Der Begriff „Mitteldeutschland“ hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Ältere Zeitgenossen unter uns werden sich daran erinnern, dass „Mitteldeutschland“ in der Zeit des Kalten Krieges auch als Synonym für die DDR verwendet wurde.
Die Idee dahinter war: Die Bundesrepublik hat die DDR offiziell nicht anerkannt. Und es existierte ja bis zur Wiedervereinigung offiziell auch keinen Friedensvertrag, der die deutschen Grenzen eindeutig festhielt. Es gab – vor allem auf der sehr konservativen Seite des Parteienspektrums – folgende Auffassung: Solange die Grenzen nicht völkerrechtlich geklärt sind, betrachten wir Deutschland in den Grenzen von 1937 – also mit Ostpreußen, Schlesien und Pommern. Nach dieser Logik bilden diese Gebiete „Ostdeutschland“, während die „Sowjetisch besetzte Zone“ – also die DDR – in der Mitte lag, zwischen dem „westlichen“ und dem „östlichen“ Deutschland, das man noch immer hinter der Oder-Neiße-Linie verortete.
Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze und Wiedervereinigung
So sprachen im Westen manche Kräfte gern von Mitteldeutschland – in den Vertriebenenverbänden war das durchaus gängig. Nun hat sich mit der Wiedervereinigung und der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie diese Wortwahl endgültig überlebt. Würde man Mitteldeutschland immer noch so verstehen, wie der Begriff im Kalten Krieg verwendet wurde, wäre das geradezu reaktionär.
Historischer Begriff ist älter als das geteilte Deutschland
Historisch geht der Begriff noch viel weiter zurück. Vor der deutschen Teilung war nämlich mit Mitteldeutschland weniger die Mitte zwischen Ost und West, sondern vielmehr die Mitte zwischen Nord und Süd. Ganz ursprünglich war „mitteldeutsch“ bis ins 19. Jahrhundert hinein vor allem die Bezeichnung für einen Sprachraum – zwischen den bayerisch-schwäbisch-alemannischen Dialekten im Süden und den niederdeutschen Dialekten im Norden. Dieses mitteldeutsche Gebiet zog sich von der belgisch-luxemburgischen Grenze bis nach Sachsen, also einmal quer durch Deutschland.
Ehemals Gebiet zwischen Norden und Süden, nicht Westen und Osten
Entsprechend hat man Anfang des 19. Jahrhunderts als Mitteldeutschland all die kleinen Fürsten- und Herzogtümer zwischen Preußen im Norden und Bayern, Württemberg und Baden im Süden bezeichnet. Mitteldeutschland war also ein breiter Streifen zwischen Nord- und Süddeutschland – und erst später hat sich der Begriff dann ungefähr auf den Raum konzentriert, den heute die Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bilden, in denen man sprachlich-kulturell eine natürliche Einheit sah.
In der Weimarer Republik gab es Überlegungen, diesen Raum zu einer Verwaltungseinheit „Mitteldeutschland“ zusammenzufassen. Daraus ist aber – auch bedingt durch die Machtübernahme der Nazis – nichts geworden. Dann kam der Zweite Weltkrieg und danach wurde der Begriff Mitteldeutschland erst zu dem umgemünzt, was viele noch im Kopf haben: Nämlich das Wort, das Leute verwendeten, die nicht „DDR“ sagen wollten. Aber das war eben nicht die ursprüngliche Bedeutung.
Mitteldeutscher Rundfunk (MDR) und Mitteldeutsche Zeitung
Mit der Wiedervereinigung 1990 kam es dann zu einer Rückbesinnung auf die ursprüngliche Bedeutung von Mitteldeutschland im Sinne jener Region zwischen Harz und Erzgebirge. Es wurde der Mitteldeutsche Rundfunk gegründet, so wie auch die Mitteldeutsche Zeitung.
Der Begriff taucht in vielen weiteren Verbindungen auf. Das hat aber nichts zu tun mit „Wir denken noch in den Grenzen von 1937“, sondern ist einfach eine historische Bezeichnung für diesen Kulturraum – wenn er auch zu der kleinen sprachlichen Paradoxie führt, dass „Mitteldeutschland“ heute die südliche Hälfte von „Ostdeutschland“ ist.
Geschichte Wie entstand die deutsche Nationalflagge?
Die Kombination Schwarz-Rot-Gold entstand vor gut 200 Jahren. Doch wofür stehen die Farben? Von Gábor Paál. Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0. Hinweis: Der Beitrag enthält am Ende einen kleinen Fehler: Die DDR-Flagge enthielt nicht "Hammer und Sichel", sondern "Hammer und Zirkel".
Geschichte Die deutsche Nationalhymne – Missbraucht, verpönt, geliebt
Alle singen, fühlen sich verbunden und identifizieren sich mit dem Staat. Das ist das Ziel einer Nationalhymne. Aber wir Deutschen haben eine zwiespältige Beziehung zu unserer Hymne.
Zeitgeschichte Gab es Zusagen an Moskau, die NATO nicht nach Osten zu erweitern?
Das wurde vom russischen Präsidenten Putin immer wieder behauptet, ist aber historisch so nicht richtig. Die Behauptung bezieht sich auf die sogenannten Zwei-plus-Vier-Verhandlungen 1990. Bei diesen Gesprächen ging es um die deutsche Wiedervereinigung nach dem Fall der Mauer. Beteiligt waren: Die noch zwei deutschen Staaten Bundesrepublik und DDR sowie die vier Siegermächte, USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion. Angeblich, so lautet die Behauptung, gab es bei diesen Gesprächen eine Zusicherung des Westens, die NATO nicht über Deutschland hinaus auszudehnen. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.
Geschichte
Kleidung Warum werden Röcke fast nur von Frauen getragen?
Das war nicht immer so. Auch der Kilt – der Schottenrock – blickt auf eine lange Tradition zurück. Im Mittelalter waren Röcke durchaus gängig. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.
Geopolitik Wie entstand der Gazastreifen als politisches Gebilde?
Schon beim Blick auf die Landkarte wirkt der Gazastreifen merkwürdig. Ein kleiner schmaler Küstenstreifen, eingekapselt zwischen Israel und Ägypten. Wie entstand dieses Gebiet? Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.
Brauchtum Warum fällt Vatertag auf Christi Himmelfahrt?
Das ist eine deutsche Besonderheit. Den Vatertag gibt es zwar in vielen Ländern, aber zu anderen Terminen. Bei den meisten findet er am 3. Sonntag im Juni statt; das haben die USA eingeführt. Von Gábor Paál | Dieser Beitrag steht unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.
Derzeit gefragt
Insekten Wie hoch können Fliegen fliegen?
Kleine Insekten, die man Luftplankton nennt, wurden in 8.000 Metern Höhe gefunden. Aber sie fliegen dort nicht gezielt hin, sondern werden von Winden erfasst. Von Gábor Paál | Dieser Beitrag steht unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.
Gesundheit Mit dem Rauchen aufhören: Wann ist der Körper wieder auf Nichtraucherniveau?
Das Rauchen hat viele Auswirkungen auf den Körper. Manche verschwinden, wenn man aufhört, schneller, andere brauchen länger. Recht schnell verschwinden die unmittelbaren Symptome, also der Raucherhusten und die Kurzatmigkeit. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.
Tiere Überlebt eine Weinbergschnecke, wenn man versehentlich ihr Haus zertritt?
Das Haus einer Schnecke ist mit ihrem Körper verwachsen. Darum kann eine Weinbergschnecke nicht ohne Haus überleben. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.