Paulita Pappel: Porno fördert sexuelle Befreiung
Die Berliner Porno-Produzentin und -Darstellerin Paulita Pappel betont das politische Potenzial von Pornos. Sie wollte raus aus dem konservativen katholischen Milieu ihrer spanischen Heimat und kam 2005 nach Berlin. Ihr erster Porno-Dreh sei für sie einer "der schönsten Tage" in ihrem Leben gewesen:
Porno habe ihr geholfen, sich sexuell zu entfalten und über die eigene Sexualität sprechen zu lernen, sagt Paulita Pappel. Viele Menschen störten sich an Pornos, weil Frauen darin ihre Lust offen zur Schau stellten, meint die Produzentin. Sie will mit feministischen Pornos, also von Frauen gemachten Sexfilmen, sexuelle Vielfalt zeigen. Einverständnis und eine gute Atmosphäre seien ihr sehr wichtig, Darstellerinnen und Darsteller sagten deshalb zum Beispiel auch in den Filmen beim Sex "Danke" zueinander.
"Genuss in Maßen": Pornos bewusst konsumieren
Paulita Pappel meint: Wer gute Pornos sehen will, muss auch bereit sein, dafür zu zahlen. Und sie empfiehlt: "Schaut Pornos bewusst."
Ähnlich sieht das auch die ärztliche Psychotherapeutin und Paartherapeutin Heike Melzer aus München. Pornos seien wie Schokolade oder ein Glas Wein; der Konsum könne gesundheitsgefährdend werden, aber:
Pornos nicht heimlich, sondern gemeinsam anschauen
Zentral ist für Therapeutin Heike Melzer, dass Pornos nicht heimlich konsumiert würden. Paare könnten Filme gemeinsam anschauen, um über insgeheime Wünsche oder Vorlieben zu sprechen. Pornos könnten dabei helfen, das Sexleben aufzufrischen oder vielseitiger zu machen. Madita Oeming, Deutschlands bekannteste "Porno-Forscherin", gibt etwa Workshops zum richtigen Pornoschauen und rät, sich nicht von Angst leiten zu lassen.
Sorge, pornosüchtig zu werden, ist groß
Madita Oeming sagt, nach jeder öffentlichen Veranstaltung kämen Menschen zu ihr, die fragten: "Ich schaue täglich Pornos, bin ich süchtig?" Sie findet, wir haben gesellschaftlich bisher keinen guten Weg gefunden, über Pornos zu sprechen: "Das gilt für Erwachsene und für Jugendliche." Unser skandalisierender Umgang mit Pornografie allgemein wurzele in der Aufklärung im 19. Jahrhundert mit ihrer körper- und lustfeindlichen Überhöhung der Vernunft.
Wenn der Pornokonsum außer Kontrolle gerät
Rund drei bis fünf Prozent der Porno schauenden Männer entwickelten ein zwanghaftes Konsumverhalten, sagt der Psychologe Prof. Rudolf Stark von der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Das heißt: Ihr Konsum gerät außer Kontrolle, sie isolieren sich, leiden unter Stress und Schlafmangel, kommen beruflichen Pflichten nicht mehr nach. Mit sieben weiteren Universitäten in Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Hessen betreibt Rudolf Stark zurzeit die Therapiestudie "PornLoS". Das "LoS" steht für: Leben ohne Suchtdruck. Betroffene können sich über die Website melden.
Therapie von Pornosucht bald von Krankenkassen bezahlt?
Sollte "pornlos" erfolgreich sein, könnte die Behandlung von Betroffenen der "Pornografienutzungsstörung", wie die Pornosucht offiziell heißt, in die Regelversorgung übergehen. Rudolf Stark ist optimistisch. Die ärztliche Psychotherapeutin Heike Melzer meint, angesichts des weitverbreiteten, alltäglichen Porno-Konsums betrieben wir einen "großen Feldversuch ohne Ethikkommission". Gerade junge Menschen würden mit dem Thema allein gelassen.
Literatur
- Heike Melzer: Scharfstellung. Die neue sexuelle Revolution – Eine Sexualtherapeutin spricht Klartext. Klett-Cotta 2022
- Madita Oeming: Porno – Eine unverschämte Analyse. Rowohlt Taschenbuch 2023
- Paulita Pappel: Pornopositiv. Was Pornografie mit Feminismus, Selbstbestimmung und gutem Sex zu tun hat. Ullstein 2023
- Reinhard Winter: Porno, Sex und Männlichkeit. Wie junge Männer ihre Sexualität schaffen. Beltz 2022