Beim olympischen Zehnkampf treten mit Niklas Kaul und Leo Neugebauer gleich zwei Deutsche mit Medaillen-Hoffnungen an - kommt es bei Olympia 2024 in Paris zur Wachablösung?
Niklas Kaul schüttelte energisch den Kopf. Nein, Skepsis gebe es "gar nicht", versicherte der entthronte Zehnkampf-König nach seinem vierten Platz bei der EM in Rom. "Ich bin doch sehr zuversichtlich. Ich glaube, dass in Paris auf jeden Fall Bestleistung drin ist. Es wäre auch mal wieder Zeit nach 2019."
Neugebauer hat auf Leichtathletik-EM in Rom verzichtet
Während sein deutscher Rivale Leo Neugebauer sieben Wochen vor den Olympischen Sommerspielen am Pool in Texas bereits die Akkus für Paris auflud, blickte Kaul im Bauch des Stadio Olimpico selbstbewusst auf sein großes Ziel an der Seine voraus. "Es waren vier Disziplinen dabei, die waren nichts. Die anderen sechs stimmen mich schon positiv. An den vier müssen wir halt arbeiten."
Auch wenn der Ex-Weltmeister Italien mit leeren Händen verließ, lebt der Traum von einer Olympia-Medaille, die ihm in seiner Sammlung noch fehlt. "Ein paar Leute werden in Paris natürlich dazukommen", sagte Kaul, allerdings habe er ja auch nicht vor, noch einmal einen Zehnkampf mit 8.541 Punkten zu absolvieren, ergänzte er schelmisch.
Auf dem Papier war es der drittbeste Wettkampf seiner Karriere. Allerdings fühlte es sich für den Mainzer wegen einiger Aussetzer - insbesondere im Hochsprung, über die 400 Meter sowie die 110 Meter Hürden - nicht so an. "Vielleicht war es der beste schlechteste Zehnkampf, den ich je gemacht habe", scherzte er. 59 Punkte fehlten am Ende zu EM-Bronze. Ganz klar: In Paris muss eine Steigerung her, um mit der internationalen Konkurrenz, aber erst recht mit Neugebauer aus dem eigenen Lager mithalten zu können.
Leo Neugebauer in Rekord-Form - aber halten die Nerven?
Mit einem neuerlichen deutschen Zehnkampf-Rekord (8.961 Punkte - und damit 197 Punkte mehr als Europameister Johannes Erm aus Estland) war der 23 Jahre alte Shootingstar bei den College-Meisterschaften in den USA in der vergangenen Woche endgültig zum ersten Anwärter auf den Olympiasieg aufgestiegen. "Für mich ist er der Favorit bei Olympia, ganz klar. Wenn er das noch einmal hinbringt bei einem großen Wettkampf, dann schlägt ihn keiner so schnell", sagte Kaul in der ARD und ergänzte vielsagend: "Das ist aber ja das Schöne im Zehnkampf. Wir fangen alle bei null Punkten an - und dann gucken wir mal."
Bei der WM im Vorjahr war Neugebauer als frisch gebackener deutscher Rekordhalter nach Budapest gereist. Am Ende reichte es nach einem fantastischen ersten Tag "nur" zu Platz fünf. Seine besten Mehrkämpfe absolvierte der Stuttgarter bislang stets abseits des Rampenlichts. Die Coolness auf der ganz großen Bühne muss er noch nachweisen. "Ich hoffe nicht, dass es eine Bürde sein wird. Aber er ist Favorit und ich hoffe, er wird damit umgehen können", sagte ARD-Experte Frank Busemann.
Kaul peilt Bestleistung bei Olympia 2024 in Paris an
Kaul hat bereits bewiesen, dass er seine Nerven im Griff hat. Bei der EM 2022 in München hatte er sich den Titel geholt und sich 2019 in Doha zum jüngsten Zehnkampf-Weltmeister der Geschichte gekrönt. Nicht zuletzt seine Stärken in den Wurfdisziplinen - den Speer beförderte er in Rom auf bärenstarke 75,45 Meter - machen Kaul nun große Hoffnung, seine Bestleistung (8.691 Punkte) von Doha in Frankreich endlich zu knacken. "Ich bin froh, dass meine Würfe wieder so stabil sind, dass ich relativ entspannt auch mit müden Beinen 70 Meter werfen kann. Das ist ein Niveau, das hatte ich seit 2019 nicht mehr", sagte Kaul und ergänzte: "Das in München war ein Glückswurf."
Bis am 1. und 2. August der neue Zehnkampf-Olympiasieger im Stade de France ermittelt wird, arbeitet der 26-Jährige nun vor allem an intensiveren und kurzen Läufen, um seine Schwächen zu minimieren - und den Medaillentraum zu erfüllen. "Ich bin zuversichtlich, dass in den nächsten Wochen noch ein bisschen mehr geht", sagte Kaul.