Lange Zeit galt Dieter Salomon selbst als Kretschmanns Kronprinz. Doch der frühere Freiburger OB winkte ab. Er glaubt: Die grüne Ära in BW könnte mit Kretschmann enden.
Als erster prominenter Grüner hat Dieter Salomon große Zweifel an den Erfolgsaussichten eines möglichen Spitzenkandidaten Cem Özdemir geäußert. Der grüne Bundeslandwirtschaftsminister sei zwar ein sehr beliebter und erfahrener Politiker. "Aber ich habe schon Bedenken, ob er über die grüne Kernklientel hinaus so viel Stimmen kriegen kann, wie das Winfried Kretschmann getan hat", sagte der Ex-Oberbürgermeister von Freiburg im neuen SWR-Videopodcast "Zur Sache intensiv".
Wenn die BW-Grünen in Umfragen bei 30 Prozent und die CDU bei 25 Prozent lägen, hätte Özdemir Gewinnchancen. "Aber die Umfragen sind ja ganz anders, und da würde ich schon sagen: Es ist schon sehr schwierig", sagte Salomon (63), der Vorsitzender des Normenkontrollrats BW ist. In Umfragen liegt die BW-CDU seit Anfang des Jahres mit 32 Prozent zehn Punkte vor den Grünen von Ministerpräsident Kretschmann. Der 58-jährige Özdemir gilt als klarer Favorit auf die Spitzenkandidatur der Grünen für die Landtagswahl 2026. Als Gegner wird CDU-Landesparteichef Manuel Hagel (36) gehandelt.
BW bereit für einen Ministerpräsident mit türkischen Wurzeln?
Salomon (63) stellte zudem infrage, ob die Menschen in Baden-Württemberg einen Politiker mit türkischen Wurzeln als Regierungschef wollen. Er stelle sich die Frage: "Wenn man Cem Özdemir heißt, ist das - glaube ich - in Stuttgart und Freiburg kein Problem. Weil das interessiert niemanden, dass er türkische Wurzeln hat." Aber Baden-Württemberg sei ein konservatives Land, und er wisse nicht, wie alle Leute hier so ticken, so Salomon. "Ich würde mich im Interesse von Cem, dem ich das gönnen würde, gerne täuschen. Aber ich glaube, das ist nicht so einfach, wie sich manche Grüne das vorstellen." Özdemir ist in Bad Urach (Kreis Reutlingen) geboren, seine Eltern waren aus der Türkei eingewandert.
Kretschmann ist für Salomon ein Ausnahmepolitiker
Für Salomon ist der 76-jährige Regierungschef Kretschmann nochmal ein anderes politisches Kaliber als Özdemir es ist. "Winfried Kretschmann - und zwar nicht, weil er sich verstellt, sondern weil er authentisch ist - ist in seiner Person und in seiner Biografie einfach jemand, der so authentisch grün und gleichzeitig so konservativ ist, dass die CDU ihn fürchten muss und gefürchtet hat." Er sei als Ministerpräsident dann nicht mehr zu schlagen gewesen.
Salomon, der 2002 erster grüner OB einer deutschen Großstadt wurde, galt selbst lange als möglicher Nachfolger von Kretschmann. Vor allem nach Kretschmanns erster Wiederwahl 2016 sei das in der Diskussion gewesen. "Ich habe Winfried Kretschmann gesagt, dass ich nicht glaube, dass ich - wie er - weit über das grüne Klientel hinaus tatsächlich Stimmen gewinnen kann." Der Ex-OB findet, "was Winfried Kretschmann macht, als Typ, ist einzigartig. Das kann kein zweiter." Salomon ergänzte: "Ich glaube nicht, dass, wenn er aufgehört hätte in der Wahlperiode und ich ihm nachgefolgt wäre, dass ich das Amt für die Grünen hätte halten können."
Ein Wechsel nach Stuttgart hätte aus Salomons Sicht nicht in sein Leben gepasst. Er wollte demnach 2018 lieber nochmal als OB in Freiburg antreten. Doch bei der Wahl verlor er überraschend gegen den parteilosen Martin Horn. Kurze Zeit später übernahm Salomon das Amt des Hauptgeschäftsführers der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein. Seit Oktober 2023 ist er zudem oberster "Bürokratie-Bekämpfer" der Landesregierung.
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Salomon nennt geplantes Gleichbehandlungsgesetz "komplett bekloppt"
Salomon, der immer dem pragmatischen Realo-Flügel zugeordnet wurde, hat sich nach eigenen Worten weit von den Grünen entfernt. Der 63-Jährige sieht sich selbst als "Karteileiche", will aber aus "sentimentalen Gründen" nicht aus der Partei austreten. Als Vorsitzender des Normenkontrollrats müsse er nun auch Gesetzesvorhaben beurteilen, die etwa dem linken Grünen-Flügel wichtig seien.
Das geplante Gleichbehandlungsgesetz nannte Salomon in dem Gespräch "komplett bekloppt". Mit dem Gesetz sollen sich Bürgerinnen und Bürger künftig leichter gegen eine Benachteiligung etwa wegen Herkunft, Geschlecht, Religion, Hautfarbe oder Sprache durch Behörden wehren können. Salomon hält das Gesetz für überflüssig und für einen unnötigen Bürokratieaufbau.