Seit 2021 hat BW ein eigenes Wohnungsbauministerium. Mehr Wohnungen wurden seither dennoch nicht gebaut. Braucht es überhaupt ein eigenes Bauministerium?
Im November vergangenen Jahres sagte Wohnungsbauministern Nicole Razavi (CDU) einen Satz, der sich im Land der Häuslebauer nach Skandal anhört: "Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr." Damit zitierte sie eigentlich lediglich den Lyriker Rainer Maria Rilke, um deutlich zu machen: Das wollen wir (als Landesregierung, Anm. SWR) verhindern.
Schlechtere Lage am Wohnungsbaumarkt
Die wirtschaftliche Lage gibt der Ministerin jedoch keinen Rückenwind. Razavi sagte im SWR-Interview, die Lage habe sich im Vergleich zum vergangenen Herbst sogar noch einmal verschärft. Das bestätigen auch die Zahlen des Statistischen Landesamtes.
Dieses meldete diesen Sommer, dass die Zahl der Baugenehmigungen in Baden-Württemberg im ersten Halbjahr 2022 um 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum eingebrochen ist. Aufgrund gestiegener Materialkosten, Energiepreise, Bauzinsen ist der Wohnungsbau teurer und unattraktiver geworden.
Bauanträge privat und öffentlich Dramatischer Einbruch am Wohnungsbau in Baden-Württemberg
Die Bauwirtschaft Baden-Württemberg schlägt Alarm: Angesichts der massiv sinkenden Zahlen an Bauanträgen müssten Förderungen erhöht und kostspielige Standards vereinfacht werden.
Druck auf Mietwohnungsmarkt nimmt zu
Wo nicht viel neu gebaut wird, steigt der Druck auf die Wohnungen, die es bereits gibt. In den Städten Stuttgart, Mannheim, Freiburg, Heilbronn, Heidelberg, Pforzheim, Reutlingen und Ulm geben die Menschen im Land - gemessen am Haushaltseinkommen - am meisten für die Miete aus: durchschnittlich etwa ein Drittel. Die Zahlen des Statistischen Landesamtes beziehen sich auf das vergangene Jahr, rechnen aktuelle Teuerungen also gar nicht mit ein.
Als einziges Flächenland leistet sich Baden-Württemberg seit 2021 ein eigenes Bauministerium. Jedoch steht im Koalitionsvertrag kein Ziel, wie viele Wohnungen neu gebaut werden sollen.
Tiefststand beim Bau von Sozialwohnungen
Anfang des Jahres verkündete die Ministerin eine Trendwende im sozialen Wohnungsbau. Nach einem absoluten Tiefststand im Jahr 2010 dümpeln die Zahlen trotzdem zwischen 31.000 und 36.000 fertiggestellten Wohnungen pro Jahr herum. Zuletzt sank die Zahl sogar im Jahr 2022 - auf zuletzt 34.549 fertiggestellte Wohnungen. Die Einwohnerzahl im Land hingegen steigt kontinuierlich seit Beginn der Zählungen.
SPD hält eigenes Bauministerium in BW für überflüssig
SPD-Fraktionschef Andreas Stoch nennt das Wohnungsbauministerium eine Enttäuschung. Im Moment entstünden nicht ausreichend Wohnungen: "Man könnte fast sagen, außer Spesen nichts gewesen. Wir brauchen mehr Wohnungsbau. Wir brauchen keine neuen Ministerien."
Auch der Mieterbund-Baden-Württemberg ist enttäuscht. Der Vorsitzende Rolf Gaßmann sagt: "Wir hätten einfach mehr erwartet. Aber wenn mehr gebaut werden soll, braucht es auch mehr Geld."
Razavi hingegen verteidigt ihre Politik: Ein eigenes Ministerium habe dem Thema mehr Aufmerksamkeit verschafft. Es sei "eine richtige Entscheidung" gewesen, alles, was mit Planen und Bauen zu tun habe, zusammenzufassen, so Razavi. Sie betont außerdem, dass allein der soziale Wohnraum die Probleme am Wohnungsmarkt nicht löse. Auch der freie Wohnungsmarkt brauche mehr Anreize zu bauen. Fördergelder alleine würden nicht ausreichen.
Gelder sind ausgeschöpft Wohnraumförderung in BW: Lange Wartezeiten für Antragsteller
Wer auf eine Förderung beim Wohnungsbau hofft, muss sich bis 2024 gedulden. In Baden-Württemberg gibt es deutlich mehr Anträge als Geld zur Verfügung steht.
Statt mehr bauen schneller bauen?
Weil Bauen so teuer geworden ist, muss das Land mehr Geld pro Objekt zugeben, damit Bauen überhaupt noch irgendwie attraktiv ist. Trotz mehr Geld im Fördertopf im kommenden Jahr (551,4 Millionen Euro) könnte also weniger gebaut werden. Die Fördersumme für das aktuelle Jahr war schon im Mai ausgeschöpft.
Ministerin Razavi beharrte im SWR-Gespräch darauf, gegen diese Lage anzukommen - auch indem man künftig schneller bauen würde. Sie sagte, alles, was Bauen verteuere und verkompliziere, müsse auf den Tisch. Dabei setze sie unter anderem auf ein "volldigitales Bauamt". Außerdem solle die Landesbauordnung geändert werden.
Landesbauordnung: Schnellere Baugenehmigungen
Das Widerspruchsverfahren solle wegfallen, damit Baugenehmigungen schneller umgesetzt werden können. Bisher können Bauherren sowie Anwohnerinnen und Anwohner gegen genehmigte Bauanträge Widerspruch einlegen. Das Verfahren kann laut Ministerium über ein Jahr dauern. In Zukunft würden solche Fälle dann direkt vor Gericht landen. Außerdem will Razavi erreichen, dass vollständige Bauanträge künftig keine förmliche Genehmigung durch die Baurechtsbehörde mehr brauchen.
Nach der Sommerpause sollen die Eckpunkte zur Landesbauordnung ins Kabinett. Das Ministerium hofft, dass im Laufe des kommenden Jahres die Änderung in Kraft treten kann.
Eine Erfolgsmeldung käme dem Wohnungsbauministerium in diesen Zeiten wohl gerade recht. Damit könnte es künftig wieder mehr Häuslebauer in Baden-Württemberg geben.