Die Mitglieder der TSG Hoffenheim haben am Montagabend Jörg Albrecht zu ihrem neuen Vereinspräsidenten gewählt. Damit sind die Probleme aber längst noch nicht gelöst. SWR-Sportreporter Kersten Eichhorn mit einer Einschätzung.
Das Positive vorweg: Die TSG Hoffenheim lebt. Mehr als 1.000 Mitglieder, so viele wie noch nie, haben am Montagabend in der Sinsheimer Stadthalle in einer turbulenten, stimmungsvollen, manchmal auch atmosphärisch aufgeheizten Mitgliederversammlung demokratisches Vereinsleben zelebriert und mit Jörg Albrecht, 55, ihren neuen Präsidenten gewählt. Mit allem was dazugehört. Mit unterschiedlichen Lagern, Strömungen, Meinungen und auch der dazugehörigen Kritik. Über die eine oder andere Unzulänglichkeit in der Durchführung des Zusammenseins mögen wir an dieser Stelle das Mäntelchen des Schweigens decken.
Das Negative: Die Mitgliederversammlung mit der Wahl des neuen Vereinspräsidenten war, wie schon im Vorfeld, mit Stimmen und Stimmungen durchzogen, die teilweise deutlich unter die Gürtellinie gingen. Nicht nur Interims-Präsidentin Simone Engelhardt zeigte sich zu Recht "entsetzt" über Vorwürfe, Anfeindungen und den "Shitstorm" gegen die Vereinsführung in den vergangenen Wochen. Auch der Versuch der organisierten Hoffenheimer Fan-Szene, den Präsidentschaftskandidaten Albrecht, Sinsheims Ex-OB, bereits im Eingangsbereich der Stadthalle mit Flugblättern ein weiteres Mal als "Marionette" von Mäzen Dietmar Hopp zu diskreditieren, wirkte, wie auch spätere lautstarke Missfallensbekundungen vor und nach der Wahl, reichlich geschmacklos und unfair.
Fußball | Bundesliga "Aufruhr" abgewendet - Jörg Albrecht neuer Präsident der TSG Hoffenheim
Die Mitgliederversammlung der TSG Hoffenheim war mit Spannung erwartet worden. Am Montagabend (02.09.2024) wurde mit dem ehemaligen Sinsheimer Bürgermeister Jörg Albrecht ein neuer Präsident gewählt.
Der Herausforderer stellte sich erst am Wahlabend
Immerhin aber muss man dem Teil der TSG-Anhänger, die seit dem Rauswurf von Ex-Sportgeschäftsführer Alexander Rosen offen gegen die Vereinsführung revoltieren, zugute halten, dass sie nicht nur in Wort und Schrift attackieren, sondern mit Marvin Rotermundt, einem 29-Jährigen Fan aus Dinkelsbühl, einen Gegenkandidaten zum Sinsheimer Ex-Oberbürgermeister Albrecht ins Rennen schickten.
Der junge Mann hat Mut bewiesen sich zu stellen, alle Achtung. Dass er am Ende bei der Kampfabstimmung mit 123 zu 273 Stimmen der wahlberechtigten Mitglieder gegen Jörg Albrecht chancenlos geblieben ist, war abzusehen. Das Duell wäre möglicherweise deutlich spannender verlaufen, hätte sich der Kandidat nicht bis zu seiner Vorstellung am Montagabend anonym verhalten. So konnten sich die meisten Mitglieder im Vorfeld der Versammlung kein Bild über den Herausforderer als mögliche Alternative machen.
Die Kuriosität eines unbekannten Präsidentschaftskandidaten
Eigentlich ist es sowieso ein Kuriosum und für die Vereinssatzung eines Bundesligisten nicht akzeptabel, dass ein "Mister X" als Präsidentschaftskandidat bis kurz vor der Abstimmung völlig unbekannt bleiben kann, seine besondere Eignung für das wichtige Amt als künftiger Gesellschafter der Spielbetriebs-GmbH nicht nachweisen muss, eine Art vorgeschaltete "Präsidentschaftsfindungskommission", wie bei vielen anderen Erstligisten üblich, fehlt.
