Mehrere tausend Landwirte haben in Berlin und in Baden-Württemberg gegen die Sparpläne der Bundesregierung im Agrar-Sektor demonstriert. Es könnte weitere Proteste geben.
Mit einer Großdemo protestierten mehrere tausend Landwirte in Berlin gegen die geplanten Streichungen von Subventionen. Auch zahlreiche Landwirte aus Baden-Württemberg gingen in der Hauptstadt oder mit regionalen Protest-Aktionen im Land gegen die Pläne der Bundesregierung auf die Straße. Die Bundesregierung hat geplant, die Vergünstigungen beim Agrardiesel und die Befreiung von der Kfz-Steuer für land- und forstwirtschaftliche Maschinen zu kippen.
Bauerndemos auch in Baden-Württemberg
Bauernpräsident Joachim Rukwied hat die von der Ampel-Koalition geplante Streichung von Steuervergünstigungen für die Landwirtschaft scharf kritisiert. "Wir nehmen das nicht hin", sagte er am Montag bei der Kundgebung in Berlin. Die Streichung sei "eine Kampfansage", und diese nehme man an. Wenn die Bundesregierung die unzumutbaren Vorschläge nicht zurücknehme, würden Landwirte mit weiteren Protesten, "wie sie das Land noch nicht erlebt hat", dafür sorgen, dass es "einen sehr heißen Januar" geben werde.
Auch in Freiburg versammelten sich hunderte Landwirte mit Traktoren zu einer Protestaktion. Anscheinend hatten sich die Demonstranten spontan zu der Protestaktion entschlossen, es sei keine Demostration angemeldet worden, so die Polizei. Am Nachmittag versammelten sich in St. Peter (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) Landwirte mit rund 30 Traktoren auf einer Wiese. In der dortigen Barockkirche wurde am Montagabend das traditionelle Weihnachtskonzert des Bundespräsidenten aufgezeichnet. Das Staatsoberhaupt traf am Rande des Konzerts zwei Landwirte, die ihr Anliegen präsentierten, wie am Abend aus Kreisen des Bundespräsidialamts bekannt wurde. Auch in anderen Teilen des Landes gab es Protestaktionen: Entlang der A6 und A81 standen am Montagmorgen zahlreiche Traktoren auf Autobahnbrücken.
Bundesregierung nicht einig
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat die von der Ampel-Koalition beschlossene Streichung der Steuerentlastung für Agrardiesel erneut kritisiert. "Diese Kürzungen, wie wir sie da vornehmen, die überfordern den Sektor", sagte Özdemir am Montag im ARD-Morgenmagazin. Die Schmerzgrenze für Landwirte sei mit dieser Maßnahme seines Erachtens überschritten, kritisierte Özdemir. Er habe alternative Einsparvorschläge gemacht.
Der Minister nahm an der Demonstration der Landwirte in Berlin teil. Immer wieder wurde Özdemir bei seiner Rede von lautstarken Pfiffen, Buhrufen und Kuhglockengeläut der Demonstranten unterbrochen, mehrmals forderten die Landwirte in Sprechchören Neuwahlen. "Ich kämpfe im Kabinett dafür, dass das nicht in der Härte kommt", sagte Özdemir. Die Belastungen für die Branche seien ohnehin sehr groß, Existenzängste griffen um sich, so der Landwirtschaftsminister.
BW-Grüne stärken Özdemir den Rücken
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im baden-württembergischen Landtag, Andreas Schwarz, sagte, er unterstütze "Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir in seinen Bemühungen, die Streichungen der Steuervorteile für die Land- und Forstwirtschaft beim Agrardiesel und bei der Kfz-Steuer zu verhindern". Die Fraktion der Grünen in Baden-Württemberg stehe fest zu einer naturnahen bäuerlichen Land- und Forstwirtschaft. Viele Betriebe stünden vor enormen wirtschaftlichen Herausforderungen. "Die Streichung der Agrardieselbeihilfe und der Kfz-Steuerbefreiung würde viele Betriebe existenziell gefährden", erklärte Schwarz. Ökobetriebe seien dabei besonders stark betroffen. Deshalb forderte Schwarz Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf, die Maßnahmen zu überdenken und nach Alternativen zu suchen.
