Bei einem brasilianischen Aids-Patienten sind angeblich auch ohne Medikamente seit einem Jahr keine Antikörper gegen HIV mehr nachweisbar. Ist das ein Durchbruch im Kampf gegen Aids?
Mit Medikamenten lässt sich Aids mittlerweile gut in Schach halten – heilbar aber ist die Krankheit noch immer nicht. Oder vielleicht doch? Ein Bericht von der gerade laufenden virtuellen Welt-Aids-Konferenz sorgt gerade für Schlagzeilen: In Brasilien soll ein Patient seit einem Jahr keine Antikörper gegen HIV mehr haben – obwohl er die ganze Zeit keine Medikamente mehr bekam. Bisher gibt es weltweit nur zwei geheilte Patienten, beide hatten eine hochriskante Knochenmarkstransplantation erhalten. Doch bei der dritten möglichen Heilung überwiegen die Fragezeichen.
HIV - es kann zu Rückfällen kommen
Zum Jubeln ist es noch viel zu früh. Im Moment wirft der vermeintliche Durchbruch vor allem Fragen auf. Die wichtigste zuerst: Kann man wirklich eine Heilung vermuten, nur weil die Ärzte bei dem 34-jährigen Patienten über ein Jahr lang keine Antikörper gegen HIV mehr finden konnten? Das ist eine vielversprechende Entwicklung, mehr aber nicht.
Auch das sogenannte Mississippi-Baby galt mal als weltweite Sensation: Das HIV-infizierte Mädchen war sehr früh intensiv behandelt worden, dann brach die Mutter die Therapie ab – trotzdem blieb die Kleine gesund und galt als geheilt. Zwei Jahre später kam dann der Rückfall, seitdem braucht das Kind wieder Medikamente.
HI-Viren können jahrelang in Schläferzellen überleben
HI-Viren können nämlich in „Schläferzellen“ lange Zeit unbemerkt überleben, zum Beispiel in Lymphknoten oder im Knochenmark. Mit Antikörpertests lassen sich diese tückischen Reservoirs nicht erfassen. Eine echte Heilung ist bisher nur in zwei sehr ungewöhnlichen Fällen nachgewiesen: Der sogenannte „Berliner Patient“ gilt schon seit 2007 als geheilt, in diesem Frühjahr folgte dann der „Londoner Patient“. Beide Männer waren HIV-positiv und hatten gleichzeitig Blutkrebs – nur deshalb bekamen sie eine hochriskante Knochenmarkstransplantation.
Reicht Kombination starker Aidsmittel zum "Sieg" über die die Krankheit?
Spender waren jeweils Menschen mit einem seltenen Gendefekt, der vor HIV schützt. Die Therapie ist lebensgefährlich und deshalb kein Ansatz für Aidspatienten ohne Blutkrebs – schließlich lässt sich HIV auch mit Medikamenten gut in Schach halten. Der Fall in Sao Paulo wirft nun neue Fragen auf: Könnte vielleicht auch die Kombination bestimmter starker Aidsmittel das Virus dauerhaft beseitigen?
Studie nur begrenzt aussagekräftig
Der jetzt auf der Welt-Aids-Konferenz beschriebene Patient hatte mehr als zwei Jahre lang sehr starke antivirale Medikamente bekommen, darunter Maraviroc und Dolutegravir. Ricardo Diaz, der behandelnde Arzt, spricht nun ein Jahr nach dem Absetzen von einer möglichen Heilung. Die international anerkannte HIV-Expertin Sharon Lewin nennt die Studie allerdings nur begrenzt aussagekräftig und rät zur Vorsicht. Die „sehr provokanten Daten“ müssten jetzt tiefer untersucht werden.