Medizin

Deutlich mehr Pilzinfektionen mit Candida auris

Stand
Interview
Jochen Steiner
Onlinefassung
Martina Janning

Im Jahr 2023 gab es sechsmal so viele Pilzinfektionen mit dem Hefepilz Candida auris wie in den Vorjahren. Ein Problem sind die zunehmenden Resistenzen gegen Antimykotika. Was tun?

Pilzinfektionen mit Candida auris haben zugenommen. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 77 Fälle von Candida auris erfasst - sechsmal mehr als in den Vorjahren. Das Problem bei diesem Hefepilz ist: Die Resistenzen gegen Antimykotika nehmen zu. Ein Gespräch mit Alexander Aldejohann vom Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Uni Würzburg und vom Nationalen Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.

Resistente Typen von Candia auris werden zur Herausforderung

SWR: Was ist das Gefährliche an Candida auris?

Alexander Aldejohann: Ich denke, dass da verschiedene Faktoren eine Rolle spielen: Zum einen ist sicherlich gefährlich in der Therapie von Candida auris, dass wir zunehmend resistente Phänotypen sehen, das heißt also Isolate, die gegen Antimykotika resistent sind.

Da gibt es auch sehr einprägende Zahlen: 90 Prozent der Isolate sind gegen ein Antimykotikum resistent und sogar 30 Prozent gegen zwei und mehr. Und da wir a priori sowieso nur drei bis vier Antimykotika-Klassen haben, ist das natürlich problematisch. Zudem ist gefährlich und für uns neu, dass dieser Hefepilz von Mensch zu Mensch übertragen werden kann.

Candia auris verbreitet sich seit 2009 weltweit

SWR: Wie kommt Candida auris eigentlich zu uns Menschen? Weil ursprünglich ist er da nicht heimisch gewesen, richtig?

Alexander Aldejohann: Genau. Candida auris wurde 2009 erstmals in Japan beschrieben. Das war eine Patientin, die eine Ohreninfektion hatte und da wurde Candida auris erst regional durch einzelne Fallberichte und dann überregional bis weltweit ein Problem.

Candida auris tritt mittlerweile weltweit auf. Es gibt auch europäische Ausbrüche oder Transmissionen vor allen Dingen in England, seit 2016 Spanien, seit 2018, Italien seit 2019. In Deutschland gab es eine erste Transmission 2022.

Warum und was an Candida auris jetzt auf einmal prävalent wird, das wissen wir nicht. Es gibt verschiedene Theorien, warum Candida auris jetzt auf einmal auftritt. Dazu gibt es zum einen eine Theorie von Kollegen, die eine Assoziation herstellen zum Fungizid-Eintrag in die Landwirtschaft und dass Candida auris sich da über Resistenzen herausselektioniert haben könnte.

Ein anderer Kollege hat die Theorie aufgestellt, dass Candida auris auch ein Kind des Klimawandels sein könnte. Aber wie gesagt: Genaues wissen wir nicht. Das ist derzeit in der Wissenschaft noch alles in der Diskussion.

Für gesunde Menschen ist eine Pilzinfektion mit Candida auris ungefährlich. Trifft der Hefepilz jedoch auf ein geschwächtes Immunsystem und gelangt in den Blutkreislauf, kann es zu einer Blutvergiftung kommen. Diese endet in gut der Hälfte aller Fälle tödlich. Ein Gespräch mit Alxander Altjohann.
Für gesunde Menschen ist eine Pilzinfektion mit Candida auris ungefährlich. Trifft der Hefepilz jedoch auf ein geschwächtes Immunsystem und gelangt in den Blutkreislauf, kann es zu einer Blutvergiftung kommen. Diese endet in gut der Hälfte aller Fälle tödlich.

Candida auris überträgt sich durch Schmutz- und Schmierinfektion

SWR: Wird Candida auris über Tröpfcheninfektion übertragen oder wie ist die Übertragung von Mensch zu Mensch?

Alexander Aldejohann: Nein, Candida auris wird nicht via Tröpfcheninfektion übertragen. Das ist eine klassische Schmutz- und Schmierinfektion. Was sicherlich problematisch ist, das ist, dass Hefen im Allgemeinen und Candida auris im Besonderen sehr gut auf Oberflächen haften und auch überleben kann. Wir Mediziner sprechen von einer hohen Tenazität des Erregers, und das spielt sicherlich auch eine Rolle in den Übertragungen, die wir weltweit beobachten. 

