Digitale Forensik

Mord in Philippsburg: Diese Daten liefern Fitnessuhr, Smartphone und Co.

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Autor/in
Annika Jost
Reporterin Annika Jost

Beim Mordprozess am Landgericht Karlsruhe stellte das LKA sein Gutachten der digitalen Forensik vor. Liefern Smartphone und Fitnessuhr den entscheidenden Hinweis zur Aufklärung?

Der Prozess um den Mord in Philippsburg (Landkreis Karlsruhe) sorgt für Entsetzen. 26 Messerstiche haben eine Mutter von zwei Kindern getötet. Der Richter des Landgerichts Karlsruhe geht der Frage nach: Hat der Ehemann Stefan B. seine Frau wirklich ermordet?

Das Opfer trug eine Fitnessuhr, als sie gefunden wurde. Sie soll bei der Wahrheitsfindung helfen. Ein Ermittler des Landeskriminalamts Baden-Württemberg (LKA) stellte am Freitag das Gutachten vor. Er ist auf digitale Forensik, also das Aufarbeiten von digitalen Spuren krimineller Handlungen spezialisiert und hat die Daten von der Fitnessuhr des Opfers ausgewertet.

Mord in Philippsburg: Fitnessuhr soll Indizien liefern

Am 18. März 2023 wurde eine 36-jährige Frau schwer verletzt in ihrer Wohnung in Philippsburg gefunden. Kurz darauf stirbt sie. Der Ehemann wird ein paar Tage später festgenommen und angeklagt. Vor Gericht wird nun verhandelt, ob Stefan B. seine Frau heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen ermordet hat.

Der Angeklagte schweigt zu den Vorwürfen. Deswegen müssen Indizien gesammelt werden, die Hinweise zur Tat geben. Die Staatsanwaltschaft sieht das Motiv darin, dass der Angeklagte trotz Affäre seine Kinder nicht verlieren wollte.

Eine Banane liefert wichtige Erkenntnis

In dem vom LKA vorgestellten Gutachten beschrieb die Beamtin, wie zuverlässig die Daten der Fitnessuhr sind. In mehreren Versuchen wurde die Uhr mit einem Pulsgurt um die Brust verglichen. Außerdem analysierte die LKA-Beamtin mehrere Studien zu Pulsuhren der Marke, die das Opfer getragen haben soll. Ihre Erkenntnis: Bei normaler Nutzung ergebe sich eine "überwiegend richtige Herzfrequenzmessung".

Fragen wirft der Zeitraum nach dem berechneten Todeszeitpunkt auf. Denn auch hier zeichnete die Uhr einen Puls auf. Um das zu klären, legte die Sachverständige die Uhr einer Banane an – als Experiment. Die Auswertung ergab: Auch bei der Banane ließ sich ein Puls messen. Grund sei die Messtechnik, die auf optischen Sensoren beruhe. Wird das ausgeworfene Licht an der Banane reflektiert, erkennt der Algorithmus einen Puls, auch wenn er nicht da ist. Bei der Toten hat diese Reflexion vermutlich das Blut verursacht, das ihr auch am Arm entlanggelaufen war und den Sensor verschmutzt haben könnte.

Professor für digitale Forensik weiß, wie Daten der Fitnessuhr ausgewertet werden können

Professor Holger Morgenstern unterrichtet unter anderem digitale Forensik und Cybersecurity in Bachelor- und Masterstudiengängen an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen. Seine Absolventen arbeiten nach eigenen Angaben später oftmals als Spezialisten beim LKA. Und Morgenstern ist nebenher auch öffentlich bestellter Sachverständiger für digitale Forensik. Er weiß, welche Arbeit die Spezialisten vom LKA Baden-Württemberg aktuell verrichten.

Fitnessuhr: Passt der Puls des Opfers zum vermuteten Tathergang beim Mord in Philippsburg?

