt es jährlich eine eigene Messe für Tiny Houses.
Über 130 Tiny Häuser hat Dieter Puhane in seinem Leben schon gebaut. Mittlerweile hat er den Betrieb an seinen Nachfolger abgegeben und berät nur noch Kunden, die sich für dieses Konzept interessieren.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Mit Preisen zwischen 80.000 Euro und 150.000 Euro sind Tiny Häuser deutlich günstiger als herkömmliche Immobilien. Dazu sind sie schnell und günstig zu beheizen und brauchen außer einem erschlossenen Bauplatz nicht viel Fläche.
Der Schritt zum Tiny House muss gut überlegt sein
Dennoch sollte der Schritt, in ein Tiny House zu ziehen, gut überlegt und geplant sein, warnt Dieter Puhane. Nicht für jeden sei es geeignet, auf engstem Raume ohne große Rückzugsmöglichkeiten zu leben. Umso wichtiger, das vorher mal auszuprobieren.
Benjamin Stoll und Heidi Jäger haben bei ihrem Probewohnen-Wochenende gemerkt, dass sie auch mal Raum für sich brauchen. Ihr Fazit fällt positiv aus - aber mit einer Einschränkung. "Wir können uns ein Dauerwohnen in einem Tiny House schon gut vorstellen. Aber dann bitte mit mindestens zwei extra Räumen, sodass jeder ein Zimmer für sich hat", sind sich beide einig.
Eine Frage der Größe: Tiny House oder Modul-Haus
Und das wäre dann wohl eher doch ein bisschen größer als ein reines Tiny House, sondern eher ein Modul-Haus. Entwerfen wollen sie die Pläne für ihr Traumhaus selbst. Und Dieter Puhane soll ihnen dabei mit Rat und Tat zur Seite stehen. Wann genau - das ist zwar noch offen. Aber ein eigenes Minihäuschen für zwei - dieses Ziel hat das Paar aus Offenburg schon ganz fest im Blick.
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