Der VfB Stuttgart hat für Stürmer Deniz Undav so viel Geld ausgegeben wie für keinen anderen Spieler zuvor. Eine lohnende Investition, findet SWR Sportredakteur Johann Schicklinski.
Rund 27 Millionen Euro soll der VfB Stuttgart für die fixe Verpflichtung des in der abgelaufenen Spielzeit ausgeliehenen Stürmers Deniz Undav an den englischen Club Brighton & Hove Albion überwiesen haben. Auch wenn diese Zahl nicht offiziell bestätigt ist, dürfte klar sein: Undav, jetzt mit einem Dreijahresvertrag bis 2027 ausgestattet, ist der neue Rekordtransfer der Schwaben. Die bisherige Höchstmarke ist erst wenige Wochen alt. Angreifer Ermedin Demirovic vom FC Augsburg ließ sich der VfB knapp 21 Millionen Euro Ablöse kosten - Boni nicht inkludiert.
Die Angst vor der "Champions-League-Falle"
Das sind enorme Summen für die seit Jahren finanziell eher klammen Stuttgarter - und es ist eine durchaus riskante Wette auf die Zukunft. Sie erhöht den Druck, sportlich erfolgreich zu sein. Der Transfer von Undav wurden zuletzt in den sozialen Medien bei den Fans entsprechend kontrovers diskutiert: Der Nationalspieler sei bereits 28 Jahre alt, er hätte erst eine gute Saison in Deutschland gespielt, er sei ein "One-Hit-Wonder" und ohnehin komplett überteuert. So oder ähnlich lauten viele Argumente.
Viele Anhänger eint die Angst vor der sogenannten "Champions-League-Falle". Diese ereilt oft Klubs, die für die Qualifikation zur Königsklasse eine Überraschungssaison hingelegt und überperformt haben. Dann steigen oft die Ansprüche bei Spielern, Verantwortlichen und im Umfeld parallel zu den Ausgaben für Neueinkäufe. Es entsteht eine Gehaltsstruktur, die bei ausbleibendem sportlichen Erfolg zum Problem werden kann. Der VfB Stuttgart kann davon ein Lied singen. Nach dem Meistertitel 2007 ging es in den darauffolgenden Jahren sportlich kontinuierlich bergab. Negative Höhepunkte: Die Abstiege 2016 und 2019.
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Aufgrund dieser Historie finde ich es absolut legitim, dass sich die Fans der Schwaben darum sorgen, dass sich Geschichte wiederholen könnte. Doch aus meiner Sicht können die Anhänger gelassen bleiben. Ja, 27 Millionen Euro für Undav sind enorm viel, doch für mich hat er in der vergangenen Saison seinen Wert bewiesen. 18 Tore und zehn Vorlagen in der Bundesliga, in der Kabine ein wichtiger Faktor, ein überragendender Mann in Sachen Vereins-PR sowie seine enorme Hilfsbereitschaft bei der Integration von Neuzugängen und jungen Spielern. Für mich sprechen viele Argumente für dieses Investment des VfB Stuttgart.
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Mehr Commitment geht nicht
Mich hat zudem der unbedingte Wille beeindruckt, mit dem Undav den Transfer bereits seit Monaten thematisiert und forciert hat. Immer wieder hat der EM-Fahrer platziert, wie wohl er sich in der Schwaben-Metropole fühlt. Immer wieder hat er durchblicken lassen, dass eine Rückkehr nach Brighton keine wirkliche Option für ihn darstellt. Und schließlich hat er seinen Urlaub zu großen Teilen in Stuttgart verbracht, obwohl er nach dem Auslaufen der Leihe seit 1. Juli eigentlich wieder Spieler der Engländer war. Als Privatperson zeigte Undav immer wieder beim VfB-Training Präsenz, er scherzte mit alten Kollegen und Anhängern. Mehr Commitment geht nicht. Ich habe sowas in dieser Form im Profifußball noch nie gesehen.
Auch die Einnahmen sind hoch
Natürlich gehen die Schwaben finanziell ins Risiko, aber ich halte es für überschaubar. Die zu erwartenden Einnahmen aus der Champions League (allein die Antrittsprämie beträgt 18,6 Millionen Euro), rund 64 Millionen Euro durch die Verkäufe von Hiroki Ito (FC Bayern), Waldemar Anton und Serhou Guirassy (beide Borussia Dortmund), dazu höhere TV-Gelder - es fließt ja auch eine Menge Geld in die Kassen.
Zudem besitzt der Stuttgarter Kader reichlich Substanz: Spieler wie Atakan Karazor, Angelo Stiller, Enzo Millot, Chris Führich, Maxi Mittelstädt oder Silas bedeuten ja auch Vermögenswerte. Sie alle (und viele Spieler mehr) können sich zudem in mindestens acht Spielen auf der im Vereinsfußball größtmöglichen Bühne Champions League präsentieren und ihre Marktwerte steigern (sofern sie keine Ausstiegsklausel besitzen).
Ich glaube daher, dass sich Geschichte nicht wiederholen wird. Ich traue dem VfB erneut eine starke Spielzeit zu. Deniz Undav wird dabei ein wichtiger Faktor sein. Auch ihm traue ich auch in der kommenden Spielzeit ähnlich starke Leistungen wie in der Vorsaison zu. Ich bin sicher, die Stuttgarter Verantwortlichen gehen ein überschaubares Risiko ein - und machen mit der Undav-Verpflichtung alles richtig.