Illustration eines Kinderkopfes, in dem sich - unter dem Einfluss von Alkohol - viele Zahnrädchen drehen. Das Eigenbrauer-Syndrom ist einer eher seltene Erkrankung, bei der der Körper selbst größere Mengen Alkohol produziert. Betroffene fühlen sich wie betrunken, ohne selbst Alkohol konsumiert zu haben.

Medizinische Kuriosität

Eigenbrauer-Syndrom - Wenn der Körper selbst Alkohol produziert

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Veronika Simon
Portraitbild von Veronika Simon, Multimedia-Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell
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Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Das Eigenbrauer-Syndrom ist eine seltene Krankheit, bei der der Körper Alkohol produziert. Die Folge: Symptome von Trunkenheit, ohne Alkoholkonsum.

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Sieben Mal wurde eine 50-jährige Frau aus Kanada wegen einer Alkoholvergiftung in der Notaufnahme vorstellig. Doch sie gab jedes Mal an, keinen Alkohol getrunken zu haben. Nun beschrieben die Forschenden den Fall: Die Frau hat das Eigenbrauer-Syndrom. Bei dieser Krankheit bildet der Körper der Betroffenen selbst Alkohol.

Schon vor einigen Wochen sorgte das kuriose Syndrom für einen kleinen medialen Hype. Damals war ein Mann in Brügge angeklagt, weil er zweimal mit erhöhten Blutalkoholwerten Auto gefahren sein soll. Er wurde aber freigesprochen, weil er ebenfalls das Eigenbrauer-Syndrom hat.

Geringe Mengen von Alkohol werden in jedem "normalen" Darm produziert

Dass in unserem Körper Alkohol entsteht, ist erstmal nicht so ungewöhnlich. Denn in uns leben Pilze und Bakterien, die helfen zum Beispiel bei der Verdauung. Einige stellen dabei Ethanol, also Alkohol, her und geben ihn in den Darm ab. Normalerweise bemerken wir davon nichts. Es handelt sich meist um sehr kleine Mengen.

Mikrobiom des Darms spielt wichtige Rolle bei Eigenproduktion von Alkohol

Manchmal gerät allerdings die Zusammensetzung des Mikrobioms, also der Pilze und Bakterien, die zum Beispiel in unserem Darm leben, aus der Balance. Das kann verschiedene Gründe haben: Bestimmte Erkrankungen, aber auch die Ernährung, Stress und eine häufige Einnahme von Antibiotika kann einen negativen Einfluss haben.

In sehr seltenen Fällen kann es da passieren, dass sich genau die Pilze oder Bakterien extrem vermehren, die Alkohol herstellen. Und das tun sie dann auch: Das Ergebnis sind größere Mengen Alkohol, die ins Blut übergehen.

Das Eigenbrauer-Syndrom ist einer eher seltene Erkrankung, bei der der Körper selbst größere Mengen Alkohol produziert. Entscheidend ist dabei auch das Mikrobiom des Darms.
Das Eigenbrauer-Syndrom ist einer eher seltene Erkrankung, bei der der Körper selbst größere Mengen Alkohol produziert. Entscheidend ist dabei auch das Mikrobiom des Darms.

Auch im Körper selbst erzeugter Alkohol kann betrunken machen

Für die Betroffenen bedeutet das: Sie sind ständig betrunken, auch wenn sie nichts zu sich genommen haben. Denn dem Körper ist es egal, woher der Alkohol stammt, der im Blut kursiert. Der Effekt ist der gleiche, ob er durch ein Getränk im Darm landet oder durch Pilze, die ihn herstellen.

Für die Betroffenen ist das alles andere als lustig: Sie haben ständig Ausfallerscheinungen wie bei einem Alkoholrausch. Ihnen ist schwindelig, sie können sich schlecht konzentrieren, haben immer wieder einen Kater. Und sie wissen nicht wieso. Dazu kommen langfristige, gesundheitliche Folgen des Alkohols wie Leberprobleme. Außerdem wird ihnen natürlich immer wieder unterstellt, alkoholkrank zu sein und eben doch heimlich zu trinken.

Medikamente und Ernährungsumstellung können bei Eigenbrauer-Syndrom helfen

Aber es gibt auch gute Nachrichten: Wenn einmal entdeckt wurde, dass man an diesem Eigenbrauer-Syndrom leidet, können die Pilze, die in den meisten Fällen dahinter stecken, mit Medikamenten bekämpft werden. Außerdem kann man die Ernährung umstellen, denn die Pilze mögen gerne Kohlenhydrate. Wenn sie die nicht mehr kriegen, stellen sie auch keinen Alkohol mehr her.

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