Nur ein kurzärmeliges Hemd und ein paar Luftlöcher in der Mütze sorgen bei der Polizeiuniform in Baden-Württemberg bei Hitze für etwas Linderung. Dabei gibt es gute Alternativen.
Vor allem Polizistinnen und Polizisten im Außendienst leiden gerade unter der Hitze. Ein Grund dafür ist das Material ihrer Uniform, sagt Textilforscher Jan Beringer vom Hohenstein Institut in Bönnigheim (Kreis Ludwigsburg). Er fordert das Innenministerium in Stuttgart auf, bei der Beschaffung der Dienstkleidung den Klimawandel mehr mitzudenken. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) will, dass die Dienstkleidung entsprechend überprüft wird. Das Innenministerium weist die Kritik zurück.
Uniform bei Hitze schnell durchgeschwitzt
Die aktuelle Polizeiuniform ist der Versuch eines Kompromisses zwischen Sicherheit und Komfort. Bei besonders warmen Temperaturen wird es im Außendienst aber schnell unerträglich. Das Hemd unter der Schutzweste ist binnen kurzer Zeit durchgeschwitzt. Besonders gefürchtet bei Hitze sind das Regeln des Verkehrs in der prallen Sonne und Einsätze mit zusätzlicher Schutzausrüstung wie Helm und Panzerung.
Beringer: Klimawandel wird bei der Polizei-Ausrüstung zu wenig berücksichtigt
Die Uniformen der Polizei seien meist aus Baumwolle, sagt Textilforscher Beringer. Dabei gebe es bessere Alternativen, zum Beispiel Technologien wie sie bei der Funktionskleidung im Outdoor- und Sportbereich eingesetzt werden. "Wir sind ab und zu Bestandteil der Ausschreibungen (des Innenministeriums Anm. der Redaktion) und geben unsere Empfehlung ab", sagt er. Wenn Vorschläge abgelehnt würden, dann meist aus Kostengründen.
Viel liege auch am Aberglauben, dass Baumwolle immer einen guten Tragekomfort biete und an Vorurteilen gegenüber Polyester. Insgesamt sollte das Innenministerium bei der Ausstattung der Polizei den fortschreitenden Klimawandel mehr berücksichtigen, meint Beringer. Zum Beispiel sollten bei der Verkehrspolizei mobile Zelte und Schirme eingesetzt werden, wie es Länder im Süden tun.
Gewerkschaft der Polizei fordert Ministerium zur Prüfung auf
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert das Innenministerium auf, in Kooperation mit Forschungseinrichtungen, eine Evaluierung der aktuellen Uniform-Materialien durchzuführen. Ziel solle es sein, technologisch fortschrittliche Lösungen zu entwickeln, die den Komfort und die Leistungsfähigkeit der Einsatzkräfte unter extremen Wetterbedingungen verbessern, teilte der stellvertretende Landesvorsitzende Thomas Moor mit. Auch bei Schirmen und Zelten sieht die Gewerkschaft Handlungsbedarf und fordert eine angepasste Ausstattung.
Innenministerium: "Eine der besten Dienstkleidungen im bundesweiten Vergleich"
Das Innenministerium weist die Kritik zurück. Die aktuelle Dienstuniform, deren Hemd einen Baumwollanteil von 80 Prozent aufweise, sei vor ihrer Einführung sechs Monate getestet worden, heißt es. Sie sei von den Testerinnen und Testern als sehr gut bewertet worden. Das Mischgewebe sorge für ein gutes Körperklima, Feuchtigkeit werde aufgenommen und wieder abgegeben, so das Ministerium. Darüber hinaus würden bei der Auswahl von Angeboten die Meinung von Fachleuten berücksichtigt.
Bei der Einführung von neuer Dienstkleidung könnten durchaus in Zukunft andere Materialen eingesetzt werden, sofern sie einen Vorteil gegenüber den bisher verwendeten Materialen zeigen, schreibt ein Sprecher. Die immer wärmer werdenden Sommer würden bei der Beschaffung von Ausrüstung in die Überlegungen miteinbezogen. Zudem würden bei Kontrollstellen der Verkehrspolizei bereits Pavillons oder Zelte genutzt, um die Polizistinnen und Polizisten vor der Sonne zu schützen.
Warum nackte Haut und weite Kleidung nicht wirklich helfen
Der menschliche Körper kühlt bei Hitze durch die Verdunstung von Schweiß. Deshalb ist es ungünstig, wenn dieser durch Stoffe einfach nur aufgesogen wird. Besser wäre es, wenn das Material den Schweiß auf die Außenseite transportiert und er dort verdunsten kann. Dafür muss das Kleidungsstück sehr eng am Körper anliegen. "Baumwolle, Wolle, Seide sind okay für ein klimatisiertes Büro, aber für ein effizientes Kühltextil führt nichts am Polyester vorbei", sagt Beringer. Je dünner das Shirt und je höher der Polyesteranteil, umso besser.
Sich bei Hitze einfach ausziehen, ist auch keine gute Idee. Denn der menschliche Körper hat rund zwei Quadratmeter Hautoberfläche. In einem Kleidungsstück gibt es durch das Gewebe eine viel größere Fläche, damit Schweiß verdunsten kann. Die Kühlleistung ist mit Kleidung daher drei bis vielmal so hoch, erklärt Beringer. Zudem biete Kleidung einen besseren UV-Schutz.
Tipp: Befeuchtung am oberen Rücken
Wenn möglich, sollte man sich den oberen Rücken immer mal wieder mit Wasser nass machen, rät Beringer. Da sei der Mensch für Kühlung sehr empfänglich. Oberhalb der Nieren sollte man aber stoppen, denn die Nieren vertragen Kälte dort nicht gut.