In BW stecken sich jährlich etwa 200 Menschen mit HIV an. Um das zu vermeiden, nimmt Philipp Redl aus Freiburg täglich Tabletten. In Zukunft könnte daraus eine Spritze werden.
Mehr als 10.000 Menschen in Baden-Württemberg leben mit der Diagnose Aids. Die meisten von ihnen können ein ganz normales Leben führen, dank Medikamente, die das im Körper lebende Virus hemmen. Andere nehmen sie als Vorsorge. Das funktioniert bisher noch über Tabletten, die täglich eingenommen werden müssen. In Zukunft könnten sie möglicherweise durch eine halbjährliche Spritze ersetzt werden.
Eine HIV-Infektion vorbeugen
Der Freiburger Philipp Redl ist ein gesunder Mann. Um das zu bleiben und Verantwortung für sich und andere zu übernehmen, setzt er seit Jahren auf die sogenannte PräExpositionsProphylaxe (PrEP). Tabletten, die eine Infektion mit HIV verhindern sollen.
Denn ungeschützter Geschlechtsverkehr - vor allem unter Männern - ist neben infizierten Nadeln beim Drogenkonsum und einer Übertragung bei der Schwangerschaft einer der Hauptgründe für eine HIV-Infektion. Immerhin zwei Drittel der Infizierten in Deutschland sind Männer, so die Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI). "Aus diesem Grund bin ich froh, dass sich das ziemlich verbreitet hat und dass viele das auch zuverlässig und verantwortlich nehmen", so Redl.
Tabletten vergessen oder Lieferengpässe
Wenn das Medikament nicht täglich eingenommen wird, steigt auch das Risiko einer Infektion wieder an. Der neue Wirkstoff "Lenacapavir" müsste nur noch zweimal im Jahr gespritzt werden. Auch in Deutschland sei der Bedarf an einem Medikament mit längerer Wirkungsdauer auf jeden Fall da, so Jan Thoden, Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie und Infektiologie in Freiburg.
Für Philipp Redl und sein Umfeld ist das Medikament ein zusätzlicher Schutz. Dennoch achten alle sehr darauf, dass sie es nicht vergessen. "Wir lassen uns durch Apps erinnern, dass man es nicht vergisst, aber es ist natürlich möglich." Ein anderes Problem: Vor etwa einem Jahr habe es Lieferengpässe bei dem Medikament gegeben. "Da sind dann viele nervös geworden. Sowas kann natürlich durch eine Spritze zwei Mal im Jahr eher umgangen werden."
Durchbruch im Kampf gegen Aids weltweit
Bereits im Sommer hat eine erste Studie mit mehr als 5.300 Frauen und jugendlichen Mädchen vielversprechende Ergebnisse geliefert. Nun wurde diese in einer zweiten Studie mit rund 3.300 HIV-negativen Menschen bestätigt, so Thoden. Das weckt die Hoffnung, dass die Spritze zum Schutz vor HIV schon bald weltweit zum Kampf gegen Aids eingesetzt werden kann.
Denn weltweit leben 39,9 Millionen Menschen mit dem Virus, so die Angaben des UN-Programms UNAIDS. Im Jahr 2023 infizierten sich nach Schätzungen der Deutschen Aidshilfe etwa 1,3 Millionen Menschen neu. Vor allem viele Menschen in afrikanischen Ländern südlich der Sahara seien betroffen. In diesen Ländern sei auch die Stigmatisierung noch deutlich stärker, erklärt Astrid Berner-Rodoreda vom Universitätsklinikum Heidelberg. Sie ist Expertin auf dem Gebiet der HIV-Prävention und Behandlung. Eine tägliche Medikamenteneinnahme würde oft Misstrauen in der Familie und dem Umfeld wecken und dazu führen, als positiv abgestempelt zu werden. In diesen Ländern sei eine Spritze alle sechs Monate daher ein echter Durchbruch - auch weil die Prävention so leichter heimlich möglich ist.
Mehr als 20.000 Euro für "Lenecapvir"-Spritze
Umso wichtiger ist es, dass das neue HIV-Medikament auch in ärmeren Ländern zugelassen wird und für die Bevölkerung zugänglich ist. Immerhin rund 21.000 Dollar und damit umgerechnet rund 20.000 Euro kostet eine Spritze mit dem Wirkstoff des Herstellers in den USA. Also rund 40.000 Euro im Jahr - im Vergleich dazu liegen die Kosten für die PrEP-Therapie mit Medikamenten im Jahr bei rund 10.000 - 12.000 Euro im Jahr, so Thoden. Dort werde das Medikament bereits gezielt und erfolgreich bei Menschen eingesetzt, bei denen einen tägliche Einnahme von Tabletten schwierig ist - wie etwa bei Obdachlosen, erklärt Thoden.
Holger Wicht von der Deutschen Aidshilfe hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass Krankenkassen diese Kosten übernehmen werden. Für ärmere Länder soll es jedoch ein Nachahmerprodukt, ein sogenanntes Generikum, geben. "Die Firma hat dafür gesorgt, dass 120 Länder von billigeren Präparaten profitieren können, das ist schon mal begrüßenswert. Aber da fehlen eben die nicht ganz armen Länder, des mittleren Einkommens, da sind schon einige Länder ausgenommen", kritisiert Berner-Rodoreda.
So ist auch es auch für Länder wie Deutschland noch nicht klar, ob und wann es die Spritze geben wird.
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Seit 2002 hilft der Globale Fonds bei der Bekämpfung der Krankheiten. Bisher konnten 65 Millionen Leben gerettet werden.