Volkswagen kündigt die vereinbarte Jobgarantie, um Entlassungen möglich zu machen. Die Beschäftigten sind verunsichert. Geht das so einfach? Droht so etwas auch in BW? Die Fakten.
Viele Unternehmen in Baden-Württemberg geben ihren Mitarbeitenden eine sogenannte Jobgarantie. Beim Sportwagenbauer Porsche gilt zum Beispiel eine Beschäftigungsgarantie bis 2030 oder bei Mercedes bis 2029. Auch bei Volkswagen gibt es so etwas - doch jetzt hat der Konzern angekündigt, er wolle den Vertrag auflösen.
Vertraglich zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern festgelegt
Eine Jobgarantie wird durch einen Beschäftigungssicherungsvertrag festgehalten. Den schließen eine Gewerkschaft oder ein Betriebsrat auf der einen Seite und das Unternehmen oder ein Arbeitgeberverband auf der anderen Seite.
Je länger ein Arbeitgeber eine solche Jobgarantie gibt, desto höher ist sein Risiko: Sichert er zum Beispiel einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren zu, kann er nicht sicher wissen, wie die Geschäfte dann laufen werden. Deswegen müssen die Beschäftigten Zugeständnisse machen: Für eine lange Jobgarantie verzichten sie auf Geld - zum Beispiel auf einen Teil des Weihnachtsgeldes oder andere Zahlungen.
Kündigung der Jobgarantie ist nur im Notfall möglich
Außerdem wird oft ein Sonderkündigungsrecht im Vertrag vereinbart, also eine Art Hintertür für den Notfall, sollte sich die Geschäftsgrundlage gravierend ändern. Kommt es dazu, verhandeln beide Parteien neu über den Vertrag. Dabei geht es darum, eine Lösung zu finden, die die Interessen beider Seiten berücksichtigt. Scheitert der Versuch, kann der Arbeitgeber die Jobgarantie einseitig kündigen.
Ein solcher offener Konflikt könnte vor Arbeitsgerichten landen. So könnte zum Beispiel eine Gewerkschaft oder ein Betriebsrat überprüfen lassen, ob die Kündigung des Beschäftigungssicherungsvertrags wirksam ist. Auch einzelne Mitarbeitende könnten vor Gericht ziehen - allerdings nur, wenn sie eine individuelle Kündigung erhalten haben. Ein Argument kann dann sein, es gebe im Unternehmen eine gültige Jobgarantie.
Der Arbeitgeberverband Südwestmetall weist darauf hin, dass Unternehmen nur im Notfall eine Beschäftigungsgarantie auflösten. Geld, auf das die Mitarbeitenden dafür verzichtet hätten, müsse dann zurückgezahlt werden. Eine Jobgarantie zu kündigen, sei insbesondere bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen oft ein Weg, um eine Insolvenz abzuwenden. Bei börsennotierten Großunternehmen gehe es meist darum, das Vertrauen der Anleger zu sichern.
VW schließt Kündigungen und Werksschließungen nicht mehr aus
Die angekündigten Sparpläne des Autoherstellers VW bereiten auch den Audi-Mitarbeitern in Neckarsulm (Kreis Heilbronn) Sorgen. Im Rahmen des Sparkurses schließt Volkswagen erstmals Werksschließungen und Entlassungen trotz Beschäftigungssicherung in Deutschland nicht mehr aus. Die Neckarsulmer Audi-Mitarbeitenden hoffen, dass es nicht zu Kündigungen und Werksschließungen kommt.
Audi ist mit seinem Werk in Neckarsulm einer der größten Arbeitgeber in der Region Heilbronn-Franken. Dort arbeiten nach Konzernangaben rund 15.500 Menschen für das Unternehmen.
Auch Audi-Mitarbeitende fürchten um ihre Jobs
Viele empfinden diese Entwicklung als beängstigend. Man mache sich schon so seine Gedanken, wie es weitergehe, sagte ein Audi-Mitarbeiter dem SWR. Andere verweisen darauf, dass es bislang noch keine Kündigungswelle gebe.
Wie reagiert Audi auf die Sparpläne bei VW?
Audi wollte sich zu VW und dessen Sparplänen nicht direkt äußern. Eine Sprecherin am Standort Neckarsulm sagte zur jetzigen Situation: "Ab diesem Jahr laufen die Nachfolger unserer Erfolgsmodelle Audi A4 und A6 an. Mit diesen wichtigen Volumenmodellen sind wir gut aufgestellt und in der Lage, flexibel auf die Marktnachfrage zu reagieren."
Der Audi-Gesamtbetriebsrat hat sich am Mittwoch geäußert. Aktuell stehe man in Diskussionen, wie die Zukunftsfähigkeit von Audi zu gewährleisten sei, heißt es in einer Mitteilung. Man erwarte innovative Vorschläge des Vorstandes und keinen Angriff auf die Standorte, die Beschäftigten und die Tarifverträge. Der Betriebsrat am Standort Neckarsulm will in Kürze ebenfalls Stellung nehmen.
Befristete Jobs auch bei anderen Autoherstellern gefährdet
Werksschließungen und Kündigungen in der Stammbelegschaft sind bei anderen Autobauern in Baden-Württemberg derzeit kein Thema. Anders sieht das für Menschen aus, die befristet beschäftigt sind oder die über Zeitarbeitsunternehmen bei den Autobauern arbeiten. Hier gibt es bereits Einschnitte oder sie drohen.
Bei Mercedes beispielsweise: Hier wurde erst kürzlich verkündet, dass ab Oktober in der Produktion der S-Klasse in Sindelfingen nur noch im Einschicht-Betrieb gearbeitet werde. Wahrscheinlich wird das dazu führen, dass die Verträge von befristet Beschäftigten zum Teil nicht verlängert werden. Auch bei Porsche hat es das in diesem Jahr schon gegeben.
Autoindustrie unter Druck: Problemfall VW
Der Autobauer Volkswagen gilt in der Branche laut SWR-Wirtschaftsredakteur Christof Gaißmayer schon länger als Problemfall - vor allem im Hinblick auf seine schwerfällige und komplizierte Struktur. Der Betriebsrat sei sehr mächtig. Gaißmayer vermutet, dass die VW-Chefs in der Autoabsatzkrise keine andere Lösung sehen als mit Werksschließungen zu drohen, um den Betriebsrat unter Druck zu setzen und so zu Veränderungen zu kommen.
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