Die bäuerlichen Betriebe in Baden-Württemberg seien entscheidend für gute, regionale Lebensmittel und den Erhalt der Umwelt und verdienten Unterstützung, so Schwarz. Martin Hahn, der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion ergänzte: "Der Wegfall der Steuervorteile bedeutet für die Betriebe im Durchschnitt den Verlust eines Monatseinkommens. Im Land der Sonderkulturen wie Äpfel, Erdbeeren und Wein sind wir besonders stark betroffen." Gerade Betriebe, die diese Produkte erzeugen, seien in einer schwierigen Situation.
Bauernverband: "Das Fass läuft über"
Mit nach Berlin ist auch Jürgen Maurer aus Kupferzell (Hohenlohekreis) gefahren, der Vorsitzende des Bauernverbandes Schwäbisch Hall-Hohenlohe-Rems. Er ist auch Vizepräsident des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg. Er sagt, die Pläne seien ein Schlag ins Gesicht der Landwirtschaft, das sei so nicht hinnehmbar.
Sowohl in der Tierhaltung als auch im Ackerbau werde "alles Mögliche" verlangt, dennoch gebe es immer weitere Kürzungen. Maurer sieht durch die geplanten Streichungen auch eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber den europäischen und nicht-europäischen Kollegen, die zu anderen Bedingungen produzieren könnten.
So begründet der Vorsitzende des Bauernverbands Schwäbisch Hall-Hohenlohe-Rems, Jürgen Maurer, die Protestaktion:
Die wirtschaftliche Situation sei für die Landwirtinnen und Landwirte sehr herausfordernd. Die Volatilität, das Auf und Ab der Preise an den Märkten, sei enorm. Es sei einfach nicht planbar, wo etwa die Preise bei Düngemitteln oder bei Getreide hingingen, so Maurer. Viele Faktoren seien absolut unkalkulierbar, daher sei die Branche so entrüstet.
Die von der Bundesregierung geplanten Kürzungen hätten für die Betriebe je nach Größe unterschiedliche Auswirkungen. Bei ihm, so Maurer, habe das Aus der Agrardiesel-Subvention und der Kfz-Steuerbefreiung Mehrkosten in Höhe von etwa 12.000 bis 18.000 Euro pro Jahr zur Folge. Ganz genau könne er es noch nicht beziffern.
Bauernverband geht von weiteren Protesten aus
Dieser Protest war laut Jürgen Maurer erst der Anfang. Denn er glaubt nicht, dass die Politik auf die Forderungen sofort eingehen werde. "Weitere Aktionen werden folgen müssen", sagte er weiter.
Zahlen Bürger die Kürzungen am Ende?
Die Mehrkosten würden am Ende an den Verbraucher durchgereicht, betonte Stefan Kerner, Präsident des Bauernverbandes Heilbronn-Ludwigsburg, der ebenfalls an der Protestaktion in Berlin teilgenommen hat.
Die Kürzungen beträfen nicht nur die Landwirtschaft, machte Kerner deutlich. Auch Forst- und Gartenbau bekämen die Folgen zu spüren. Deshalb seien auch diese Betriebe bei der Protestaktion in Berlin mit dabei.
Kreisbauernverband Biberach-Sigmaringen macht seinem Ärger in Berlin Luft
Die geplanten Streichungen der Subvention sorgen auch bei Landwirten in anderen Regionen für großen Unmut. Karl Endriß vom Kreisbauernverband Biberach-Sigmaringen ist deshalb mit vielen anderen nach Berlin gefahren, um bei der Demonstration des Deutschen Bauernverbands seinem Ärger Luft zu machen. Er sagte dem SWR, die Änderungen seien ein "Vertrauensbruch von der Bundesregierung gegenüber der Landwirtschaft". Die Beschlüsse bedeuteten eine große Mehrbelastung, sagte Endriß. Außerdem verzerre es den Wettbewerb innerhalb der EU. Die Betriebe seien "wahnsinnig enttäuscht".
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Streichungen sollen Bund Millionen einbringen
Die Bundesregierung will bei den Hilfen für die Landwirte etwa 900 Millionen Euro jährlich einsparen. 440 Millionen davon würden auf die Kürzungen beim Agrar-Diesel entfallen. Die FDP und das Bundeslandwirtschaftsministerium schoben sich gegenseitig die Verantwortung für die Maßnahmen zu.
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