Anhaltende Hitze kann die Gesundheit gefährden

Klimawandel und Gesundheit

Hitze – wie man sich am besten schützt

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INTERVIEW
Jochen Steiner im Gespräch mit Dr. Nathalie Nidens
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Antonia Weise

Länger anhaltende Hitze kann uns krank machen. Wie können wir uns gesundheitlich vor den Hitzefolgen schützen?

Viele leiden erheblich unter den hohen Temperaturen. Vor allem für ältere Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen kann das eine mitunter lebensbedrohliche Belastung sein: Sonnenstich, Hitzschlag oder Schlaganfall könne mögliche Folgen sein. Die Ärztin Nathalie Nidens (KLUG e.V. - Klimawandel und Gesundheit) gibt Tipps, wie wir am besten mit der Hitze umgehen können.

Welche Gesundheitsgefahren gibt es durch Hitze? Was sind die häufigsten gesundheitlichen Folgen?

Nidens: Hitze selbst ist zunächst einmal Schwerstarbeit für den menschlichen Körper. Die Körpertemperatur muss in einem für uns funktionierenden Bereich gehalten werden. Die mögliche Hitze-Krankheit kann in einem milden Bereich auftreten, aber auch bis zum tödlichen Hitzschlag reichen. Dann gibt es noch sogenannte Hitze-assoziierte Erkrankungen. Wir sehen, dass bei Hitze das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte ansteigt, Atemwegserkrankungen verschlimmert werden. Es kann außerdem zu Nierenfunktionsstörungen oder Nierenversagen kommen. Auch die psychische Gesundheit verschlechtert sich.

Kleines Kind mit Sonnenhut trinkt aus einer Flasche
Bei der Hitze sollte man darauf achten, immer genug zu trinken.

Im schlimmsten Fall sterben Menschen auch in Deutschland an den Folgen von Hitze. Wie viele sind das pro Jahr?

Nidens: Wir haben in Deutschland mathematische Berechnungen, Schätzungen zu hitzebedingten Sterbefälle. Besonders in heißen Jahren gibt es bis zu 10.000 Todesfälle. In der neuesten Veröffentlichung des Robert Koch-Instituts wurden für die Jahre 2008 bis 2020 rund 19.000 hitzebedingte Sterbefälle in Deutschland verzeichnet.

Wer ist besonders gefährdet, an den Folgen von Hitze gesundheitlich zu erkranken?

Nidens: Das sind einerseits die älteren Menschen ab ungefähr 65 Jahren. Das hängt mit den natürlichen Alterungsprozessen zusammen. Da können diese körpereigenen Kühlmechanismen nicht mehr so effizient arbeiten, das Durstgefühl sinkt. Es sind aber auch Säuglinge, Kleinkinder und Schwangere, insbesondere Menschen, die Vorerkrankungen haben oder unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen leiden.

Des Weiteren können bestimmte Medikamente in diese Temperatur-Mechanismen eingreifen. Mit dem Arzt oder der Ärztin sollte gesprochen werden, ob Anpassungen erfolgen müssen.

Auch Menschen, die im Freien arbeiten, schwer körperlich arbeiten, alleinstehend sind - Obdachlose, die keinen Schutz vor der Hitze haben und auch nicht an Trinkwasser kommen, sind gefährdet.

Mann im Rollstuhl streichelt ein Labrador, der die Zunge rausstreckt
Nicht nur älteren Menschen macht die Hitze zu schaffen. Auch Tiere leiden unter den hohen Temperaturen.

Wie kann man ältere und jüngere Menschen am besten schützen?

Nidens: Es ist absolut wichtig, dass Pflegeheime und Kitas etwas tun. Hitzeschutz gehört gerade jetzt auf die Agenda, um Sorge, insbesondere gegenüber den vulnerablen Gruppen, zu tragen. Im Grunde müssen Einrichtungen selber Hitze-Schutzkonzepte erarbeiten. Sie müssen also schauen: Was kann man im Sommer in der akuten Situation tun?

