Die wirtschaftliche Lage in den Kliniken in Baden-Württemberg ist dramatisch. In keinem anderen Bundesland waren 2021 mehr Krankenhäuser von einer Insolvenz bedroht.
Im Jahr 2021 waren in Baden-Württemberg 29 Prozent aller Krankenhäuser akut von Insolvenz bedroht. Das geht aus dem "Krankenhaus Rating Report" des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung hervor, der am Donnerstagvormittag in Berlin vorgestellt wurde.
Die Lage der Krankenhäuser hat sich laut Leibniz-Institut in ganz Deutschland verschlechtert. Baden-Württemberg schneidet im "Krankenhaus Rating Report" am schlechtesten ab. In keinem anderen Bundesland waren 2021 mehr Krankenhäuser von einer wirtschaftlichen Notlage betroffen. Bundesweit waren 11 Prozent der Kliniken akut insolvenzgefährdet. In Rheinland-Pfalz und dem Saaraland war es jedes vierte Krankenhaus.
Baden-Württembergs Kliniken bundesweit Schlusslicht
Als Grund für die finanziellen Probleme werden die staatlichen Corona-Hilfen genannt, die 2021 gesenkt worden waren. Dabei machten vor allem die durch die Pandemie deutlich gestiegenen Kosten den kleineren Kliniken zu schaffen.
Ein anderes Problem ist laut der Studie eine Investitionslücke. Die Fördermittel der Bundesländer für Investitionen an den Krankenhäusern beliefen sich 2021 demnach auf 3,3 Milliarden Euro. Bezogen auf die gesamten Krankenhauserlöse entspricht dies einem Anteil von 3,2 Prozent. Um die Unternehmenssubstanz zu erhalten und weiterzuentwickeln, sollten nach Darstellung der Experten aber jährlich mindestens sieben Prozent der Erlöse in Investitionen fließen.
Studie: Kliniken in Zukunft noch gefährdeter
Die Autoren der Studie erwarten in den kommenden Jahren eine weitere Verschärfung der Lage. Demnach würde der Anteil der insolvenzgefährdeten Kliniken im Jahr 2023 auf 18 Prozent und bis 2030 auf 44 Prozent steigen.
Große Bedeutung misst der Report der geplanten Krankenhausreform zu. Durch sie werde ein Anreiz zur Optimierung der Krankenhausstrukturen geschaffen, heißt es. Die baden-württembergischen Landkreise warnen jedoch vor einem Klinik-Kahlschlag im Zuge der Krankenhausreform.
Kliniken in BW wollen Hilfe noch vor der Reform
Die Krankenhausreform wollen die baden-württembergischen Kliniken nicht abwarten. Sie fordern die Bundespolitik auf, die finanzielle Situation der Krankenhäuser noch vorher zu stabilisieren. "Dass so viele Krankenhäuser von Insolvenz bedroht sind, ist das Ergebnis einer jahrelangen Sparpolitik auf dem Rücken der Krankenhäuser", so der Hauptgeschäftsführer der Baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKI), Matthias Einwag, gegenüber dem SWR. "Die überdurchschnittlich hohen Personalkosten im Land werden nicht finanziert, obwohl das ebenso selbstverständlich sein sollte, wie eine vollständige Finanzierung der Investitionskosten", so Einwag weiter. Um auf ihre Lage aufmerksam zu machen, organisieren die Krankenhäuser unter dem Motto "Alarmstufe Rot - Krankenhäuser in Not" am 20. Juni bundesweit Aktionen.
Bereits im März hatten baden-württembergische Kliniken angesichts dunkelroter Zahlen vor Krankenhaus-Insolvenzen gewarnt und schnelle Finanzhilfen gefordert. "Wenn nicht schnell etwas getan wird, fehlen den Krankenhäusern im Land allein im Jahr 2023 mindestens 800 Millionen Euro", sagte der Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Heiner Scheffold.
Minister Lucha will Problem mit Krankenhausreform lösen
Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) teilte dem SWR damals mit, das Land sei für die Investitionen zuständig und fördere "nach Kräften mit jährlich 455 Millionen Euro". Während der Corona-Pandemie habe das Land die Kliniken zudem mit Finanzhilfen massiv unterstützt.
Im Ergebnis des "Krankenhaus Rating Reports" sieht Lucha lediglich eine Bestätigung für die Notwendigkeit der Krankenhausreform, die er als Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz vorantreibt. "Es ist ein Drama, dass selbst gut funktionierende und für die Versorgung der Bevölkerung dringend notwendige Krankenhäuser in Schieflage geraten sind", so Lucha gegenüber dem SWR. Das bisherige Fallpauschalensystem sei gescheitert und werde zurecht reformiert. Der Bund müsse mit der Reform die strukturelle Unterfinanzierung der Betriebskosten beenden - auch die regional unterschiedlich hohen Lohnkosten müssten dabei berücksichtigt werden.
Linke sieht das Land in der Verantwortung
Die Landessprecherin der baden-württembergischen Linken, Sahra Mirow, sieht dagegen das Land in der Verantwortung, die Krankenhäuser vor Insolvenzen zu schützen. "Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig ein funktionierendes Gesundheitssystem ist", so Mirow gegenüber dem SWR. Als Konsequenz längst überfällig sei eine bedarfsorientierte Krankenhausfinanzierung.
Die geplante bundesweite Krankenhausreform weise jedoch in die entgegengesetzte Richtung und werde die Gesundheitskrise weiter anfeuern. "Die Gesundheitsversorgung darf nicht ökonomischen Kalkülen zum Opfer fallen", so die Linken-Politikerin. Umso wichtiger sei es, dass die baden-württembergische Landesregierung ihrer Verantwortung gerecht werde und die Investitionslücke der Krankenhäuser mit eigenen Mitteln schließt.
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