Obduktion

Über 80 Prozent sind "an" und nicht "mit" einer Covid-19-Infektion gestorben

Stand
Autor/in
Pascal Kiss
Onlinefassung
Antonia Weise

In Deutschland sind laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) im Laufe der Corona-Pandemie mehr als 120.000 Menschen an den Folgen einer Infektion gestorben. Doch sind sie "an" oder "mit" Corona gestorben?

Was bedeutet „an“ oder „mit“ Corona gestorben?

Diese Frage stellen sich bereits seit Beginn der Pandemie viele Menschen. Doch was bedeutet das? „An“ Corona sterben heißt in dem Fall: Die Corona-Infektion und die Folgen der Covid-Erkrankung haben zum Tod geführt. Wenn von Verstorbenen „mit“ Corona" gesprochen wird, waren Menschen mit Corona infiziert, sind aber aus einem anderen Grund gestorben.

Das Institut für Pathologie der Uniklinik Aachen hat im April 2020 angefangen, ein Autopsie-Register aufzubauen. Autopsien sind schlussendlich die einzige Möglichkeit, um festzustellen, was bei einem Menschen zum Tod geführt hat. Die ersten Ergebnisse der Studie zeigen ein eindeutiges Ergebnis.

Wie viele Patienten sind nun "an", wie viele "mit" gestorben?

Mit über 1000 untersuchten Fällen ist es die größte Untersuchung weltweit. Herausgekommen ist, dass bei 86 Prozent der Fälle die Coronainfektion die direkte Todesursache war. Diese Menschen sind also „an“ Corona gestorben. Bei lediglich 14 Prozent war Covid-19 nur eine Begleiterkrankung.

Dabei handelt es sich um Daten der ersten drei Corona-Wellen. Mit einer großen Wahrscheinlichkeit ist die Lage bei der Omikron-Variante eine andere. Hier ist davon auszugehen, dass mehr Menschen „mit“ Corona sterben und die Infektion nicht die einzige Ursache für den Tod darstellt. Allerdings ist die Datenlage noch zu gering.

Was ist die häufigste Todesursache der Fälle, die „an“ COVID-19 gestorben sind?

Bei Personen, die wegen der Corona-Infektion gestorben sind, lag es vor allem an den starken Schäden in der Lunge. Man spricht auch von einer diffusen Alveolarschädigung. Alveolar steht dabei für Lungenbläschen, die durch das Virus so sehr kaputt sind, dass im Blut nur noch sehr wenig Sauerstoff ankommt.

Röntgenbild der Lunge
Häufig greift das Coronavirus die Lunge an. Viele können schwerer atmen und der Körper ist mit Sauerstoff unterversorgt.

Durch den Sauerstoffmangel kommt es dann zu einem Multiorganversagen. Vor allem Patienten, die mehrere Wochen nach den ersten Symptomen überlebt haben, sind dann am Ende an einem Multiorganversagen gestorben.

Deutlich seltener gab es Hinweise auf eine Lungenembolie, also eine gefährliche Verstopfung in der Lunge.

Fall „mit“ Corona gestorben: Was ist die häufigste Todesursache? Welchen Anteil hat COVID-19 daran?

Bei der Bestimmung der Todesfälle wird immer eine Art Ereigniskette erstellt. Wenn ein Patient also an akuter Atemnot gestorben ist, muss die organische Ursache nicht immer auf die großen Schäden in der Lunge zurückzuführen sein, sondern zum Beispiel auf eine Lungenembolie. Es können also mehrere Ursachen für den Tod infrage kommen, welche zunächst untersucht und nacheinander ausgeschlossen werden müssen.

Im Fall von Covid-19 heißt das: Die meisten Patienten, welche nicht wegen sondern mit Corona gestorben sind, hatten Herz-Kreislaufprobleme, die ganz unterschiedliche Ursachen haben können. Zum Teil auch neurologische Ursachen, bei denen noch umstritten ist, ob die als direkte Todesursache durch das Coronavirus gelten sollen.

Wie verlässlich sind die gemeldeten Zahlen der Corona-Toten?

Die neue Analyse zeigt ganz klar: Nicht alle Corona-Toten sind wegen der Virusinfektion gestorben, deswegen wird auch immer von Todesfällen im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion gesprochen. Was jedoch beim Blick auf die Gesamtstudienlage eindeutig ist, ist dass ein sehr großer Teil der Menschen in Europa (um die 85 Prozent) etwa in direkter Folge an Corona sterben. Das zeigen auch weitere Studien.

Krankenpfleger*innen behandeln auf der Intensivstation der Uniklinik Aachen einen Covid-19 Patienten.
Krankenpfleger*innen behandeln auf der Intensivstation der Uniklinik Aachen einen Covid-19 Patienten. Oft brauchen Intensivpatienten eine Maschine, welche die Funktion der Lunge übernimmt und Sauerstoff sowie Kohlenstoffdioxid im Blut austauscht.

Auf der anderen Seite gibt es eine Dunkelziffer von Verstorbenen mit Corona, bei denen die Infektion nie festgestellt wurde. Das heißt: Todesfälle, die nicht entdeckt wurden.

Seit wann gibt es das Autopsie-Register? Wer meldet das alles?

Das Register gibt es seit April 2020, recht früh nach Ausbruch der Pandemie. 33 Kliniken – davon sind die allermeisten Unikliniken – haben sich dafür zusammengeschlossen. Das Register hat den Anspruch möglichst viele Covid-19-Obduktionen abzudecken, was laut eigenen Angaben auch gut funktioniert: 80 bis 90 Prozent aller Obduktionen von Verstorbenen mit einer bestätigten Corona-Infektion sind in dem Register eingetragen.

Da laut den Autoren der Aachener Studie insgesamt über 1000 Fälle berücksichtigt worden sind, macht das etwa ein Prozent aller Todesfälle im Zusammenhang mit einer Covid-19-Infektion aus. Die Auswertung lief dabei bis Oktober 2021.

Damit ist von einer sehr guten Datenbasis auszugehen, die allerdings nur für jene Corona-Toten repräsentativ ist, die im Krankenhaus behandelt wurden. Denn nur diese Patienten kommen für eine Obduktion infrage.

Mann in der Pathologie bereitet Material für Autopsie vor
Um die Todesursache einer verstorbenen Person festzustellen, wird ein Autopsie des Leichnams gemacht. Dabei wird die Leiche genau untersucht.

Welchen Nutzen haben die Ergebnisse der Studie?

Das Register und dessen Ergebnisse sind wichtig, um das Coronavirus besser zu verstehen. Im Herbst und Winter rechnen Fachleute mit einer weiteren Krankheitswelle. Um Patienten mit schweren Verläufen in Zukunft noch besser helfen zu können, sind Obduktionen immer noch wichtig. Wenn neue besorgniserregende Virusvarianten entstehen, macht das Register wichtige Vergleiche möglich. So kann beobachtet werden, wie sich das Virus jetzt im Körper verhält und ob sich auch die Ursachen für tödliche Verläufe verändern.

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Pascal Kiss
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Antonia Weise