Unter dem Hashtag #geierlay finden sich auf Instagram unzählige Variationen des beliebten Motivs

Instagrammability im Urlaub

Instagram-Hotspots im Südwesten: So prägt der Selfie-Tourismus die Region

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Lydia Huckebrink
Lydia Huckebrink, Autorin SWR Kultur

Die Postkarte hat ausgedient. Heute setzen immer mehr Reisende ihre Urlaubsgrüße auf Instagram in Szene. Die kostenlose Werbung ist für die Urlaubsregionen ein Segen – doch mancherorts wird der Influencer-Tourismus auch zur Herausforderung. Wir zeigen Ihnen, welche Selfie-Spots im Südwesten hoch im Kurs sind.

Die Geierlay-Hängebrücke im Hunsrück

Die Hangebrücke von Geierlay gilt als absoluter Instagram-Hotspot in Deutschland. Hunderttausende Besucher zieht es jährlich auf die luftigen Höhen im Hunsrück.

Doch die fotogene Hängebrücke wurde im ersten Jahr der Corona-Pandemie geradezu überrannt. Der Instagram-Tourismus entwickelte sich zu einem Hygiene-Problem. Die Besucher ignorierten die Corona-Maßnahmen, hielten keinen Abstand und nahmen für ihre Selfies die Masken ab.

Die pfälzische Gemeinde Mörsdorf war dem Ansturm personell nicht gewachsen. Das Ergebnis: Der Zugang zur Brücke wurde monatelang abgeriegelt.

Die Geierlay-Hängebrücke im Hunsrück, eine der längsten Deutschlands
Selfies ohne Maske und Abstand: Die Pandemie war für die Geierlay-Brücke ein Problem.

Inzwischen ist die Brücke wieder frei zugänglich – und die Foto-Touristen kommen zurück. Traumhaft sind die Aufnahmen, die man auf Instagram findet: Die Brücke bei Nebel oder im Abendrot, wie sie am Horizont in der Unendlichkeit zu verschwinden scheint. Für die Illusion von romantischer Abgeschiedenheit müssen Influencer*innen jedoch früh aufstehen.

Der Blautopf in Blaubeuren

Herrlich, dieses karibische blau. Mystisch leuchtet die Unterwasserwelt durch das fast transparente Wasser, in den Hintergrund schmiegt sich ein malerisches Fachwerkhaus mit historischer Mühle.

Der Blautopf ist ein echter Instagram-Geheimtipp. Dass Influencer-Tourismus für das schwäbische Örtchen einmal zum Problem werden könnte, davon geht die Gemeinde Blaubeuren aber nicht aus.

Die meisten kämen nicht nur fürs schnelle Selfie, sondern erkundeten auch Ort und Umgebung, sagt ein Sprecher. Doch auch Blaubeuren hatte während der Corona-Pandemie Mühe, dem Besucherandrang Herr zu werden. Und bei schönem Wetter wird es am Blautopf richtig voll.

Der Blautopf in Blaubeuren ist eine beliebte Touristendestination
#nofilter: Der Blautopf ist instagrammable hoch zehn.

Motorräder und Touristenbusse blockieren dann die Parkplätze, heißt es in den Google-Kommentarspalten. Das Dörfchen verwandle sich in einen Rummelplatz, für einen guten Foto-Spot müsse man anstehen.

Sind die Instagrammer*innen daran Schuld? Schwer zu sagen. Dutzende neuer Blautopf-Bilder am Tag auf Instagram tragen aber zweifellos dazu bei.

Die Stadtbibliothek Stuttgart

Designverliebte aus der ganzen Welt geraten bei ihrem Anblick aus dem Häuschen: Mit der Stadtbibliothek Stuttgart hat der koreanische Architekt Eun Young Yi ein Meisterwerk aus Symmetrie und Licht geschaffen.

Die Stadtbibliothek in Stuttgart am Mailänderplatz
Wieder diese Bibliothek: Auf Instagram ist das Motiv berühmt.

Die Bibliothek ist auf Instagram so berühmt, dass sie einen eigenen Hashtag hat: #thatlibraryagain. Das Stuttgarter Stadtmarketing hat das längst gemerkt und bewirbt offensiv die Instagrammability des Ortes.

Die Agentur bietet sogar geführte Instagram-Touren zu den Foto-Hotspots der Stadt an – die Stuttgarter Stadtbibliothek steht da an erster Stelle. Doch der Selfie-Tourismus stellt die Bibliothek vor ungeahnte Herausforderungen. Die Bibliothek ist zwar eine öffentliche Einrichtung, doch Menschen wollen hier in Ruhe lesen und arbeiten.

Eine Hausordnung regelt deshalbt, wann und wo fotografiert werden darf. Wer die Aufnahmen ins Netz stellen will, braucht dafür außerdem eine Genehmigung. Ob das klappt? Die Bilderflut auf Instagram lässt daran zweifeln.

Das Bodensee-Ufer und die Insel Mainau

Auch die Bodensee-Region setzt voll auf den Instagram-Tourismus. 70 Selfie-Points hat die Tourismus-Agentur um das Ufer eingerichtet, die die Urlauber*innen dazu einladen, die Ferien für die Insta-Community perfekt in Szene zu setzen. Für viele Reisende ist das heute Pflichtprogramm.

Reise-Influencer*innen, die ihren Account professionell betreiben, haben oft nur ein Ziel: Malerische Orte auf der ganzen Welt zu besuchen, ein perfekt inszeniertes Bild zu posten und dafür möglichst viele Likes zu kassieren.

Das Ergebnis: Alle anderen wollen auch dahin. Instagram-Tourismus ist kostenlose Werbung für jeden Urlaubsort.

Die Gemeinde Hagnau am Bodensee
Herrlicher Ausblick: Die 1300-Seelen-Gemeinde Hagnau ist jährlich mit 100 Übernachtungen pro Einwohner Spitzenreiter der Region.

Doch Vorsicht: So idyllisch wie auf den Bildern ist es hinter den Kulissen nicht – schon gar nicht im Sommer. Der Bodensee gehörte schon lange vor Instagram zu den beliebtesten Urlaubszielen in Deutschland.

Allein auf die Blumeninsel Mainau zieht es jedes Jahr rund 1,2 Millionen Menschen. Wer hier das perfekte Selfie schießen möchte, muss warten – die Menschenschlangen scheinen endlos.

Kitsch und Verklärung des Schwarzwalds

Zwischen romantischer Verklärung und Wirklichkeit „Typisch Schwarzwald!“ - Wie viel Klischee steckt in der Schwarzwald-Kultur?

Vieles, was wir heute als „typisch Schwarzwald“ abgespeichert haben, ist tatsächlich Klischees entsprungen, die sich seit dem 19. Jahrhundert kaum verändert haben.

Sonderausstellung im Augustinermuseum Freiburg Wie ein sächsischer Maler den Schwarzwald erfand

Bollenhut und idyllische Landschaften – der sächsische Maler Wilhelm Hasemann inszenierte in seiner Wahlheimat Gutach den Schwarzwald, wie er nie war. Seine Bilder und illustrierten Ansichtskarten von paradiesischen Zuständen in einer eher armen Region verfestigten das Klischee vom Schwarzwald als Ort der glücklichen Menschen und unberührten Natur. Das Klischee hält sich bis heute.

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