Gerade im Berufsumfeld ist es schwer zu sagen, ob man das Gegenüber duzen darf oder ob man lieber siezen sollte. Wir haben eine Knigge-Expertin nach der korrekten Anrede gefragt.
Linda Kaiser ist stellvertretende Vorsitzende des Vorstands der Deutschen-Knigge-Gesellschaft e.V. Sie weiß genau, in welchen Fällen sich welche Ansprache anbietet und ob man das "Du" auch ablehnen darf.
Duzen oder siezen? Was passt wann am besten?
SWR1: Wie kann man so eine peinliche Situation vermeiden, in der man nicht weiß, ob man Siezen oder Duzen soll oder darf?
Linda Kaiser: Im allgemeinen Sprachgebrauch in unserem Land ist es so, dass wir erstmal das "Sie" nutzen, wenn wir eine fremde Person ansprechen und uns dann, wenn irgendwann einmal die Sympathie vorhanden ist, auf das "Du" einigen.
SWR1: Aber mittlerweile ist das "Du" sehr weit verbreitet, vor allem auch im Netz. Da wird eigentlich nur geduzt. Hat sich die Du-Ansprache im Laufe der Zeit entwickelt?
Kaiser: Die Du-Ansprache hat sich sicherlich im Laufe der Zeit entwickelt. Insbesondere in den sozialen Medien wird sehr, sehr viel geduzt. Wobei ich immer sage, dass das "Du" in den sozialen Medien und auch in Unternehmen, wo eine Duz-Kultur herrscht, immer ein gedachtes "Sie" und ein gesprochenes "Du" ist.
SWR1: Ein gedachtes "Sie" und ein gesprochenes "Du"? Das habe ich ja noch nie gehört.
Kaiser: Das mit dem gedachten "Sie" und dem gesprochenen "Du" verhält sich einfach so, dass in unserer Sprachentwicklung das "Du" die Ansprache ist, wenn wir mit Freunden oder Vertrauten, also mit Menschen sprechen, die wir lange kennen und die wir mögen.
Wenn wir dieses "Du" jetzt im Business-Kontext anwenden oder auch in den Social Media, kennen wir in der Regel die Person, die uns gegenübersteht ja nicht so gut, möchten aber trotzdem künstliche Nähe erschaffen. Und das soll dann über das "Du" transportiert werden. Aber die Distanz, die wir doch empfinden, kann man dadurch natürlich schwer überbrücken. Und darum ist es ein gedachtes "Sie" und ein gesprochenes "Du".
Die richtige Anrede im Job
SWR1: Wenn innerhalb einer Firma konsequent geduzt wird, auch mit den Chefs, wirkt sich das auf das Arbeitsklima aus?
Kaiser: In Unternehmen, in denen Duz-Kultur herrscht, kann es durchaus sein, dass es zunächst mal zu Verwirrungen kommt und dass das verordnete "Du" so ein bisschen Unbehagen verursacht. Denn "Du" suggeriert Vertraulichkeit, wo dann keine ist. Und deshalb ist es manchmal schwer, den richtigen Ton zu finden, insbesondere wenn es zu Konflikten kommt oder wenn Hierarchien vorliegen. Denn die werden durch die Ansprache ja nicht aufgehoben.
SWR1: Kann man eigentlich so einen Duz-Angebot ablehnen?
SWR1: Selbstverständlich kann man das Duz-Angebot auch ablehnen, wenn es tatsächlich nicht vom Unternehmen verordnet ist, also von oben gesagt wird, wir duzen uns jetzt alle. Im persönlichen Kontakt kann man das "Du" ablehnen, insbesondere wenn es um Geschäftsbeziehungen geht.
Und da sagt man dann zum Beispiel Dinge wie, es freut mich sehr, dass Sie mir das Du anbieten. Aber ich möchte aus dem Grund, weil es jetzt zum Beispiel geschäftlich ist oder wir uns noch nicht so gut kennen, lieber beim "Sie" bleiben und zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht, dass "Du" dann noch einmal aufgreifen.
Forum Du oder Sie – Welche Anrede setzt sich durch?
Thomas Ihm diskutiert mit
Birte Steinkamp, Knigge-Beraterin, Deutsche-Knigge-Gesellschaft
Prof. Dr. Horst Simon, Linguist, Freie Universität Berlin
Matthias Heine, Journalist, die WELT
SWR1: Das ist natürlich sehr diplomatisch. Gilt eigentlich immer noch diese alte Regel, dass vor allem der Ältere das "Du" anbieten darf oder sollte?
Kaiser: Es ist tatsächlich nach wie vor so, dass im privaten Kontext die ältere Person das "Du" anbietet oder auch die weibliche Person, also die Dame, das "Du" anbietet. Im Business-Kontext sind diese Geschlechts- und Alltagsaspekte vollkommen aufgehoben. Da geht es lediglich darum, wer in der Hierarchie höher steht. Der darf auch das "Du" anbieten.
Das Gespräch führte SWR1 Moderator Frank Jenschar.
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