Bei dem Missbrauch einer 10-Jährigen Schülerin in Edenkoben handelte es sich allem Anschein nach um einen Wiederholungstäter. Sind solche Täter überhaupt therapierbar?
Wir haben im SWR1 Interview mit Professor Frank Urbaniok gesprochen. Er ist Experte für Forensische Psychiatrie und Psychologie und hat ein System zur Risikobeurteilung von Straftätern entwickelt.
SWR1: Kindesmissbrauch wird mit maximal zehn Jahren Haft bestraft. Kann man diese Zeit nutzen, um einen Täter nachhaltig zu heilen?
Prof. Frank Urbaniok: Grundsätzlich ja. Ich würde hier aber nicht von Heilung sprechen, sondern es geht um Risikosenkung. Das bedeutet, dass zum Beispiel eine Person, die grundsätzlich eine Neigung für Kinder und Minderjährige hat, diese Neigung behalten wird. Aber sie kann lernen, damit umzugehen und das zu kontrollieren. Damit kann man Rückfallraten entscheidend senken. Es gibt unbehandelbare, hochgefährliche Täter, bei denen es dann natürlich nicht um Therapie geht, sondern um langfristige oder manchmal auch lebenslange Sicherung.
SWR1: Die Frage im Fall Edenkoben ist ja, wie erkennt man einen solchen Täter? Es gab ja tatsächlich den Antrag, den Verdächtigen in Sicherungsverwahrung zu nehmen und dieser Antrag ist abgelehnt worden. Da gab es offenbar verschiedene Meinungen. Was sind eindeutige Erkennungsmerkmale?
Urbaniok: Man sieht daran, man muss das Risiko einer Person im Einzelfall genau kennen, um zu wissen, welche Maßnahmen es braucht, um diesem Risiko entgegenzuwirken. Und das kann bedeuten, dass man gar nichts tun muss, weil das Risiko gering ist. Es kann aber auch bedeuten, dass Überwachung wichtig ist oder das Auflagen wichtig sind.
Um das genau zu wissen, muss man immer eine zutreffende Risikobeurteilung haben. Das ist möglich, indem man unterschiedliche Informationsquellen nutzt. Es reicht nicht nur, dass man mit dem Täter redet.
Das, was ein Mensch Mensch tut, ist ja wie ein Fingerabdruck von dem, was er denkt, was er fühlt und wie er wahrnimmt. Dann muss man differenziert alle Faktoren zusammentragen und zusammensetzen. Dann hat man eine sehr gute Grundlage, dass man eine sehr genaue Risikobeurteilung vornehmen kann.
SWR1: Aber wir reden von Wahrscheinlichkeiten. Das heißt, so zynisch es klingt, mit einem Restrisiko muss man leben, dass ein mutmaßlich nicht so gefährlicher Straftäter dann doch wieder straffällig wird?
Urbaniok: Wenn Sie eine präzise Risikobeurteilung haben, dann wird die selten bei Null oder 100 Prozent sein. Man würde vielleicht sagen, dass das Risiko sehr hoch ist. Dann ist es Sache der Juristen, zum Beispiel eines Richters, dass er stellvertretend für die Gesellschaft entscheidet, ob das Risiko vertretbar ist oder nicht. Er braucht dafür aber eine sehr genaue und gründliche Grundlage.
Das Gespräch führte SWR1 Moderator Hanns Lohmann.
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