In Konkurrenz mit Superman: Batman als finsterer Rächer
In Zeiten, die den Einzelnen machtlos machen, werden Comic-Helden zu Idolen. 1939, als die erste Batman-Story erscheint, beginnt die große Zeit der Pulp-Comics. Auf einfachem, billigen Papier gedruckt waren Pulp-Comics neben dem Kino ein zweites Standbein der Popkultur. Der Comic-Markt war groß und umkämpft. Wer konnte mithalten mit Superman, der ein Jahr früher, 1938, herausgekommen war? Die Batman-Erfinder Bob Kane und Bill Finger hatten da eine Idee. Ihr Held sollte ein finsterer Rächer sein, der Gangster jagt, weil ein Gangster einst seine Eltern ermordet hat.
Die erste Batman-Geschichte, die in Detective Comics 27 erschienen ist, war ein Plagiat des Shadow-Pulps "Partner of Perril", darauf weist Lars Banhold hin, Literaturwissenschaftler und Autor von "Batman – Rekonstruktion eines Helden". In der Popkultur ist das Klauen von Ideen allerdings kein Skandal. Immer gibt es ein Vorbild. Und Batmans literarisches Vorbild ist der Graf von Monte Christo.
Der Millionärssohn Bruce Wayne alias Batman verliert seine Eltern und will Rache, der Graf von Monte Christo verliert seine Ehre und will ebenfalls Rache. Beide maskieren sie sich, werden für ihre Rache ein anderer. Und beide bedienen sich der Mittel ihrer Gegner. Geld und Wissen macht sie zu Ebenbildern von Verbrechern. Denn Wissen ist Macht. Das Wissen über das Böse doppelte Macht.
Popkultur spiegelt Widersprüche der Gesellschaft
Die Widersprüche der Gesellschaft – sie spiegeln sich in den Oberflächen der Popkultur. Das schrieb der Schriftsteller und Comic-Fan Umberto Eco in den 1960er-Jahren.
Mit dem 1986 erschienenen "The Dark Knight Returns" nimmt der Comic-Autor Frank Miller den Superhelden auseinander, er de-konstruiert ihn. Batman ist nun kein einsamer Rächer mehr, sondern ein politischer Gewalt-Akteur. Er steht für eine soziale Ideologie, für eine Ordnung, die auf Macht und Gewalt gründet. Mit anderen Worten: Batman stellt in den 1980er Jahren die Frage nach der Gegenwart des Faschismus. Im Comic und auf der Leinwand.
1989 bringt Filmregisseur Tim Burton "Batman" ins Kino. Pop-Ikone Prince steuert den Soundtrack bei und Batmans-Kinoauftritt wird ein Riesenerfolg. Der Hit an den Kinokassen prägt gleichzeitig das Batman-Bild bis heute. Als "Dark Knight", als dunklen Ritter inszeniert Tim Burton seinen Batman. Und mit der Ästhetik der Angst wird Batman zugleich politisch. Er wird der, der über den Ausnahmezustand entscheidet. Die soziale Ordnung ist zerstört und nur der dunkle Ritter kann sie wieder ins Lot bringen. Das Fatale aber ist: Die unkontrollierte Gewalt, die die soziale Ordnung wiederherstellen soll, schafft selbst Chaos. Der Ausnahmezustand wird zum Teufelskreis.
Gotham City: Der Pinguin und Max Shreck tun sich zusammen
Es liegt Schnee in Gotham City und es ist kalt, vor allem zwischen den Menschen. Wir erleben die Geburt eines zweiten Bruce Wayne. Doch dieser andere Millionärs-Sprössling ist ein kleines, dickes, hässliches Kind, mit verkrüppelten Händen. Ein gewalttätiges Kind, das Katzen tot beißt und das an Heiligabend von seinen Eltern ausgesetzt wird. Sie werfen das Kind samt Kinderwagen einfach in die Kanalisation. Jahre später, wieder an Weihnachten, kehrt der verlorene Sohn zurück. In den Tiefen der nasskalten Kanalisation aufgewachsen, heißt der ausgesetzte Oswald Cobblepot nun einfach "Der Pinguin".
Und "der Piniguin" will Rache. Die privilegierte Kindheit, die er nicht hatte, möchte er den Erstgeborenen von Gotham City nehmen. "Tod allen Erstgeborenen!" ist sein teuflischer Plan. Für ihn tut er sich zusammen mit dem Schurken Nummer Zwei. Max Shreck ist der Upper-Class-Bösewicht von Gotham City. Und auch er hat einen Plan für die Stadt: Ein Kraftwerk, das jedoch keine Energie gibt, sondern diese absaugt. So wie die Konsumwelten des Shreck-Imperiums das Leben der Bürger von Gotham aufsaugen.
Catwoman und der alte weiße Mann Max Shreck
Und dann ist da noch Selina Kyle. Schüchtern und konfus tritt sie auf als Sekretärin von Max Shreck, der sie einfach aus dem Fenster seines Büroturms stößt, als sie seine Energie-Absauge-Pläne entdeckt. Doch die tote Sekretärin kehrt als quicklebendige Rächerin zurück, als Catwoman. Wenn Batman eine männliche Machtfantasie ist, ist Catwoman eine weibliche Ermächtigungsfantasie. Im hautengen Lack- und Leder-Outfit bestraft sie die Männer, die Frauen schlecht behandeln. Und sie nimmt Rache an Max Shreck, dem Paradebeispiel des alten weißen Mannes, der Frauen einfach aus dem Fenster werfen kann.
Eine Gesellschaft, die keine Utopien mehr kennt
Tim Burton inszeniert 1992 seinen zweiten Batman-Fim "Batmans Rückkehr" als eine Albtraumwelt, die dem Stummfilm der Weimarer Zeit entsprungen zu sein scheint, wie in "Metropolis" oder "Nosferatu". Und überall in Gotham City stehen monumentale Statuen. Eine faschistische Ästhetik wie die, die auf die Weimarer Zeit folgen sollte. Alte Mythen wie das Moses-Motiv des Weidenkorbs und des ausgesetzen Kindes, Kino-Ikonen der 1920er Jahre, Kinderspielzeug und archetypische Traumbilder – der zweite Burton-Batman ist eine Reflexion über das postmoderne Ich. "Trust, Trust, Trust, Money, Money, Money" ruft der Joker. Aber ist das schon das ganze Geheimnis von Batman? Der Fledermausheld als perfektes Spiegelbild für die konsumierbaren Machtfantasien des postmodernen Ichs, das sich stets selbst optimieren muss?
Progressive politische Antworten hat Batman nicht. Aber er zeigt uns die dunklen Abgründe einer Welt voller Gegensätze, die Abgründe einer Gesellschaft, die diese Gegensätze nicht integriert, die keine Utopien mehr kennt.