Mehrere Gründe für Anstieg der Pilzinfektionen mit Candida auris möglich

SWR: Warum sind die Fallzahlen so stark angestiegen?

Alexander Aldejohann: Wenn man das Ganze global betrachtet, also allen voran in Amerika, da gehen die Fallzahlen in die Tausende, was Infektion und auch Kolonisierung angeht.

In Deutschland müssen wir tatsächlich sagen, dass wir noch weitestgehend verschont wurden. Dieses Jahr haben wir zwar eine Versechsfachung der Fallzahlen, aber immer noch auf sehr niedrigem Niveau. Und für die normale Bevölkerung geht keine Gefahr von Candida auris aus. Das ist mir auch sehr wichtig noch einmal zu betonen.

Der Anstieg der Fallzahlen mag unterschiedliche Ursachen haben. Zum einen denke ich, dass Medizintourismus eine Rolle spielen kann. Wir leben in einer globalisierten Welt. Ein typischer Risikofaktor ist sicherlich ein vorheriger Krankenhausaufenthalt in Regionen mit hohen Candida auris-Prävalenzen.

Zudem hatten wir jetzt letztes Jahr einen größeren Ausbruch von Candida auris in Deutschland und ich denke, dass das maßgeblich zu den nun erhöhten Fallzahlen beigetragen hat. Auch wenn diese immer noch auf niedrigem Gesamtniveau im internationalen Vergleich sind. 

Ich denke, dass jetzt vor allen Dingen die Chance besteht, noch mal die Kollegen in den medizinischen Berufen für Candida auris zu sensibilisieren. Wie gesagt: Wenn man im internationalen Vergleich schaut, dann kann Candida auris zu einem Hygieneproblem werden. Und wir möchten diese Zeit jetzt nutzen, wo wir noch so wenige Fallzahlen haben, uns sehr gut auf so ein eventuelles Szenario vorzubereiten.

Auf Intensivstationen kann Candida auris zum Problem werden

SWR: Sie haben gerade gesagt, ein Krankenhausaufenthalt kann ein Risikofaktor sein und man nimmt den Pilz sozusagen mit nach Hause. Wenn man dann geschwächtes Immunsystem hat, ist die Gefahr hoch, schwer zu erkranken. Ist das so?

Alexander Aldejohann: Wie gesagt für die Normalbevölkerung geht da sicherlich ein sehr geringes Risiko aus. Die Gefahr steht und fällt mit einem funktionierenden Immunsystem. Das heißt, Candida auris kommt vor allen Dingen bei Intensivpatienten vor, auf Intensivstationen.

Und das sind alles Patienten, die wirklich kritisch krank sind – die zum Beispiel mit Breitspektrum-Antibiotika versorgt werden, die halt auch sehr viel Fremdkörper in ihrem Körper haben und die intensivmedizinisch therapiert werden.

Und genau in diesem Setting kann Candida auris dann invasiv werden, um zu diesem gefährlichen Blutstrom Infektionen führen. Genau das ist das Risiko-Klientel.

Jetzt kann man sich natürlich fragen, was zählt alles darunter. Das sind halt einfach klassische typische Risikofaktoren für eine allgemein-invasive Candida-Infektion. Das heißt: Prolongierte intensivmedizinische Behandlung, auch schwere Corona-Verläufe, schwere Influenza-Verläufe. Also all die Situation, wo das Immunsystem bis an die Grenzen der Belastbarkeit oder darüber hinaus gefordert ist.

Vor allem für Intensivstationen, aber auch für Pflegeeinrichtungen und Seniorenheime stellt Candida auris eine Gefahr für Patient*innen und Bewohner*innen dar, weil der Hefepilz extrem gut an Oberflächen haftet.Vor allem für Intensivstationen, aber auch für Pflegeeinrichtungen und Seniorenheime stellt eine Pilzinfektion mit Candida auris eine Gefahr für Patient*innen und Bewohner*innen dar, weil der Hefepilz extrem gut an Oberflächen haftet. Pilzinfektionen mit Candida auris haben deutlich zugenommen. Der Mediziner Alexander Altjohann im Gespräch
Vor allem für Intensivstationen, aber auch für Pflegeeinrichtungen und Seniorenheime stellt eine Pilzinfektion mit Candida auris eine Gefahr für Patient*innen und Bewohner*innen dar, weil der Hefepilz extrem gut an Oberflächen haftet.