Immerhin handelt es sich bei der TSG Hoffenheim um ein millionenschweres mittelständisches (Fußball-) Unternehmen mit rund 400 Mitarbeitern und entsprechender Verantwortung in den Ämtern. Nicht nur in diesem Bereich besteht bei der TSG satzungsbedingt Handlungsbedarf, um nicht auf dem gefühlten Stand eines Kreisligisten zu agieren.
Schwieriges Amt für Jörg Albrecht
Jörg Albrecht jedenfalls, nach seiner Wahl emotional gezeichnet von der hitzigen Stimmung, hat zweifellos ein schwieriges Amt für die nächsten drei Jahre angetreten. Ungeliebt in der Fankurve, zeigte der 55-Jährige aber spontan die richtige Reaktion, als er noch auf der Bühne der Stadthalle seinen Kritikern die Hand entgegenstreckte und ihnen jede Art von Gesprächen und Austausch anbot, um zusammenzukommen. Sein Vorteil könnte sein, dass er sich als langjähriger OB darin auskennt, unterschiedliche Interessen in einem Konsens zusammenzuführen. Und, nicht zu unterschätzen: Er spricht als gebürtiger Sandhäuser die Sprache der Kurpfälzer, kennt die Mentalität der Menschen in der Region.
Wie groß ist noch immer der Einfluss von Dietmar Hopp?
Aber Jörg Albrecht muss jetzt auch zeigen und beweisen, dass er in seinem neuen Amt unabhängig vor allem die Interessen des Vereins vertritt, und nicht nur - wie von den Ultra-Fans vorgeworfen - der Meinung und den Entscheidungen von Mäzen und Hauptgesellschafter Dietmar Hopp folgt. Bei allen Verdiensten von Hopp, der übrigens bei der Mitgliederversammlung nicht mit dabei war, die Stimmrechtemehrheit (50+1) ist schließlich längst wieder zum eingetragenen Verein zurückgekehrt.
Andererseits darf man auch die Interessen von Dietmar Hopp nicht unberücksichtigt lassen: Dass es ohne die Anschubfinanzierung des SAP-Mitbegründers keinen Bundesligafußball im Kraichgau gäbe, muss an dieser Stelle nicht ausführlich erwähnt werden, ein Ende des Engagements hätte möglicherweise fatale Folgen für den Verein.
Kann sich das Hoffenheimer Umfeld beruhigen?
Bleibt zu hoffen, dass sich das Hoffenheimer Umfeld jetzt wieder beruhigt. Zumal Interims-Präsidentin Engelhardt erstmals öffentlich in einem langen Statement durchaus schlüssig die sportlichen und atmosphärischen Begründungen für die, aus Vereinssicht, überfällige Trennung von Ex-Sportchef Rosen lieferte: Vertrauen verloren, keine zufriedenstellende Kaderplanung, keine Perspektive. Gerne würde man demgegenüber auch die andere Seite - die von Alexander Rosen - hören.
Für den Erfolg geht es nur gemeinsam
Stellt sich die Frage, wie tief die Gräben im Verein tatsächlich sind. Und der eine oder andere sollte sich dabei vielleicht ins Gedächtnis rufen, dass es auch bei der TSG letztlich "nur" um Fußball geht. Nur gemeinsam und im Schulterschluss Verein und Fans kann es gelingen, in der Bundesliga auch über das 18. Jahr hinaus erfolgreich zu sein, zumal die Akzeptanz der TSG Hoffenheim außerhalb des Kraichgaus nach wie vor nicht besonders ausgeprägt ist. Von einem Stimmungsboykott, wie in den beiden ersten Bundesligaspielen, ist in erster Linie die Mannschaft um Trainer Pellegrino Matarazzo betroffen. Zumal sie sportlich nach allen Unruhen, komplizierter Kaderplanung und schwachem Saisonstart aktuell schwer in den Seilen hängt, jede Art der Unterstützung dringend benötigt.
Die TSG Hoffenheim lebt. Jetzt muss sie es auch wieder gemeinsam im Stadion zeigen.