So haben Stammgäste das Schwarze Café in Reutlingen gerettet

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Autor/in
Michael Richmann
SWR Sport-Redakteur Michael Richmann
Mike une Martin vor ihrer Kneipe
Eine Schließung kam für Mike und Martin nicht infrage.
Mike und Martin in ihrer Kneipe
Mike und Martin in ihrer Kneipe.
Martin sitzt an der Theke
Die Kneipe ist für Martin sein zweites Wohnzimmer.
Mike bei der Renovierung der Toiletten.
Die Renovierung forderte vollen Einsatz: Mike beim Fliesen der Toiletten.

Das Schwarze Café in Reutlingen ist eine Kneipe für schräge Vögel. Im Sommer 2020 stand es vor dem Aus. Einige Stammgäste wollten ihr „Wohnzimmer“ nicht aufgeben und suchten eine Lösung.

Das Schwarze Café in Reutlingen sieht auf den ersten Blick aus, wie eine Baustelle. Die beigen Fliesen wirken, als stammen sie noch aus den 1950ern. Die Möbel, als hätten sie schon hitzige Diskussionen über das angedachte Atomkraftwerk in Mittelstadt und die deutsche Wiedervereinigung gehört. Und bei der Tapete ist auch nicht so ganz klar, ob die Farbe gewollt oder doch das Resultat von mehreren Jahrzehnten Zigaretten-Qualm ist. Kurzum: Das Etablissement in der Nürtingerhofstraße Nummer 6 ist ganz schön abgeranzt.

Und erst auf den zweiten Blick wird klar: Das soll so! Denn es ist „genau das Abgeranzte“, was das Schwarze Café für Martin so besonders macht.

So ein Lokal das gibt es nicht noch einmal in Reutlingen. In dieser Stadt ist alles relativ gediegen und schön und modern. Hier schweben noch andere Geister drinnen in diesem Haus, in diesem Mauern.

Kneipe steht plötzlich vor dem Aus?

Für ihn ist es ein Ort für schräge Vögel. Charaktere wie Iggy Pop, Tom Waits und Bill Murray aus Jim Jarmuschs skurriler Independent-Komödie „Coffee & Cigarettes“, die eine Stammgästin vor einigen Jahren an die Wand gemalt hat. „Diese Charaktere haben sich hier irgendwie versammelt und eine Heimat gefunden“, sagt Martin.

Doch im Sommer 2020 stand diese Heimat plötzlich vor dem Aus – kein Ordnungsamt, keine Insolvenz, kein Corona stand dem Schwarzen Café im Weg. Der alte Pächter ging schlicht und einfach in den Ruhestand.

Das Schwarze Café musste renoviert werden

Schnell war klar: Wer den Laden pachten und kommerziell erfolgreich betreiben möchte, müsste viel Geld investieren. Daher war der Quereinstieg in die Gastronomie für den gelernten Jugend- und Heim-Erzieher denkbar unattraktiv. Zwar fanden sich hier und dort einige Interessenten, die das Schwarze Café pachten und – womöglich mit einem ganz anderen Konzept – weiterführen wollten, doch der große Renovierungsbedarf habe wohl einige abgeschreckt, meint Martin.

Was also tun?

Ein Verein als Lösung für das Schwarze Café

Martin und acht weitere Stammgäste gründeten einen Verein, dessen vorrangiges Ziel es ist, das Schwarze Café am Leben zu erhalten. Sozusagen: Ein Verein für schräge Vögel. Und die schauten ganz schön pikiert aus der Wäsche, als ihnen klar wurde, dass ausgerechnet die in ihren Augen wohl spießigste deutsche Erfindung nach der Blümchen-Tapete und draußen nur Kännchen, die wohl beste Lösung für ihr Problem ist: „Um eine Form zu finden, in der man zusammen dieses Ding betreiben kann, ist uns nichts Schlaueres eingefallen, als der Verein. Obwohl wir alle echt mit den Augen gerollt haben, bei der Vereinsgründung, weil keine Vereinsmeier dabei sind”, sagt Mike, der Chef-Handwerker der schrägen Vögel.

Doch auch sie mussten auf dem Weg zur Wiedereröffnung einige Hürden nehmen. Vor allem die Klos waren nach 30 Jahren Gastronomie baufällig. Bevor der Verein jedoch neue Fliesen verlegen konnte, mussten die Handwerker erst einmal die Wände in dem Altbau begradigen und neu verputzen. Allerdings waren die sanitären Anlagen noch das geringste Problem.

Hohe Hürden vor dem Kneipen-Umbau

So hat das deutsche Vereinsrecht lange Zeit verhindert, dass der Verein überhaupt ein Konto führen darf. Also haben sich Martin und Mike erstmal durch reihenweise Paragraphen gefräst, damit Verein und Café auf rechtlich sicheren Füßen stehen. Und darum sagt der hagere Typ mit den schwarz gefärbten Haaren und dem Undercut mittlerweile Sätze wie: „Das ist alles eigentlich überhaupt nicht meine Sache. Aber ich muss es halt machen – im Sinne des Vereins.“

Das war noch nie das feinste Lokal am Platz, sondern schon immer ein bisschen schräg. Und so muss es auch bleiben.

Im Schwarzen Café bleibt hingegen alles beim Alten, hofft Mike: „Das war noch nie das feinste Lokal am Platz, sondern schon immer ein bisschen schräg. Und so muss es auch bleiben.“ Damit die schrägen Vögel von Reutlingen auch weiterhin ein gemütliches Zuhause haben.

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