Einige Jugendämter in Heilbronn-Franken geraten zunehmend an ihr Limit. Das hat Folgen für Familien und Kinder, die Hilfe brauchen.
Die Jugendämter in Heilbronn-Franken sind in den vergangenen Jahren zunehmend gefordert. Die Gründe sind vielfältig, einige Probleme wurden durch die Corona-Maßnahmen verschärft. Leidtragende sind vor allem Kinder, die Unterstützung brauchen. Zudem bitten Eltern häufig zu spät um die Hilfe der Ämter.
Mehr Hinweise auf Kindeswohlgefährdung
"Wir sehen an der Zahl der Hinweise zu möglichen Kindeswohlgefährdungen, dass die Bevölkerung beim Thema Kinderschutz aufmerksamer geworden ist", sagt der Leiter des Jugendamts im Main-Tauber-Kreis, Martin Frankenstein. Die Menschen erwarten dann zu Recht, dass die Ämter jeder Meldung professionell nachgehen. Natürlich bedeute das insgesamt mehr Arbeit und auch Druck für die Mitarbeitenden. Zumal Fehler bei einer Einschätzung gravierende Folgen für die Kinder haben können.
"Mehr Hinweise" heißt allerdings nicht, dass es auch mehr Fälle einer tatsächlichen Kindeswohlgefährdung gibt, so Frankenstein. Häufig sei eher Beratung nötig.
Teilweise Überlastung und lange Wartelisten
Für die Jugendämter wird es immer schwerer, Stellen rechtzeitig oder überhaupt nachzubesetzen. Die Fluktuation ist hoch, es gibt viele junge Frauen in Teilzeitstellen. Im Main-Tauber-Kreis gelingt es noch, im Hohenlohekreis kaum. In Heilbronn teilt das Jugendamt mit: "Die Regelsysteme sind alle überlastet, es fehlt geeignetes Personal". Dadurch kommt es zu langen Wartezeiten für Termine bei kinder- und jugendpsychiatrischen Therapeuten, wodurch sich die Situation oftmals weiter verschärft.
Lange Wartelisten gibt es auch im ambulanten Bereich der Jugendhilfe, so der Sprecher des Heilbronner Landratsamts, Michael Brand. Möglichst früh zu helfen, sei hier so gut wie unmöglich. Dadurch bestehe die Gefahr, dass sich die Lage für die Betroffenen verschlimmert.
Jugendämter ringen mit den Folgen der Corona-Maßnahmen
Im Zuge der Einschränkungen während der Corona-Pandemie haben sich teilweise bestehende Probleme in Familien verschärft oder sind neu dazugekommen. Die Nachwehen sehe man auch an einem Anstieg der Meldungen, so Martin Frankenstein. Besonders bei seelisch behinderten Kindern (zum Beispiel Autismus-Spektrum-Störung) müssten die Jugendämter nun deutlich mehr Schulbegleitung leisten. Der Übergang zurück in den Schulalltag sei nicht bei allen Kindern gut geglückt.
Eltern haben Angst, dass ihnen die Kinder weggenommen werden
Eltern suchen in schwierigen Situationen häufig erst spät die Unterstützung des Jugendamts. Oft steckt die Angst dahinter, dass ihnen die Kinder weggenommen werden könnten, so Michael Brand. Solche unbegründeten Ängste würden vielfach durch Social-Media-Berichte befeuert, die nicht die Realität abbildeten, erklärt Brand weiter. Denn der primäre Auftrag der Jugendämter sei es, Familien zu unterstützen.
Weniger individuelle Ansprüche, dafür mehr Ganztagsbetreuung
Von der Politik wünschen sich die Verantwortlichen im Jugendamt Heilbronn, dass sich der Staat mehr auf den Ausbau der Ganztagsbetreuung konzentriert, statt individuelle Ansprüche und Rechte immer kleinteiliger zu regeln. Weniger Bürokratie und dafür allgemein bessere Rahmenbedingungen bei der Förderung in Kita, Kindergarten und Schule - lautet der Wunsch.
Im Main-Tauber-Kreis hofft Martin Frankenstein, dass die kommunalen Gremien auch in Zeiten knapper Kassen weiterhin die Wichtigkeit der Kinder- und Jugendhilfe erkennen. Heißt auch: die nötigen Ressourcen und Gelder zur Verfügung stellen.
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