Die "Grauen Wölfe" werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Die türkischen Extremisten können künftig nicht Mitglied in der CDU Baden-Württemberg werden.
Die Mitgliedschaft in extremistischen Gruppierungen wie den "Grauen Wölfen" ist künftig nicht mehr vereinbar mit einer Mitgliedschaft in der CDU Baden-Württemberg. Einen entsprechenden Antrag hat der Landesparteitag der Christdemokraten am Samstag in Ludwigsburg mehrheitlich verabschiedet.
Darin heißt es, die CDU solle keine Personen aufnehmen, "die Mitglieder von extremistischen Organisationen sind oder nachweislich mit diesen sympathisieren". In der Antragsbegründung wird ausdrücklich auf "politisch und religiös motivierte Extremisten" mit islamischem Hintergrund verwiesen, ebenso auf "diverse linksextremistische türkische Organisationen".
Aufregung rund um Ortsverein in Filderstadt
Die Antragskommission hat den Delegierten empfohlen, dem Antrag zuzustimmen. Er war bereits beim vergangenen Landesparteitag im November 2023 in Reutlingen auf der Tagesordnung gestanden, doch damals konnte wegen der Neuwahl des Landesvorstands und der Parteispitze, aber auch wegen zahlreicher anderer Anträge nicht darüber abgestimmt werden. Diesmal stand das Thema des Antrags auch wegen aktueller Ereignisse besonders im Blick.
Die Vorfälle rund um das Fastenbrechen eines umstrittenen deutsch-türkischen Freundschaftsvereins in Filderstadt (Kreis Esslingen) samt dem SPD-Bundestagsabgeordneten und außenpolitischen Sprecher der Sozialdemokraten, Nils Schmid, haben den Fokus auf einen extremistischen Dunstkreis gelegt und die Frage aufgeworfen: Welche Distanz braucht es zu extremistischen Gruppierungen?
Die Forderung des CDU-Antrags: "Wir dürfen auf keinem Auge blind sein. Deshalb können Vereine und Verbände, die eine Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung darstellen, unsere liberale Gesellschaft und Werte ablehnen, nicht zugleich Partner unseres Landes sein und erst recht nicht der CDU Baden-Württemberg." Auch auslandsbezogener Extremismus müsse bekämpft werden, "denn es gibt keinen Extremismus erster, zweiter oder dritter Klasse". Es gehe am Ende auch um die Glaubwürdigkeit der CDU, so der Antrag. "Ein Migrationshintergrund darf nicht zu einem Privileg werden", so der Schlusssatz des Antrags.
So hat SWR Aktuell Baden-Württemberg Mitte April berichtet:
Politikwissenschafter: "Graue Wölfe" offensichtlich extremistisch
Auch Beobachter wie der Freiburger Politikwissenschaftler Uwe Wagschal erkennen einen Nachholbedarf bei der Wehrhaftigkeit der Demokratie. Und zwar dann, wenn der Extremismus eben nicht deutschen Ursprungs sei, sondern aus migrantischen Kreisen komme. Bei den "Grauen Wölfen" seien die extremistischen Züge derart offensichtlich, dass man dringend eine weitere Brandmauer ziehen müsse, rät Wagschal. Außerdem werde die Gefahr einer möglichen Unterwanderung in der Zukunft ansteigen, so die Analyse des Politologen.
Seine Warnung: Es gibt immer mehr Formen von Extremismen - Spielarten des Links- und des Rechtsextremismus. "Jetzt haben wir eine Zunahme von türkischem Rechtsextremismus, von dem übrigens die bundesweit stärksten Organisationen hier in Baden-Württemberg sind." Da sei durchaus Gefahr im Verzuge, bei der man nicht untätig bleiben solle. Tatsächlich müssten Gesellschaft und Politik aufpassen, dass man bei unterschiedlichen Formen von Extremismus stets dieselbe Messlatte anlege. Man dürfe nicht auf einem Auge blind sein, so Wagschal.
Beispiele hierfür seien zahlreiche kurdische Demonstrationen in Mannheim, die immer wieder Ziel der "Grauen Wölfe" gewesen seien. Daran könne man sehen, dass die "Grauen Wölfe" sich nicht am demokratischen System beteiligen wollten. Ihr Ziel sei vielmehr, auszugrenzen und anzugreifen, so Wagschal. Mehrere hundert Terrormorde gingen auf das Konto der "Grauen Wölfe". Die Frage, ob man die Bedrohung durch diese Gruppierung in der jüngsten Vergangenheit vernachlässigt habe, dürfe man sich stellen.
Verfassungsschutz beobachtet die Szene seit Langem
Tatsächlich tauchen extremistische Gruppierungen mit Verbindungen ins Ausland oder mit Verbindungen zu Migrantenvereinen regelmäßig im Bericht des Verfassungsschutzes auf. Aus dem Innenministerium heißt es dazu: "Der Verfassungsschutz beobachtet die 'Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V.' (ADÜTDF) seit über zwei Jahrzehnten als Teil des türkisch-rechtsextremistischen Spektrums."