Das Gericht verspricht sich Erkenntnisse aus dem Fitnesstracker und Smartphone des Opfers. Mithilfe der Fitnessuhr soll der Todeszeitpunkt eingegrenzt werden. Das Gutachten der Gerichtsmedizin liefert einen Zeitraum von 8:30 bis 14 Uhr am Tattag.

Das Auswerten von Gesundheitsdaten, sei es von Fitnessuhren oder Schrittzahlen des Smartphones, wird immer wichtiger bei Ermittlungen.

Experimente mit der Uhr sollen zeigen, wie zuverlässig die Daten sind, vermutet Morgenstern. So würde die untersuchte Uhr mit einer anderen verglichen, bei der man die Verlässlichkeit der Daten schon kennt.

Fitnessuhr, Smartphone und Co. - Wir produzieren Daten ohne Ende

Bei fast jeder Ermittlung gibt es mittlerweile digitale Spuren auf Smartphones, Smarthome-Geräten oder Fitnesstrackern. Kurz gesagt: Jeder von uns produziert Daten ohne Ende. Die Datenmenge sei ein großes Problem, so Morgenstern. Oft würde deshalb nur das ausgewertet werden, von dem man sich den größten Erkenntnisgewinn erhofft.

Es gibt fast immer im Voraus der Ermittlungen schon einen Verdacht. Man sucht in den Daten dann etwas Konkretes.

Eine Hand hält ein Smartphone, wärend die andere es bedient und dabei eine Fitnessuhr trägt. Fitnessuhr und Smartphone sammeln Daten, die bei Ermittlungen zum Mord in Philippsburg weitere Indizien liefern können. Das Gericht bekommt so einen möglichst umfassenden Einblick in die Tat.
Fitnessuhr und Smartphone sammeln Daten, die bei Ermittlungen zum Mord in Philippsburg weitere Indizien liefern können. Das Gericht bekommt so einen möglichst umfassenden Einblick in die Tat.

Der Lichtschalter, der mit dem WLAN verbunden ist, die mit dem Handy steuerbare Heizung oder der Staubsaugerroboter – sie alle sammeln Daten. "Je smarter man lebt, desto mehr Daten kann die Polizei bei ihren Ermittlungen auswerten", sagt Morgenstern.

Dann könne zum Beispiel ausgewertet werden, zu welcher Uhrzeit von wessen Smartphone das Licht angeschaltet wurde. Oder wann das Thermostat der Heizung eine kältere Umgebung registriert hat, weil ein Fenster aufgebrochen wurde, so Morgenstern.

Es gibt kaum noch einen Gerichtsprozess, bei dem Computer keine Rolle spielen.

Zusätzliche Indizien im Mordfall Philippsburg

Selten könne man die Daten von den Geräten einfach abrufen. Es komme darauf an, wo die Daten gespeichert werden. Sind sie in der Cloud und nicht auf dem Gerät gespeichert, ist die Polizei auf die Mithilfe der Betreiber wie Google oder Apple angewiesen. Hier würden auch Datenschutzgesetze anderer Länder mit hineinspielen, so Morgenstern.

Wenn die Polizei dann Zugriff auf die Daten hat, sei die nächste Herausforderung, sie zu interpretieren. Leicht gehe es immer dann, wenn schon Kollegen Erfahrung mit Daten von einem bestimmten Gerät gemacht haben, sagt Morgenstern. Welcher Messpunkt bedeutet was? Es komme auch darauf an, dass die Fitnessuhr richtig getragen wurde und dass die Technik in regelmäßigen Abständen Daten misst und überträgt, erklärt Morgenstern.

Zum Schluss müssen die Ermittler dann noch überprüfen, ob die Daten wirklich das aussagen, was interpretiert wird. Mit einer Einschätzung der Zuverlässigkeit dieser Daten könne das Gericht dann die richtigen Schlüsse daraus ziehen, so Morgenstern.

Letztendlich wird das Urteil wahrscheinlich nicht nur auf den Auswertungen der digitalen Geräte beruhen. Es ist ein Puzzleteil, wie Fingerabdrücke und DNA-Spuren es auch sind. Ein Urteil wird im Januar 2024 erwartet.

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