Im Radio zu sprechen heißt isoliert sprechen. Die womöglich Hörenden bleiben verborgen, ihr Sprechen bleibt ungehört. Eine echte, direkte Kontaktaufnahme auf einen suchruf hin muss unterbleiben – und so öffnet sich der Raum, einen Hörer, eine Hörerin zu fantasieren: als ideales Gegenstück, als symmetrische Gegenkontur zum eigenen Selbst, die sich in einem noch zu findenden Suchlaut auffangen ließe. Die radiobedingte taubheit aber schickt das tastende, fragende Sprechen in einen Strudel: die Sprech- und Radiowellen schlagen nur in sich selbst auf, brechen in sich selbst zurück.
Die Preisträgerin
Anja Utler, geboren 1973 in Schwandorf/ Oberpfalz, studierte Slavistik, Anglistik und Sprecherziehung in Regensburg, Norwich und St. Petersburg. 2003 promovierte sie in Regensburg über russische Lyrikerinnen der Moderne.
Von Thomas Kling wurde sie selbst als Lyrikerin entdeckt und angeregt. Seit 2001 lebt sie in Wien, war 2005/06 Stipendiatin der Stuttgarter Akademie Schloss Solitude und ist im Sommer 2008 Inhaberin der Poetikdozentur an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Bisher liegen drei Gedichtbände vor: "Aufsagen" (1999). "Münden – entzüngeln" (2004). "Brinnen" (2006; auch als Hörbuch). In der Reihe der ‚Münchener Reden zur Poesie‘ erschien 2007 ihr Vortrag "Plötzlicher Mohn". Das im Raumklangformat 5.1 für das ORF Kunstradio produzierte Gedicht "suchrufen, taub" ist ihre erste Radioarbeit.
Weitere Preise: Leonce-und-Lena-Preis für Lyrik (2003), Förderpreis zum Host Bienek-Preis für Lyrik (2005), Förderpreis der Deutschen Schiller-Stiftung von 1859 (2006).