Viele Menschen verbinden Krähen sofort mit Ärger. Ihr Kot verdreckt das Auto, sie verteilen Müll in der Stadt und sind insgesamt einfach unliebsame Gesellen.
Die Vögel sind jedoch sehr intelligent und sozial, wie Dr. Uta Maria Jürgens vom NABU erzählt. Sie ist Vogelexpertin und findet, wir Menschen sollten uns selbst mal an die Nase fassen.
Vertreibung von Saatkrähen funktioniert nicht
SWR1: Krähen sind ja geschützt. Es ist verboten, sie direkt zu jagen oder zu vertreiben. Manche Kommunen setzen Raubvögel ein, um die Vögel zu stören. Was halten Sie davon?
Dr. Uta Maria Jürgens: Also erst einmal muss man unterscheiden. Es gibt zwei Arten, die wir mit dem Begriff Krähen bezeichnen. Und da gelten unterschiedliche Dinge. Erstens in der Biologie der Tiere, zweitens rechtlich. Die Krähen, die Sie jetzt angeführt haben, das sind die Saatkrähen. Die sind sehr schwer zu vergrämen, weil es einerseits wenig Alternativen gibt. Also die Idee ist ja, dass man es den Krähen durch den Einsatz von natürlichen Fressfeinden, also Falken zum Beispiel, ungemütlich macht an ihrem Standort und dass sie sich dann umsiedeln.
Das setzt aber voraus, dass es Möglichkeiten gibt, wohin sie ausweichen können. Und das ist genau das Problem. Also die Saatkrähen sind eigentlich Vögel der offenen Feldflur und die sind in die Stadt umgezogen, weil durch den Strukturwandel in der Landschaft dort die Brutmöglichkeiten nicht mehr existieren. Das heißt, wo sollen sie denn hin, wenn wir sie vertreiben? Das ist so ein Grund, warum Vergrämungen nicht funktionieren.
Krähen zur Touristen-Attraktion machen
SWR1: Das heißt, das Thema hat überhaupt keine Lösung. Also in den Städten ist es nicht günstig, wegen der vielen Belastungen, auf dem Land läuft es auch nicht gut. Im Grunde könnten wir das Gespräch jetzt beenden und sagen "ist halt so".
Jürgens: Das wäre dann doch ein bisschen zu kurz gedacht, weil wir auch eine Möglichkeit haben, anders auf die Herausforderung zu schauen. Es gibt auch Städte, die da andere Ansätze gefunden haben, die sagen: Wir machen aus der Herausforderung eine Chance für uns. Zum Beispiel mein Heimatörtchen Ascheberg in Holstein, aber auch Friedrichstadt und andere Städte und Gemeinden haben die Krähen als eine Möglichkeit entdeckt, Naturbeobachtung in der Stadt möglich zu machen und haben das in ihre Tourismuskonzepte eingebaut. Also so geht es auch.
SWR1: Was aber bleibt, ist, dass die Menschen genervt sind. Und das wird nicht weniger, wenn man jetzt die Krähen herzlich willkommen heißt.
Jürgens: Das ist zum Teil richtig. Es wird immer Menschen geben, die sich belästigt fühlen. Wobei ich glaube, dass man erstmal für keine Maßnahme, die so ein bisschen ambivalent ist, jeden mitnehmen kann. Auf der anderen Seite ist es nun auch so, dass wir als Menschheit das Problem eben selber geschaffen haben. Und dann die Krähen für die Konsequenzen unseres Handelns verantwortlich zu machen, ist auch ein bisschen unfair. Insofern wäre auch mein Aufruf, dass man sich da erstens ein bisschen an die eigene Nase fasst und zweitens über große Lösungen nachdenkt, die es durchaus auch gibt. Denn das, was man da braucht, eben so kleinräumigere Strukturen, das dient der Artenvielfalt ganz allgemein.
Frech, aber schlau
SWR1: Ich habe gelesen, Krähen zählen zu den klügsten Tieren überhaupt. Stimmt das?
Jürgens: Ja, es sind sozusagen die Schimpansen in Vogelform, also die lösen komplexeste Aufgaben im Labor. In der echten Welt kann man das häufig auch beobachten. Man schätzt, dass Raben ungefähr so klug sind wie ein vier- bis fünfjähriges Kind. Wobei ich auch immer denke, da tut man den Vögeln vielleicht auch ein bisschen Unrecht. Die sind, glaube ich, einfach auch anders intelligent. Vielleicht auch so, wie wir uns das gar nicht so richtig vorstellen können mit unserem menschlichen Kopf.
SWR1: Krähen gelten auch als soziale Tiere und sie brüten in großen Kolonien. Gehört das direkt zusammen? Also helfen die einander und übernimmt einer für den anderen irgendwelche Aufgaben?
Jürgens: Da muss man auch wieder unterscheiden zwischen den Krähenarten. Saatkrähen brüten in großen Kolonien oder sind gerne gesellig. Rabenkrähen brüten paarweise und haben auch Territorien, die sie auch gegen andere Krähen verteidigen. Das ist auch ein natürlicher Populations- und Regulationsmechanismus, wo die Krähen selber dafür sorgen, dass der Bestand stabil bleibt, weil eben nicht jeder brüten darf. Insofern sind Krähen jetzt nicht die besseren Menschen und helfen sich immer bedingungslos. Auch in einer Saatkrähen-Kolonie, die sich freiwillig und gerne zusammenfindet, wird man Konkurrenz beobachten – dass man einander Nistmaterial stiehlt zum Beispiel. Aber Krähen allgemein oder auch gerade in der Paarbeziehung zwischen Krähen, die bleiben sich auch treu. Und unter Freunden über Partnerschaften hinweg kann man Verhalten beobachten, wie Trost, einander necken und Spiel. Da findet sich die ganze Palette, die wir auch in menschlichen Sozialbeziehungen finden.
Das Gespräch führte SWR1 Moderator Hanns Lohmann.
Weitere Informationen über Krähen
Mehr Informationen über die Saatkrähe finden Sie beim NABU Schleswig-Holstein. Der NABU Berlin hat Infos über das aggressive Verhalten von Krähen zusammengefasst.
Tipps: Krähen und Raben vertreiben
Mehr Interviews
Einblicke in Marketingstrategien Warum wir gerne Adventskalender kaufen – und was die Hersteller davon haben
Ein Marken-Adventskalender kann bis zu 1.000 Euro kosten – lohnt sich das? Marketingexperte Prof. Kenning über den Reiz teurer Adventskalender und was die Hersteller davon haben.
Schlaflose Nächte und späte Entscheidungen Journalist Denis Trubetskoy über 1.000 Tage Krieg gegen die Ukraine
1.000 Tage, so lange dauert der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Der in Kiew lebende Journalist Denis Trubetskoy berichtet von der Lage vor Ort.