900 Fälle im Jahr 2021

Hasskriminalität: LKA in BW geht von leichtem Anstieg aus

Stand

Die Angriffe gegen Einsatzkräfte an Silvester offenbaren, dass es in einem Teil der Gesellschaft eine Verrohung gibt. Auch die Fälle von Hasskriminalität im Internet nehmen zu.

Die Fallzahlen bei Delikten der Hasskriminalität bewegen sich in Baden-Württemberg weiter auf hohem Niveau. Das Landeskriminalamt (LKA) geht laut SWR-Informationen nach den bisher vorliegenden Zahlen für das vergangene Jahr erneut von einem leichten Anstieg aus. Im Zehn-Jahres-Vergleich haben sich die Fälle von Hasskriminalität in Baden-Württemberg mehr als verdoppelt - von 360 auf knapp 900 Fälle im Jahr 2021.

Durchsuchungen wegen Hasspostings zuletzt Ende November in BW

Ursache für die deutliche Zunahme sind vor allem Beleidigungen, Bedrohungen oder Verunglimpfungen im Internet. Dies sei allerdings nur die Spitze des Eisbergs, sagte LKA-Präsident Andreas Stenger dem SWR. Er spricht von einem erheblichen Dunkelfeld. Erst Ende November hatte die Polizei bei einem bundesweiten Aktionstag gegen Hasspostings zwei Objekte im Landkreis Lörrach sowie im Main-Tauber-Kreis durchsucht und digitale Datenträger sichergestellt.

LKA hat zentralen Ansprechpartner wegen Hasskriminalität

Das baden-württembergische Landeskriminalamt hat wegen der Zunahme von Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger wie Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern vor zwei Jahren eine zentrale Ansprechstelle geschaffen. Dort sind bislang 80 Anfragen eingegangen. Der Leiter der Ansprechstelle, Markus Steigner, sagte, mit der Corona-Pandemie und den entsprechenden Schutzmaßnahmen sei in einem kleinen Teil der Gesellschaft das Misstrauen gegen den Staat deutlich gewachsen. Und damit auch der Widerstand gegen dessen Vertreter.

"Amts- und Mandatsträger werden als Feindbilder gesehen und damit verstärkt angegangen."

Dabei sei es egal, ob es sich um einen Bürgermeister, Gerichtsvollzieher, Polizist, Rettungssanitäter oder Feuerwehrmann handele. Diese würden als Repräsentant des Staates und damit als Feindbild gesehen.

Vor allem im Internet sei die Hemmschwelle gesunken, erklärt Markus Steigner. Tagtäglich gebe es solche Fälle. "Dadurch dass jeder Kommentare abgeben kann oder sich in sozialen Netzwerken sich äußern kann, ist immer irgendwas dabei, wo irgendeine Person angegangen wird", so Steigner.

Bürgermeister aus Kernen im Remstal suchte Hilfe

Einer der sich ratsuchend an das Landeskriminalamt gewandt hatte, ist der Bürgermeister von Kernen im Remstal (Rems-Murr-Kreis), Benedikt Paulowitsch (SPD). Er ist seit drei Jahren im Amt. Mit Beginn der Corona-Pandemie gab es auch in Kernen Proteste gegen die Corona-Politik und es wurden laut Paulowitsch Verschwörungstheorien verbreitet. Das kritisierte der junge Bürgermeister. Daraufhin musste sich der 34-Jährige Beschimpfungen anhören, die vor einem Jahr in konkrete Attacken gegen ihn endeten. So fand ein damals sogenannter Montagsspaziergang in seiner privaten Einfahrt an seinem Haus statt.

"Es gab zwei Drohbriefe an die Privatanschrift mit einer Trauerkarte mit meinem Namen drin sowie einen anderen Brief mit verdreckten Masken."

Diese Drohungen haben bei Paulowitsch für ein seltsames Gefühl gesorgt. Seine Frau machte sich große Sorgen. Vor allem die Drohbriefe seien ein größerer Schock gewesen. Daraufhin entschloss sich Paulowitsch, sich an das Landeskriminalamt mit seiner speziellen Ansprechstelle für Mandatsträger zu wenden.

LKA: "Im Internet gelten die gleichen Spielregeln wie in der realen Welt"

Bei der zentralen Ansprechstelle bekommen betroffene Bürgermeisterinnen und Bürgermeister konkrete Tipps, was sie für ihren persönlichen Schutz tun können. Gleichzeitig werden Ermittlungen eingeleitet, um auch die Urheber von anonymen Drohschreiben zu identifizieren, so LKA-Präsident Andreas Stenger. Es sei trügerisch, auf die Anonymität der digitalen Datennetze zu vertrauen. "Es gelten die gleichen Spielregeln wie in der realen Welt. Wer Hass und Hetze verbreitet, begeht Straftaten und für die muss er sich dann auch verantworten."

Aktuell ist Kernens Bürgermeister Benedikt Paulowitsch nicht mehr bedroht worden. Dennoch ist er vorsichtiger geworden. Er will sich weiter zu Themen äußern, aber achtet nun genau darauf, wie er in der Öffentlichkeit Position bezieht.

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