Während die frühere RAF-Terroristin Daniela Klette in Untersuchungshaft sitzt, sucht die Polizei nach Komplizen. Dass die Männer sich stellen, hält der ehemalige Stuttgarter Generalstaatsanwalt und RAF-Experte Klaus Pflieger für unwahrscheinlich.
Nach der Festnahme der Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette hält es der frühere Stuttgarter Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger für wenig wahrscheinlich, dass die beiden weiter gesuchten Ex-RAF-Terroristen Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg dem Fahndungsdruck nachgeben und sich freiwillig stellen.
"Ich habe eine kleine Hoffnung", sagte Pflieger, der in den 1980er Jahren an mehreren RAF-Ermittlungen und Anklageschriften insbesondere gegen die erste und zweite Generation der "Rote Armee Fraktion" (RAF) beteiligt war. "Ich gehe aber eher davon aus, dass sie nach so langer Zeit mit falscher Identität versuchen werden, weiter verdeckt zu leben und zu agieren."
Weitere Straftaten der RAF-Mitglieder? "Sie müssen ja von etwas leben"
Der frühere Jurist rechnet auch mit weiteren Überfällen auf Geldtransporter: "Sie müssen ja von etwas leben, wenn ihnen das Geld ausgeht. Und dann machen sie halt von dem Gebrauch, was sie gelernt haben."
Dabei werde der Druck auf sie steigen. "Ich könnte mir vorstellen, dass bei Daniela Klette in der Wohnung Informationen gefunden wurden, die auf die beiden Männer hinweisen könnten, seien es Mails oder Telefonanrufe oder irgendetwas." So könne vielleicht schon ein gewisser Aufruhr entstanden sein, denn es bestanden ja Kontakte innerhalb des Trios.
Klette in Berliner Wohnung festgenommen
Klette war am Montagabend in Berlin festgenommen worden. Nach Angaben des Landeskriminalamts Niedersachsen lebte sie dort unter falscher Identität. Einem Nachbarn zufolge führte sie den Vornamen Claudia. Bei der Durchsuchung fanden die Ermittlerinnen und Ermittler dem LKA zufolge unter anderem Munition.
Wie die Berliner Polizei am Mittwochabend bestätigte, seien auch Waffen und mehrere gefährliche Gegenstände sichergestellt worden - darunter eine Granate. Sie sei an einem anderen Ort unschädlich gemacht worden. Ein weiterer von der Polizei nicht genauer benannter Gegenstand musste mit einem Spezialfahrzeug abgeholt werden. Das Mietshaus in Kreuzberg und Teile eines gegenüberliegenden Gebäudes waren aus Sicherheitsgründen geräumt worden. Inzwischen können die Bewohnerinnen und Bewohner aber wieder zurück in ihre Wohnungen.
Die 65-Jährige war in den 1990er Jahren gemeinsam mit Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg untergetaucht. Ein ebenfalls in Berlin vorläufig festgenommener Mann ist inzwischen wieder auf freiem Fuß. "Zweifelsfrei handelt es sich nicht um einen der beiden noch flüchtigen Straftäter", teilte das niedersächsische Landeskriminalamt am Mittwoch in Hannover mit. Klette, Staub und Garweg sollen unter anderem zwischen 1999 und 2016 Raubüberfälle auf Geldtransporter begangen haben, um ihren Lebensunterhalt im Untergrund zu finanzieren. Schwerpunkte der Überfälle waren Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.
Experte vermutet Helfer-Netzwerk
Wegen der langen Zeit im Untergrund ist Pflieger überzeugt, dass die früheren RAF-Terroristen ein Netzwerk von Helfern und Helferinnen gehabt haben müssen. "Wir haben das bei allen RAF-Generationen erlebt, dass es jede Menge Unterstützer gab, die etwa Unterschlupf angeboten haben. Manche Dinge wie Arztbesuche und andere Dinge des täglichen Lebens sind nur schwer zu erledigen ohne eine solche Hilfe. Es gab sicher Hilfe", sagte Pflieger.
Der ehemalige Generalstaatsanwalt rechnet jedoch nicht damit, dass Klette die Kronzeugenregelung in Anspruch nehmen wird, um Namen zu nennen. "Die Tradition der RAF zeigt, dass die Leute zu 99 Prozent versucht haben, das Schweigegebot einzuhalten", sagte der Terrorexperte. "Ich habe die Sorge, dass sich Frau Klette daran hält." Dennoch sollte der Staat die festgeschriebene Kronzeugenregelung weiter offensiv anbieten, damit die früheren Terroristen ihre Geheimnisse offenbaren. "Es muss uns wichtig sein, die bislang offenen Fragen zu den Attentaten und Opfern zu beantworten", sagte Pflieger. "Wenn wir kein Zugeständnis machen, werden wir die historische Wahrheit vielleicht nie erfahren."
Festnahme von Daniela Klette: Ermittlungen wegen versuchten Mordes und Sprengstoffanschlag
Abgesehen von den Raubüberfällen auf Geldtransporter werden Klette noch weitere Taten vorgeworfen. Auch ein von der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe vor Jahren erwirkter Haftbefehl gegen Klette ist nach Angaben einer Behördensprecherin weiterhin in Kraft. Gegen Klette werde dabei wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und versuchten Mordes bei Taten Anfang der 90er-Jahre ermittelt.
Konkret wird ihr zur Last gelegt, gemeinsam mit den noch gesuchten Ex-RAF-Terroristen Staub und Garweg im März 1993 einen Sprengstoffanschlag auf die noch im Bau befindliche JVA Weiterstadt in Hessen verübt zu haben. Durch die Explosion war an dem Gebäude ein Schaden von rund 123 Millionen D-Mark entstanden.
Darüber hinaus soll Klette mit weiteren RAF-Mitgliedern versucht haben, im Februar 1990 einen Sprengstoffanschlag auf ein Gebäude der Deutschen Bank im hessischen Eschborn zu verüben. Der Sprengstoff detonierte nicht, da die Zündung versagte. Außerdem hatte Klette Erkenntnissen der Ermittler zufolge im Februar 1991 mit RAF-Mitgliedern mindestens 250 Schüsse auf die US-Botschaft in Bonn abgegeben.
Behörden geben keine Informationen über Aufenthaltsort
Die niedersächsischen Behörden äußerten sich zunächst nicht zu der Frage, in welche Justizanstalt Klette gebracht wurde. Eine Sprecherin des Justizministeriums begründete dies mit Sicherheitserwägungen. Medienberichten zufolge soll die ehemalige RAF-Terroristin derzeit in der JVA Vechta in Untersuchungshaft sitzen. Die Sprecherin des Justizministeriums Niedersachsen wollte sich auch nicht dazu äußern, ob Klette etwa in Einzelhaft sitze. Sie habe auch keine Erkenntnisse, ob Klette zur Bundesanwaltschaft nach Karlsruhe gebracht werden sollte. Wie mehrere bekannte RAF-Terroristen stammt Daniela Klette aus Baden-Württemberg. Sie wurde 1958 in Karlsruhe geboren.