Damit in relevanten Situationen alle Beteiligten an einen Tisch kommen und schauen, wie sensibilisieren wir Mitarbeiter*innen für das Klima. Also, dass auch alle über Hitze-Erkrankungen Bescheid wissen. Vielleicht in einer Schule, ein Kind, dem es schlecht geht.

Aber auch für ganz einfache Maßnahmen: Wie können wir die Räume kühl halten? Was gibt es für Möglichkeiten, auch den Körper abzukühlen?

Was können wir selbst tun, damit der Körper nicht überhitzt?

Nidens: Die Nummer eins wäre, die Hitze zu vermeiden. Wenn eine Hitzewelle ist, draußen 37 Grad sind, dann gehe ich nicht in der Mittagssonne Joggen. Sport eher auf die frühen Morgenstunden und in den Abend legen. Den Körper selbst abkühlen, zum Beispiel durch eine kühle Dusche oder luftige und lange Bekleidung.

Die Räume von innen kühl zu halten, am besten von außen mit einem Sonnenschutz. Wenn die Temperaturen in der Wohnung so hoch sind, dass man die auch selber nicht mehr runtergekühlt bekommt, sollte man nach einem kühlen Ort schauen. Das kann zum Beispiel ein schattiger Platz sein, eine Kirche, klimatisierte öffentliche Gebäude, Museen, Einkaufszentren, wo man auch mal für zwei, drei Stunden hingeht, um den Körper die Pause zu geben.

Mann joggt bei Hitze
Körperliche Anstrengungen wie Joggen, sollten eher in den frühen Morgenstunden stattfinden.

In heißen Jahren gibt es mehr als 10.000 Hitzetote. Woher kommt diese Diskrepanz, wo es doch eigentlich so einfach ist, der Hitze zu entfliehen?

Nidens: Dafür gibt es verschiedene Gründe. Aus meiner persönlichen Erfahrung sehe ich, dass Hitze in der Vergangenheit unterschätzt wurde. Es wird als Problem der Zukunft wahrgenommen, was mit dem Klimawandel noch auf uns zukommen wird. Wir sehen jedoch auch, dass sich die Einstellung zum Thema Hitze gerade in den letzten Wochen gewandelt hat.

Aber es ist auch ein stilles Leiden, ein stilles Sterben, das kein plötzliches Ereignis ist. Wir erfassen die Hitzetoten und die Erkrankungen nicht einzeln. Diese Zahlen, die wir haben, das sind nur Schätzungen, die einmal im Jahr oder alle paar Jahre erfasst und veröffentlicht werden.

Es ist zum Teil ein unsichtbares Leid. Praktisch gesehen, weil es auf politischer Ebene unter anderem an Koordination und Klärung von Verantwortlichkeiten fehlt. Wir haben in Deutschland keine gesetzliche Verankerung von Hitzeschutz. Kommunen verweisen dann beispielsweise auf die zentrale Koordinationsstelle in ihrem Bundesland hin. Länder sagen, es ist kommunale Aufgabe. Man bräuchte eine gesetzliche Regelung, wer was zu tun hat.

Illustration eines menschlichen Herzes und Kardiogramm
Bei Hitze steigt das Risiko für Herzinfakte.

Wäre ein Hitzeschutzplan, wie er zum Beispiel in Berlin entwickelt wird, ein guter erster Schritt?

Nidens: Was man vor allem in Berlin sieht ist, dass die Gesundheitsakteur*innen mit einbezogen werden. Sie sind in der Planung, Entwicklung und Umsetzung spezifischer Pläne, für beispielsweise Pflegeheime, Krankenhäuser, hausärztliche Praxen dabei. Und das ist es, was im deutschlandweit bisher noch fehlt.

Was auch nicht gelungen ist, dass wir nicht nur einen Plan für eine Stadt haben, der auf langfristige Maßnahmen abzielt, sondern wir brauchen einen, bei dem auch die Gesundheitseinrichtungen mit beteiligt sind und auch mit akuten Maßnahmen, die noch in diesem Sommer zum Teil eingesetzt werden können.

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