Fußball | Bundesliga

So blickt Fußball-Deutschland auf die Ära Christian Streich

Stand
Interview
Kira Rutkowski, Tom Bartels, Claus-Peter Hufer
Autor/in
Désirée Krause

Zwölf Jahre lang war er Chefcoach des SC Freiburg. Streich erlebte viele verschiedene Gefühlswelten mit seinem SCF. Und Fußball-Deutschland erlebte Christian Streich. Vor allem Deniz Aytekin ist angetan.

Fragt man Weggefährten und Fußball-Prominenz nach Streich, sprechen sie neben dem Trainer vor allem auch über den Menschen Christian Streich. "Auch wenn wir in diesem wahnsinnig schillernden Fußball-Business agieren dürfen, hat er eine unglaubliche Menschlichkeit und Demut", beschreibt ihn Schiedsrichter Deniz Aytekin. "Ein wunderbarer Mensch und ein ganz großer Trainer", sagt DFB-Sportdirektor Rudi Völler. Und Bundestrainer Julian Nagelsmann sagt über Streich, er sei "ein unfassbar herzlicher Mensch mit einer großen Weitsicht, einer sehr starken Meinung, die er auch vertritt."

Christian Streich war anders

Für viele, die mit ihm gearbeitet und ihn erlebt haben, war Christian Streich sehr besonders. Auf dem Feld zum Beispiel für Schiedsrichter Aytekin, der sagt: "Ich empfinde eine große Dankbarkeit, dass ich in einer Ära Schiedsrichter sein durfte, wo ein Christian Streich auch Trainer war." Und das vor allem, so Aytekin, weil er den Fußball für alle besser machen wollte. "Als ich mal einen seiner Spieler mit der gelben Karte verwarnt hat, weil er den Ball weggetragen hat, hat er mir nach dem Spiel gesagt: Genau so muss es sein, egal ob gegen uns oder gegen andere."

Das Verhältnis zwischen dem Schiedsrichter und Streich war von Respekt geprägt. Auch wenn sich der SCF-Trainer gerne lautstark und mit viel Gestik aufgeregt hat. "Aber das ist ja das Schöne, wenn man weiß, dass der Mensch dahinter keine böse Absicht verfolgt oder einen absichtlich und böswillig etwas antun möchte oder jemanden bloßstellen möchte. Und das Gefühl hatte ich bei ihm nie." Streich habe sich sogar auch schon einmal Tage später gemeldet und für das Verhalten seiner Bank entschuldigt, so Aytekin.

"Es war immer ein Austausch auf Augenhöhe und das ist das, was eigentlich auch die Gesellschaft von ihm lernen kann, dass man eben in der Sache klar agieren kann, aber dass man Menschen respektvoll und vernünftig behandeln kann."

Streich für Nagelsmann "positiv verrückt"

Bundestrainer Julian Nagelsmann kennt Streich noch als gegnerischen Trainer aus seiner Zeit in der Bundesliga und spricht von einigen hart umkämpften Momenten. Er unterscheidet zwischen der Zeit während und nach des Spiels. Als Gegner am Spielfeldrand sei Streich "nicht immer ganz angenehm" gewesen. "Da ist er schon sehr sehr ehrgeizig und wild. Aber wenn das Spiel abgepfiffen war, war er sehr, sehr herzlich und 'ne Art Vaterfigur", beschreibt es Nagelsmann.

Der Bundestrainer und sein Streich-Moment

Vor allem eine Begegnung mit dem 58-Jährigen ist Nagelsmann in Erinnerung geblieben. Als Bayern-Trainer spielte er gegen Streich und sein Team. "Dann kam er raus und sein Pressesprecher hat zu ihm gesagt, er muss zum Interview von Sky. Und er hat gesagt, er kann noch nicht, er will erst noch mein Interview zu Ende lesen." Streich ging wieder in die Kabine und las ein großes Interview von Nagelsmann in der FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung). "Und kam dann wieder nach drei Minuten und hat gesagt, dass ihn das sehr beeindruckt hat und ihn auch die Geschichte mit meinem Papa sehr berührt hat. Und 25 Minuten vom Spiel war ihm das so wichtig, das noch zu lesen und mir das dann auch mitzugeben, dass er gewisse Dinge jetzt besser versteht, warum ich wie handle und dass ihn das sehr beeindruckt hat."

"Und das hat mir schon gezeigt, dass der Trainer Christian Streich ein noch viel größerer Mensch ist, als er als Trainer ist."

Für Nagelsmann ein sehr bedeutender Moment in seiner Karriere: "Weil ich gemerkt habe, dass es in der Branche, die ja nicht immer ganz menschlich zugeht, auch andere Typen gibt, die einen großen und weiten Horizont haben und auch andere Dinge in den Fokus rücken und nicht 'nur' das schnöde Spiel, was danach folgte."

Danke Christian 🙏 Freiburg verpasst Europa knapp 🥺 DEIN SCF #123 SWR Sport

Streich und seine Spieler

Auch für seine Spieler war Christian Streich besonders. Viele hat er über Jahre begleitet, so wie Vincenzo Grifo. 2015 kam er erstmals zum SCF, seit 2019 ist er dauerhaft in Freiburg. Und kennt dort nur den einen Trainer, dem er viel zu verdanken hat: "Da war ich noch ein junger Bursche, ein junger Kerle und habe noch nicht so viel vom Leben gewusst. Und er hat mich einfach sportlich, aber auch menschlich weiterentwickelt."

Grifo und sein Auto, Streich und sein Fahrrad

Streichs Bodenständigkeit beeindruckt Grifo. Und lässt ihn über Dinge anders denken: "Der Coach kommt tagtäglich mit dem Fahrrad 20 Kilometer hierher gefahren und ich soll dann mit einer Mords-Karre, die dann einen gewissen Wert hat, dann auf den Hof fahren. Wenn das unser Chef nicht macht, warum sollen wir Spieler das dann machen?" Grifo ist gelernter Mechaniker, ein Auto-Liebhaber und sagt "ich glaube, ein schönes Auto darf man auch fahren, wenn man eine gewisse Reife hat und wenn man gut damit umgehen kann". Und trotzdem zeigt Streichs Bodenständigkeit auch in diesem Fall Wirkung: "Ich habe mich da nicht getraut, hier her zu fahren und das ist auch gut so."

Christian Streichs Ära in Freiburg ist zu Ende. Wohin sein Weg führt, das bleibt vorerst offen. Aber klar ist, er hinterlässt Spuren bei ganz Vielen im deutschen Fußball.

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Kira Rutkowski, Tom Bartels, Claus-Peter Hufer
Autor/in
Désirée Krause