Der "Deutsch-Türkische Freundschaftsverein Filderstadt e.V." gehört laut Ministerium zu den "aktivsten ADÜTDF-Vereinen in Baden-Württemberg und veröffentlicht als Bekenntnis zur türkisch-rechtsextremistischen Ideologie regelmäßig online sein Gedenken an türkisch-rechtsextremistische Vordenker". Die ADÜTDF wird auch im CDU-Antrag explizit genannt.
Innenministerium: "Idealistenvereine" betreiben verstärkte Jugendarbeit
Die ADÜTDF und ihre Strukturen in Baden-Württemberg versuchten, "Personen mit Türkeibezug für ihre ultranationalistische Ideologie und die daraus abgeleiteten politischen Ziele zu gewinnen", etwa indem sie Veranstaltungen zu türkisch-nationalen, kulturellen und religiösen Anlässen durchführten, so das Innenministerium. Außerdem werde verstärkte Jugendarbeit betrieben, "bei denen nationalistisches Gedankengut vermittelt wird".
Weiter heißt es vom Ministerium: "Neben der Vereinsarbeit versuchen die ADÜTDF und ihre Mitgliedsvereine, politische und gesellschaftliche Einflussnahme auszuüben. Veranstaltungen mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Gesellschaft sollen den Anschein einer angepassten Werteordnung aufrechterhalten. Hierdurch hoffen die Vereine, als legitime Gesprächspartner auf Augenhöhe anerkannt zu werden."
CDU-Politiker Tekin: Demokratische Parteien verschließen manchmal die Augen
Wer sich mit den "Grauen Wölfen" in Baden-Württemberg beschäftigt, erkennt deutliche geografische Schwerpunkte, unter anderem in Mannheim, aber auch in Friedrichshafen am Bodensee. Der größte Hotspot der Gruppierung ist der Großraum Stuttgart. Turan Tekin, Mitglied der CDU Böblingen, beobachtet die Szene der "Grauen Wölfe" seit Langem. Er warnte wiederholt, dass die demokratischen Parteien manchmal die Augen verschlössen, wenn es um Extremisten unter Migranten gehe. Man müsse als Demokrat eben auch hinschauen, wenn der Extremismus nicht aus Deutschland komme, fordert er.
Initiative zur Distanzierung von Extremismus
Tekin unterstützt neben dem CDU-Antrag auf dem Parteitag auch eine bundesweite parteiübergreifende Initiative, in der Politikerinnen und Politiker mit Migrationshintergrund sich von jeglicher Form des Extremismus distanzieren. Aus Baden-Württemberg haben bislang Politiker von SPD und CDU, aber auch ein Parteimitglied der Grünen unterschrieben. Tekin hofft, dass sich nicht nur viele Politikerinnen und Politiker beteiligen, sondern auch bekannte, wie Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne).
Die Initiative sei aber nicht auf Politiker mit Migrationshintergrund fokussiert, sondern für alle offen. Eine Einladung will Tekin zum Beispiel an den SPD-Chef in BW, Andreas Stoch, schicken.
SPD-Chef Stoch muss sich zu extremistischen Entgleisungen äußern
Der Landesvorsitzende der Sozialdemokraten muss in diesen Tagen gleich zwei extremistische Entgleisungen in einem SPD-Ortsverband kommentieren und das, obwohl in der Partei schon seit über zehn Jahren ein Unvereinbarkeitsbeschluss gilt. Sogar bundesweit. Dieser Beschluss hat in Filderstadt allerdings nicht verhindert, dass Mitglieder, die den "Grauen Wölfen" nahestehen sollen, auf einer Liste zur Kommunalwahl auftauchen.
Die Erkenntnis in diesen Tagen aus der Erfahrung der SPD: Wehrhafte Demokratie muss mehr sein als Parteibeschlüsse. Es gehe dann auch um eine Haltung, versucht Stoch auf Nachfrage des SWR zu erklären.
Die "Grauen Wölfe" verbieten?
Uwe Wagschal sieht noch eine andere Option: das "Schwert des Verbots". Dies sei die härteste Maßnahme, "aber wenn keine Besserung da ist, muss man auch dieses Schwert ziehen", so der Politikwissenschaftler.
In Frankreich wurden die "Grauen Wölfe" im November 2020 per Dekret verboten, in Österreich stehen immerhin ihre Symbole auf dem Index. Man habe also durchaus noch Instrumente, um gegen solche Gruppierungen vorzugehen, so Wagschal. In Sachen "Graue Wölfe" liege ein Verbotsantrag seit 2020 immer noch auf dem Tisch des Bundesinnenministeriums.
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