90 Minuten lang haben am Donnerstagabend Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker aus Baden-Württemberg im SWR ihre Argumente ausgetauscht. Die Diskussion in den Stuttgarter Wagenhallen, moderiert von Stephanie Haiber und Michael Matting, drehte sich um die wichtigsten Themen der Bundestagswahl am 26. September: Wie sieht es aus mit dem Klimaschutz, dem Kohle-Ausstieg und der Elektromobilität? Wie bewerten die Parteien die strenge Corona-Politik der Landesregierung? Ferner ging es um die Themen Steuern, Mindestlohn und bezahlbarer Wohnraum.
Grüne nutzen "ihr Thema" Klimaschutz
Gleich zu Beginn der Sendung versuchte Franziska Brantner von den Grünen bei ihrem Kernthema Klimaschutz Punkte zu sammeln. So der Eindruck von Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele, die für den SWR die Sendung parallel analysierte. "Die Große Koalition handelt erst, wenn es knallt", sagte Brantner energisch und erklärte, dass "Wohlstand und Freiheit nur mit Klimaschutz möglich seien". "Sie hat sich gerade am Anfang angriffslustig gezeigt und gegen die CDU geschossen", so Römmele in ihrer Analyse.
So bewertet die Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele die Spitzenrunde:
Andreas Jung, Vorsitzender der CDU-Landesgruppe Baden-Württemberg, verwies auf die Leistung von Angela Merkel, diese sei entscheidend beim Internationalen Klimaschutzabkommen beteiligt gewesen. Er forderte "mehr Tempo beim Klimaschutz". Man merkte Jung an, dass er der CDU frischen Rückenwind verschaffen wollte. Die CDU und somit Kanzlerkandidat Armin Laschet stehen nach den letzten Umfrageergebnissen unter Druck, auch beim aktuellen ARD Deutschland Trend vom Donnerstagabend konnte die CDU nicht entscheidend aufholen.
Esken im Laufe der Sendung präsenter
Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken, in den letzten Wochen etwas unauffällig im Wahlkampf, wirkte zu Beginn beim Thema Klimaschutz eher zurückhaltend. "Sie versteckt sich ein wenig", so Expertin Römmele. "Sie ist es sehr strategisch angegangen und hat wenig auf Angriff gesetzt. Beim Thema Soziale Gerechtigkeit, etwa beim Wohnen, war sie dann aber ganz in ihrem Element".
Insgesamt brachte die SWR Spitzenrunde viele inhaltliche Diskussionen, die sehr stark baden-württembergische Aspekte in den Vordergrund rückten. Ganz besonders beim Thema Corona und der neuen Landesverordnung kochten die Emotionen hoch.
Speziell die FDP und die AfD kritisierten den Druck auf die Ungeimpften, die Aussagen von Martin Hess (AfD), der weiterhin den Sinn einer Impfung anzweifelte, sorgten allerdings bei den anderen Politikern für Kopfschütteln. Aber auch Michael Theurer (FDP) war kritisch: "Wir lehnen eine Impfpflicht durch die Hintertür ab - wir haben erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken".
Speziell beim Thema bezahlbarer Wohnraum wurden die unterschiedlichen Wahlprogramme deutlich und schnell wurde klar, wie groß das Problem auch hier im Land ist. Einig waren sich alle Parteivertreter darin, dass deutlich mehr Wohnungen gebaut werden müssen. Die SPD will pro Jahr 400.000 neue Wohnungen, betonte SPD-Politikerin Esken. 100.000 davon müssten Sozialwohnungen sein.
Auch CDU-Rivale Jung machte deutlich, dass der Wohnungsbau "beschleunigt" werden müsse, Brantner fokussierte sich auf die Mietpreisbremse und wandte sich energisch gegen Mietwucher. Insgesamt seien die Lösungsansätze der jeweiligen Parteien beim Wohnraum unterschiedlich gewesen, so Expertin Römmele.
Die Vermögenssteuer und der Mindestlohn: weitere Sendungsthemen mit viel Brisanz. Während sich Jung (CDU) gegen eine Vermögenssteuer aussprach, will Riexinger diese haben. Man habe großen Investitionsbedarf, so der Linken-Politiker.
Auch Brantner (Grüne) und Esken (SPD) sprachen sich für eine solche Steuer aus, dafür hagelte es heftige Kritik von der FDP. Deren Vertreter Theurer sagte, das Vermögen der Unternehmen stecke in den Maschinen. "Wer in die Substanz eingreift, der betreibt eigentlich das Geschäft von Heuschrecken."
Hess von der AfD eher unauffällig - auch Jung und Theurer punkten
Aber auch Esken (SPD) kam nach Startschwierigkeiten in Fahrt und taute auf. "Sie ist es sehr strategisch angegangen und hat wenig auf Angriff gesetzt. Beim Thema Soziale Gerechtigkeit, etwa beim Wohnen, war sie dann aber ganz in ihrem Element", so Expertin Römmele. CDU-Vertreter Jung und auch Theurer (FDP) konnten, so Römmele, vor allem bei steuerpolitischen Fragen punkten. Jung sprach dabei vor allem die Kernwählerschaft der CDU, den Mittelstand und die Familienbetriebe an. Ähnlich machte es Theurer, der außerdem die Corona-Politik der grün-schwarzen Landesregierung kritisierte und dabei laut Römmele einige Treffer landete. Hess von der AfD sei in der Diskussion dagegen etwas untergegangen.
Kein klarer Sieger - viele Kandidaten, viele Meinungen
Politikwissenschaftlerin Römmele sieht insgesamt keinen klaren Sieger bei der Spitzenrunde. "Hier und da gab es einen kleinen Schlagabtausch, aber mit sechs Kandidaten und entsprechender Redezeit ist so eine Runde natürlich deutlich weniger konfrontativ", sagte sie dem SWR.
Römmele: Format hat gewonnen
Insgesamt lobte die Expertin das Format. "Anders als bei den Triellen der Kanzlerkandidaten ging es weniger um die B-Noten, also etwa die Körperhaltung, oder die Frage, wer mit wem koaliert, sondern um echte Inhalte." Römmele sagt: "Die Kandidatinnen und Kandidaten hatten heute eine gute Möglichkeit, den Wählerinnen und Wählern ihre Themen und Lösungsvorschläge zu präsentieren". Für sie habe das Format gewonnen.