Neue Ausrichtung beim Bevölkerungsschutz

Zwei Jahre nach der Flut im Ahrtal: Auf diese Konzepte setzt BW beim Katastrophenschutz

Stand

Vor zwei Jahren kam es im Ahrtal in Rheinland-Pfalz zur historischen Flutkatastrophe - für viele Menschen ein prägendes Ereignis. Wie schützt sich BW vor derartigen Gefahren?

Am Freitag jährt sich die Flutkatastrophe im rheinland-pfälzischen Ahrtal zum zweiten Mal. Durch Hochwasser im Juli 2021 verlieren hier über 130 Menschen ihr Leben. Die Flut am 14. Juli reißt mehr als 400 Gebäude mit, darunter sehr viele Wohnhäuser. Geschäfte, Hotels, Fabriken und Werkstätten werden vom Wasser zerstört. Von den 4.200 Gebäuden entlang der Ahr sind geschätzt mehr als 3.000 beschädigt worden.

Für die Anwohnerinnen und Anwohner eine verheerende Naturkatastrophe, bis heute sind die Wiederaufbauarbeiten im vollen Gange. Und auch außerhalb des betroffenen Gebiets ist die Sorge vor derartigen Ereignissen groß. Was tut die Landesregierung von Baden-Württemberg um Krisen zu begegnen?

 

Innenministerium verspricht umfassende Hilfe im Katastrophenfall

Zwei Jahre nach dem einschneiden Ereignis in Rheinland-Pfalz zeigt sich das Innenministerium von Baden-Württemberg, zuversichtlich, derartigen Katastrophen entgegentreten zu können. "Die Menschen in Baden-Württemberg können sich bei Notlagen auf schnelle und umfassende Hilfe verlassen", so eine Sprecherin des für die Gefahrenabwehr verantwortlichen Ministerium auf Anfrage des SWR. Baden-Württemberg habe ein Bevölkerungsschutz-System, um das es viele Länder beneiden würden. Aktuell will das Ministeriums den Bevölkerungsschutz vor Krisen und Naturkatastrophen neu ausrichten.

Eine wichtige Rolle spielt dabei das Gemeinsame Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz (GeKoB) von Bund und Ländern, das im Jahr 2021 nach der Flutkatastrophe von der Innenministerkonferenz auf den Weg gebracht wurde. Dieses "neue, echte Bund-Länderkompetenzzentrum" soll in Zukunft zum Motor für Krisenprävention und Krisenmanagement in ganz Deutschland so das Innenministerium. Gelingen soll das durch regen Austausch der unterschiedlichen Krisenpräventionsstellen in Deutschland, für den das GeKoB die Plattform darstellen soll. Risiken, zum Beispiel bei sich ankündigen gefährlichen Wetterlagen, werden hier länderübergreifend gemeinsam bewertet.

Digitale Systeme und Tools sollen in Krisensituationen helfen

Besonders betont des Ministerium auch die technischen Neuerungen, die seit 2022 dazu beitragen, Wetterkrisen und andere Naturkatastrophen zu erkennen, bevor sie Menschen gefährlich werden. Über ein sogenanntes klassisches Lagetool, die elektronische Lagedarstellung für den Bevölkerungsschutz zur Unterstützung der Lagedarstellung (ELB-DS), können laut dem Innenministerium schnell Gefahren für einzelne Kreise und Regierungsbezirke überblickt und eingeschätzt werden. Teil des Tools ist auch ein "elektronisches Flut-Informations- und Warnsystem", so das Ministerium.

In Gefahrenkarten, die in einer Krisenobjektdatenbank integriert sind, könnten darüber hinaus im Krisenfall bestimmte Einrichtungen wie Kindertagesstätten oder Seniorenheime lokalisiert werden. Und über die Zentrale Evakuierungs- und Unterbringungssteuerung für den Bevölkerungsschutz (ZEUS-BS) wäre die Planung, Vorbereitung und Durchführung der Evakuierungen dieser Gebäude vereinfacht möglich.

Umweltministerium: Erhebliche Anstrengungen notwendig

Mit konkreten baulichen Maßnahmen will das BW-Umweltministerium unter der Leitung von Ministerin Thekla Walker (Grüne) Katastrophen wie dem Hochwasser im Ahrtal entgegen treten. Das teilte das Ministerium dem SWR in einer Pressemitteilung mit. Dieser technisch infrastrukturelle Hochwasserschutz habe einen hohen Stellenwert bei der Landesregierung. Das Ministerium verweist dazu auf Fördermittel in Millionenhöhe, die den Kommunen für Schutzmaßnahmen ausgezahlt worden seien.

Neben kommunalen Konzepten bringt das Land auch eigene Projekte an den Start. Beispielsweise soll mit dem "Integrierten Rheinprogramm (IRP)", die baden-württembergische Seite des Rheins durch 13 sogenannte Hochwasserrückhalteräume vor Katastrophen geschützt werden. Neben technischem Hochwasserschutz setzt die Landesregierung laut dem Umweltministerium auch auf "nichttechnische Maßnahmen". Bürgerinnen und Bürger sollen so ein Bewusstsein für die Gefahr von Hochwasser und Starkregen entwickeln.

Feuerwehrverband fordert Neuerungen im Landeskatastrophenschutz

Wie das Innenministerium in seiner Mitteilung anmerkt, ist im Katastrophenfall das Ehrenamt die "Stütze des Bevölkerungsschutzes". Menschen in ehrenamtlichen Gemeindefeuerwehren und anderen Hilfsorganisationen gebühre Respekt und Anerkennung. Dass diese Kräfte in den in den einzelnen Landkreisen noch weiter gestärkt werden müssen, fordert der Feuerwehrverband Baden-Württemberg.

Der Verband fordert seit 2021 eine Erneuerung des Landeskatastrophenschutzgesetzes, mit dem Abläufe und Zuständigkeiten im Katastrophenfall in BW geregelt sind. Dazu veröffentlichte der Verband zehn Thesen. Unter anderem soll nach Verbandsmeinung das Ehrenamt als "tragende Säule" des Katastrophenschutzes gestärkt werden. Auch müsste das Land die Katastrophenschutzbehörden personell verstärken.

Für Stefan Hermann, Fachgebietsleiter Katastrophen- und Bevölkerungsschutz beim Feuerwehrverband, ist diese Forderung immer noch aktuell. Durch mehr Personal könne die Planung von Katastrophenschutz in den einzelnen Landkreisen verbessert werden. Das wäre zur Zeit notwendig, denn im Katastrophenschutz seien viele aktuell als "Einzelkämpfer" aktiv, so Hermann. Die grundlegende Überarbeitung und Neustrukturierung des Katastrophenschutzgesetzes ist Teil des Koalitionsvertrags der Landesregierung. Seit der Verabschiedung des Vertrags blieben Änderungen aber aus.

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