Jedes Labor kann Candida auris nachweisen

SWR: Wie gehen vor, um eine Pilzinfektion mit Candida auris nachzuweisen?

Alexander Aldejohann: Da haben sich vor allen Dingen Selektiv-Medien als sehr nützlich erwiesen. Das sind ganz normale Agarplatten, und wenn sie Hefen darauf ausstreichen, dann imponiert Candida Auris dort in einer bestimmten Farbe. 

Das, was dann passiert, ist, dass wir dann den Verdacht stellen: Okay, hier könnte eine Candida auris-Infektion vorliegen. Dann bestätigen das Ganze via Massenspektronomie an. Damit haben wir in Deutschland ganz gute Erfahrungen mitgemacht.

2009, als Candida auris das erste Mal vorgekommen ist, da konnten wir in Deutschland und auch die Labore weltweit, Candida auris nicht detektieren. Mittlerweile ist Deutschland da sehr gut gewappnet, und jedes Labor kann Candida auris mittlerweile nachweisen, weil die Hersteller dieser Laborgeräte ihre Systeme entsprechend geupdatet haben.

Es gab einen Ringversuch vor ein, zwei Jahren, und dort hat man wirklich gesehen, dass eigentlich jedes Labor in Deutschland, Candida auris detektieren kann.

Der Hefepilz Candida auris ist mittlerweile im Labor gut nachweisbar. Das hilft Infektionen einzudämmen. Die Zahl der Pilzinfektionen mit Candida auris hat sich 2023 versechsfacht.
Der Hefepilz Candida auris ist mittlerweile im Labor gut nachweisbar. Das hilft Infektionen einzudämmen.

Candida auris kann auf Prothesen gut haften

SWR: Ist es richtig, dass Candida auris häufig im Zusammenhang mit Prothesen auftritt?

Alexander Aldejohann: Genauso wie andere Candida-Arten auch, ist Candida auris ein extrem exzellenter Biofilmbildner und kann sich deshalb extrem gut auf solchen Prothesen ansiedeln. Ich denke, dass das mit ein Faktor ist, warum man das sehr häufig sieht. Aber eine direkte Assoziation herzustellen, ist sicherlich schwierig.

Meldepflicht auch für Kolonisationen mit Candida auris wäre sinnvoll

SWR: Die WHO warnt auch vor Candida auris-Ausbrüchen. Was können wir tun, um die Fallzahlen möglichst gering zu halten.

Alexander Aldejohann: Also ich denke, dass noch sehr viel Zeit zu handeln da ist. Wir haben letztes Jahr die Meldepflicht für Candida auris in Deutschland eingeführt. Diese ist aber lediglich für Infektionen gültig. Ich denke, dass das ein gutes Tool wäre, um auch die Kolonisationen auszuweiten.

Bei den Fallzahlen von 2023 sieht man, dass in einer Minderheit der Fälle es wirklich zu einer Infektion gekommen ist und in einer Mehrheit der Fälle zu einer Kolonisation, das heißt zu einer unproblematischen Besiedlung mit Candida auris - zum Beispiel, des Urogenitaltrakts, der Haut, des Gastrointestinaltrakts, der Lunge. Dort ist in der Regel eben keine Therapie erforderlich.

Aber natürlich wollen wir diese Fälle erfassen, um weitere mögliche Transmissionen zu vermeiden. Zudem haben wir als Experten Empfehlungen für Deutschland formuliert, die im Internet frei verfügbar sind, um den Kliniken vor Ort einen Leitfaden an die Hand zu geben.

Maßgeblich, wenn Sie mich fragen, ist doch vor allen Dingen ein multidisziplinäres Outbreak-Panel, wenn es eben zu dem Verdacht eines Ausbruchs an einem Haus kommt.

Und da spielt wirklich die Multiprofessionalität eine Rolle. Das heißt, da sollten sich wirklich die Ärzte, die Pfleger, das Reinigungspersonal, die Hygiene und auch wir als Referenzzentrum mal kurz zusammenschließen und auf Ursachensuche gehen und auch Maßnahmen beschließen, um möglichst schnell solche möglichen Ausbrüche oder Transmissionen einzudämmen. 

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Doc Fischer SWR Fernsehen

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