In einem offenen Brief fordern die niedergelassenen Ärzte in Wertheim, die insolvente Rotkreuzklinik zu retten. Auch kommende Woche soll der Kampf um den Erhalt weitergehen.
Der Kreis muss handeln, heißt es in dem offenen Brief an den Landrat des Main-Tauber-Kreises Christoph Schauder (CDU). Auch Stadt und Sozialministerium haben das Schreiben bekommen. Die stationäre Akut- und die ambulante Notfallversorgung stehen unmittelbar vor dem Kollaps, für den Fall, "dass die Rotkreuzklinik tatsächlich schließt oder eine reine Fachklinik ohne Grund- und Regelversorgung kommt", heißt es von den Wertheimer Ärzten. Ein Aus der Rotkreuzklinik betreffe rund 75.000 Menschen. Diese müssten im Ernstfall weit mehr als eine halbe Stunde lang fahren, um in Kliniken wie Tauberbischofsheim oder Bad Mergentheim (beide Main-Tauber-Kreis) versorgt zu werden.
Petition mit über 11.000 Unterschriften
Dabei seien auch diese und weitere Häuser im Umkreis schon jetzt überlastet. Fällt die Versorgung durch die Notfallambulanz der Wertheimer Rotkreuzklinik weg, müssten in den umliegenden Ambulanzen weitere rund 11.000 Patientinnen und Patienten versorgt werden, so das Schreiben. Und so hatte unlängst selbst eine Ärztin aus dem benachbarten Würzburg eine Online-Petition zum Erhalt der Wertheimer Rotkreuzklinik gestartet. Über 11.000 Unterschriften gibt es bereits (Stand 18.2.) - Tendenz steigend. Vielfach wurde die Petition in den sozialen Netzwerken geteilt. Die Initiatorin argumentierte, auch die Ärzteschaft und Bevölkerung von Würzburg wären von einer Schließung betroffen. Sie pocht auf eine Notfallversorgung in Wertheim.
Und auch der Brief an den Landrat schlägt Wellen: Darin fordern die Mediziner die Stadt Wertheim auf, zumindest vorübergehend die Klinik zu übernehmen. "Die Lage ist ernst", heißt es in dem Schreiben. Die Versorgung drohe zusammenzubrechen.
Lange Wege würde das für Krankentransporte und Rettungswageneinsätze bedeuten: Die gesetzlich vorgeschriebene Frist, die Einsatzkräfte zu einem Unfallort brauchen dürfen, einzuhalten, wäre "illusorisch". Die Zeit würde sich verdoppeln. "Der Notarzt fehlt beim nächsten Unfall vor Ort", heißt es in dem Brief. Zufriedenstellende Antworten auf das Schreiben stünden allerdings aus.
Ärzteschaft hat Konzept erarbeitet
Die rund 40 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte haben ein Aktionsbündnis zum Erhalt der Rotkreuzklinik in Wertheim gegründet. Sie haben ein Konzept erarbeitet, das es möglich machen könnte, die Klinik unter Minderung der Verluste weiter zu betreiben, so Arzt Axel Schmid. Aktuell läuft das Insolvenzverfahren. Das Haus könnte bald an eine Fachklinik verkauft werden, befürchten die Beschäftigten und die Ärzteschaft: Das könnte, wie der Betriebsrat in der Vergangenheit mitteilte, gravierende Folgen haben - weg von der Grund- und Regelversorgung, hin zu einer chirurgischen Fachklinik. Vergangene Woche hatte eine Fachklinik mitgeteilt, sie werde das Krankenhaus doch nicht übernehmen. Nun, so teilte Arzt Schmid dem SWR mit, habe der Betreiber Ende dieser Woche doch wieder seine Übernahmebereitschaft signalisiert. Doch wie es weitergeht, bleibt offen.
Schmid beteiligt sich am Bündnis, das das Schreiben diese Woche an den Landrat verfasst hat. Die Zeit dränge, sagte er dem SWR: "Die Luft brennt. Wir wissen nicht, was in den nächsten Tagen passieren wird. Wir arbeiten in der Hoffnung, dass wir noch jemanden bewegen können, Verantwortung zu übernehmen." Vorneweg die Stadt. Aber auch Landrat Schauder und Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) müssten sich folgende Frage gefallen lassen, so Schmid: Wieso die Politik in Wertheim offenbar keinen Bedarf für die Grund- und Regelversorgung mehr sieht? Wie also ein Krankenhaus aus dem Versorgungsplan herausgenommen werden könne, das laut Berechnungen dringend gebraucht werde?
In einem Schreiben an den Landrat, das Rathaus und den Insolvenzverwalter formulierte die niedergelassene Ärzteschaft ein nach eigenen Angaben "erfolgversprechendes Zukunftskonzept für die Rotkreuzklinik in Wertheim unter kommunaler Trägerschaft". Auch diese Woche würde sie wieder das Gespräch mit Politik und allen Beteiligten suchen. Das Aktionsbündnis plant zudem eine Kundgebung.
Immer wieder Proteste wegen Krankenhäusern in Not
Nicht nur im Main-Tauber-Kreis wird die medizinische Versorgung immer schwieriger. Anfang des Jahres warnte wiederholt die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG): "Die Insolvenzgefahr ist 2024 historisch hoch." Es gab "2023 eine Rekordzahl von 29 Insolvenzen. 34 Standorte mit insgesamt 13.500 Beschäftigten waren betroffen", heißt es.
Immer wieder gibt es auch Proteste von Ärztinnen und Ärzten: Im vergangenen September nahmen Tausende Beschäftigte aus dem medizinischen Bereich an einem bundesweiten Aktionstag zu Klinikprotesten teil. Allein in Stuttgart machten rund 5.000 Menschen auf die wirtschaftlich angespannte Lage der Kliniken aufmerksam. Sie forderten Finanzhilfen vom Bund. Viele von ihnen leiden unter den Nachwirkungen der Pandemie, der Inflation und hohen Lohnkosten. Bereits im Sommer zuvor hatte es einen bundesweiten Protesttag gegeben.
Versorgung laut KVBW trotzdem gesichert Nach "Poolärzte"-Urteil: Vier Notfallpraxen in BW bleiben dauerhaft geschlossen
Der Fall eines Zahnarztes aus BW führte im Herbst dazu, dass mehrere Notfallpraxen bis auf weiteres geschlossen wurden. Nun steht fest, dass einige von ihnen nicht mehr öffnen.
Einige Notfallpraxen bleiben zu
Auch die Versorgung durch Notfallpraxen im Land ist angespannt. Anfang Februar hieß es von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW): Vier Notfallpraxen in Baden-Württemberg, die bereits seit Oktober geschlossen sind, bleiben dauerhaft zu: Geislingen (Kreis Göppingen), Künzelsau (Hohenlohekreis), Möckmühl (Kreis Heilbronn) und Waghäusel-Kirrlach (Landkreis Karlsruhe). Grund für die Schließungen war ein Gerichtsurteil, das die Beschäftigung sogenannter Poolärztinnen und -ärzte in Notfallpraxen in der bisherigen Form für unzulässig erklärt hatte.