Wegen der hohen Inflation steigen die Preise für Waren und damit auch die Steuereinnahmen. Das zusätzliche Geld soll vollständig an die Menschen und Unternehmen zurückfließen.
Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg kann in den nächsten beiden Jahren mit 2,5 Milliarden Euro mehr Steuern rechnen, will aber wegen der Risiken durch die Krise nochmals eine Milliarde Euro neue Schulden aufnehmen. Das Geld aus der Steuerschätzung werde gebraucht, um das von der Ampel-Regierung geplante dritte Entlastungspaket mitzufinanzieren, teilte das Finanzministerium am späten Samstagabend nach der etwa achtstündigen Sitzung der Haushaltskommission in Stuttgart mit. Das Land rechnet hier mit Kosten von 3,1 Milliarden Euro, der Rest soll aus der bisherigen Rücklage im Doppelhaushalt 2023/2024 kommen.
Höhere Einnahmen wegen Inflation
Die Spitzen von Grünen und CDU hatten seit dem frühen Samstagnachmittag in der Haushaltskommission darüber beraten, wofür Baden-Württemberg mehr Geld ausgeben soll. Die Steuerschätzung ergab demnach, dass das Land trotz des Abschwungs 2,5 Milliarden Euro mehr einnehmen soll. Hauptgrund dafür ist, dass der Staat von der hohen Inflation profitiert. Wenn Waren teurer werden, steigen auch die Einnahmen aus den Steuern, die darauf zu entrichten sind. Vor allem die Mehrwertsteuer spült mehr Geld in die Kassen. Ein Problem sei aber, dass mit dem Geld "noch nicht die jüngst vom Bund angekündigten weiteren Entlastungen gedeckt" seien.
Deutschlands Wirtschaft wird vermutlich schrumpfen
Die Konjunkturprognosen sind wegen Inflation und Energiekrise extrem düster: Deutschlands Wirtschaft schrumpft und steuert wohl in eine Rezession. Die Bundesregierung rechnet damit, dass die Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr um 0,4 Prozent abnimmt. Wegen der absehbar schlechteren Konjunktur im nächsten Jahr könne man im Rahmen der Schuldenbremse neue Kredite in Höhe von einer Milliarde Euro aufnehmen. Damit solle die Rücklage gestärkt werden, um weitere Steuerausfälle ausgleichen zu können. Zudem erhalte die Regierung dadurch Spielraum, selbst ein Hilfspaket zu schnüren. Die Stärkung der Rücklage habe sich schon in der Pandemie bewährt, sagte Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne). "So sind wir in der Lage, flexibel zu reagieren."
Mehreinnahmen sollen zur Entlastungen dienen
Finanzminister Bayaz sagte: "Der Staat ist kein Inflationsgewinner, das sollte er auch nicht sein." Die Steuermehreinnahmen der nächsten beiden Jahre flössen vollständig an die Menschen und Unternehmen zurück. Denn man trage die Entlastungen mit, die auch notwendig seien, um durch diese Krise zu kommen.
Für die Jahre 2025 und 2026 ergibt die jüngste Steuerschätzung gegenüber der Prognose vom Mai ein Minus von rund 600 Millionen Euro für das Land. Für die Gemeinden, Städte und Kreise im Land sieht die aktuelle Prognose ein Plus: 1,8 Milliarden Euro für 2022, 998 Millionen Euro 2023 und 960 Millionen Euro für 2024. Darin seien die steuerlichen Entlastungen schon berücksichtigt, teilte das Finanzministerium mit.
Befristet angestellte Lehrkräfte sollen profitieren
Die Koalition will aber auch noch mehr investieren in ihre politischen Schwerpunkte. Hier profitiert das Land von einem Sondereffekt: Weil die Konjunktur sich eintrübt und die Einnahmen sinken, muss das Land auch weniger von seinen hohen Corona-Schulden tilgen. Das ermögliche Mehrausgaben von 370 Millionen Euro, sagte der Sprecher des Finanzministeriums.
Unter anderem sollen befristet angestellte Lehrkräfte und fertige Referendare künftig auch über die Sommerferien hinweg bezahlt werden. Grün-Schwarz erfüllt damit eine langjährige Forderung der Lehrergewerkschaften. "Die 4.000 Pädagoginnen und Pädagogen leisten einen tollen Job - mit der gleichen Bezahlung in den Sommerferien drücken wir unsere Wertschätzung aus. Ab dem nächsten Sommer geht's los", sagte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz. Zudem sollen die Tafeln in Baden-Württemberg stärker unterstützt werden. CDU-Fraktionschef Manuel Hagel freute sich über mehr Geld für die Ausstattung im Katastrophenschutz und der Rettungsdienste.
Fachlehrkräfte in Geldnot Tübinger Lehrer kann sich Wohnung nicht mehr leisten
Niedriges Einkommen und Kündigung über die Sommerferien. Viele junge Lehrkräfte haben mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Inflation und Energiekrise verstärken das Problem.
Koalition wollte Schulden vermeiden
Eigentlich wollten Grüne und CDU ohne neue Schulden auskommen. Finanzminister Danyal Bayaz hatte allerdings bei der Einbringung des Haushalts am Mittwoch im Landtag gesagt, er könne noch nicht sagen, ob die Koalition im Rahmen der Schuldenbremse in den kommenden zwei Jahren neue Kredite aufnehmen müsse: "Ob wir es schaffen werden, hängt von der weiteren Entwicklung der Energiekrise ab. Wenn die Krise zu einer Gasmangellage führt, kann es eng werden." Nun ging es doch schneller als erwartet.
Risiken im Entlastungspaket des Bundes
Das Finanzministerium erklärte, die von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) angekündigten weiteren Steuersenkungen könnten das Land mindestens weitere 500 Millionen pro Jahr kosten. Dabei handele es sich um die Erhöhung des Steuerfreibetrags und den Ausgleich der kalten Progression. Dazu lauerten im Entlastungspaket des Bundes weitere Risiken. So sei noch nicht geklärt, wie die Ausweitung des Wohngelds, das Bürgergeld und das geplante 49-Euro-Ticket finanziert werden sollen. Zudem müssten Länder und Kommunen mehr Geld für die Unterbringung der Geflüchteten aufbringen, "an der sich der Bund nicht beteiligt".
Die Fraktionschefs Schwarz und Hagel kündigten Hilfen für krisengeschüttelte Unternehmen an. Hagel erklärte, man habe sich auf ergänzende und passgenaue Hilfsprogramme geeinigt, um eventuelle Lücken in Bundesprogrammen zu schließen.
Spezielles Zentrum in BW gegen Cybercrime geplant
Auch die Kriminalität im Internet sollte Thema bei den Haushaltsberatungen sein. Da die Bedrohung durch Hackerinnen und Hacker sowie Strafdelikte im Darknet immer mehr zunehmen, denkt das baden-württembergische Justizministerium über ein Cyberzentrum für die Staatsanwaltschaften im Land nach. Hier sollen die Ermittlerinnen und Ermittler besser vernetzt aber auch technisch besser ausgestattet werden.