Ausstellung

Weltuntergang mit Birgit Brenner – Rasante Installationskunst in Kornwestheim

Stand
Autor/in
Andreas Langen

Die Berliner Künstlerin Birgit Brenner fühlt der überhitzten Gegenwart den Puls. Die Prognosen für unsere Zukunft sind finster, Brenners Kunst ist es nicht: Ihre Objekte und Installationen aus Pappe, LEDs und Stahl zitieren Pop-Art, Comics und Reklame, und sie haben Humor. So kann man sogar dem Weltuntergang etwas abgewinnen.

Comics, Pop-Art und Reklame

Auf den ersten Blick ist die Ausstellung von Birgit Brenner in Kornwestheim eine fröhlich-bunte Angelegenheit. Der große Saal des Kleihues-Baus ist gut gefüllt mit einer Mischung aus raumgreifenden Skulpturen, Wandobjekten und farbigen Zeichnungen.

Einiges erinnert an Comics, Pop-Art und Reklame, zackige Flammen zum Beispiel und knallig rotgelbe Schriftzüge; von links grummelt eine Art Techno-Beat, ganz hinten rechts flimmert so etwas wie ein Riesenbildschirm.

Abgründe unter der Oberfläche

„Birgit Brenner lockt den Betrachter oder die Betrachterin durch diese scheinbare Schönheit an“, sagt die Kuratorin Saskia Dams. „Aber wenn man dann davor steht und die Titel der Arbeiten liest, dann tun sich Abgründe auf und man stürzt hinein.“

Wobei Sturzflüge, Achterbahnen und freier Fall bekanntlich ziemlich gut darin sind, maximale Lebendigkeit auszulösen. Ohnehin hat es die Künstlerin nicht darauf abgesehen, den Seelenzustand ihres Publikums in Grund und Boden zu rammen, im Gegenteil.

Systemkritik mit Humor

Brigit Brenner betreibt zwar an vielen Stellen radikale Systemkritik, doch sie ist eine Kassandra mit schwarzem Humor. So entpuppt sich der vermeintliche Riesenscreen beim Näherkommen als glanzlackierter Pappkarton, durchlöchert von billigen LEDs aus dem Baumarkt. Die bilden den sarkastischen Schriftzug „Stay Rich“ – immer schön reich bleiben.

„Fake it ´til you make it!“, kommentiert Birgit Brenner die Kulissenhaftigkeit der Gegenwart. „Im Kapitalismus ist die Verpackung das A und O. Und wir fallen jedes Mal darauf herein.“

„Rette mich vor dem Kapitalismus“

Den Kapitalismus spießt Brenner auf in einer Aquarellserie schnuckeliger Tierbilder, überschrieben mit Begriffen aus der Finanzindustrie. Ein putziger Panda – Hedgefond; ein Küken – Transaktion; ein kuscheliges Karnickel – Validierung.

Anders gesagt: Tiere sind in unserem System auch bloß Rohstoffe auf Beinen. In anderen Arbeiten lässt Birgit Brenner ein Eigenheim zerfasern, ein Cabrio auf eine Bombe zurasen oder eine tätowierte Frau den Betrachter anschmachten: Save me, rette mich!

Das Spektakel ist am Ende angelangt

Doch das Spektakel hat sein Ende erreicht. Auch in den Arbeiten von Brigit Brenner. „Die Welt ist am Kipppunkt angelangt. Daher werden Brenners Arbeiten schwärzer. Ein bisschen schwerer – vom Look her“, sagt Brenner.

Besonders gut zu sehen ist das an der zentralen Großskulptur der Ausstellung, einem explodierendem Metallrahmen, aus dessen leerer Mitte Silhouetten von Menschen, Tieren, Autos und Schriftzügen hinausgeschleudert werden. Der Titel des filigranen Monstrums: Versprechen und andere Lügen.

 Brenner seziert die Neurosen unserer Gesellschaft

Birgit Brenner ist eine vitale Existenzialistin. Dass sie nicht verzagt, dafür sprechen schon ihre knallroten Cowboystiefel, und ihr messerscharfes Interesse an Defekten aller Art. Birgit Brenner liest medizinische Kataloge psychischer Krankheiten, ihre Arbeit seziert die Neurosen hinter Schönheitschirurgie, Geschlechterklischees und anderen Machtverhältnissen.

Und dass Homo Sapiens gerade drauf und dran ist, sich selber mit Volltreffer zu versenken, garantiert zumindest eines: Der Stoff für ihre künstlerische Arbeit wird Birgit Brenner so bald nicht ausgehen – es sei denn, der Weltuntergang kommt ihr zuvor.

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