Ohne männliche Alphatiere: Im Wittlicher Kreishaus gab es ein Seminar speziell für Frauen.  (Foto: SWR, Christian Altmayer )

Gemeinderäte sind überwiegend männlich

Seminare in Wittlich sollen Frauen für Kommunalpolitik begeistern

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Christian Altmayer
Foto von Christian Altmayer, Redakteur bei SWR Aktuell im Studio Trier (Foto: SWR)

Drei Viertel der Gemeinderatsmitglieder im Land sind Männer. Die Wittlicher Gleichstellungsbeauftragte will daher Frauen motivieren, sich bei der Kommunalwahl aufstellen zu lassen.

Sonja Scholtes ist seit drei Jahren Ortsbürgermeisterin im Moselort Minheim. Und sie war damals nicht nur die erste Frau in diesem Amt, sondern auch die Chefin eines Gemeinderates, der nur aus Männern besteht. "Das war am Anfang eine Herausforderung", sagt Scholtes: "Inzwischen sind wir zusammengewachsen." Trotzdem würde sie sich mehr Frauen im Rat wünschen. Und sie ist nicht die Einzige.

Sonja Scholtes moderiert als Ortsbürgermeisterin von Minheim einen Gemeinderat, der nur aus Männern besteht.  (Foto: SWR, Christian Altmayer )
Sonja Scholtes moderiert als Ortsbürgermeisterin von Minheim einen Gemeinderat, der nur aus Männern besteht.

In etwa 40 Prozent der kommunalen Gremien im Landkreis Bernkastel-Wittlich sitzt nur eine oder gar keine Frau. Landesweit sind gut drei Viertel der Sitze mit Männern besetzt. "Gleichberechtigung sieht anders aus", sagt Gabriele Kretz, die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises.

Frauen wollen sich "gegen Alphatiere durchsetzen"

An diesem Nachmittag allerdings gibt es in der Wittlicher Kreisverwaltung das Kontrastprogramm. In einem Sitzungssaal sind elf Frauen versammelt, der einzige Mann im Raum ist der Reporter. Denn das Seminar, zu dem die Gleichstellungsbeauftragte Kretz eingeladen hat, richtet sich an Frauen, die Sitzungen planen und moderieren wollen. Die Referentin will den Frauen vermitteln, wie sie am Besten "Vielredner" in einem Gremium unterbrechen. Oder auch, wie sie während einer Diskussion für Ruhe sorgen oder sich beim Planen einer Tagesordnung nicht verzetteln.

Gabriele Kretz kämpft seit 18 Jahren für die Gleichberechtigung der Geschlechter im Landkreis Bernkastel-Wittlich.  (Foto: SWR, Christian Altmayer )
Gabriele Kretz kämpft seit 18 Jahren für die Gleichberechtigung der Geschlechter im Landkreis Bernkastel-Wittlich.

Sonja Scholtes hat damit als Ortsbürgermeisterin schon Erfahrung, sagt sie. Sie haben "ihren Männerladen ganz gut im Griff". Die Minheimer Dorfchefin erhofft sich trotzdem noch einige Tipps und Tricks zu lernen. Das treibt auch die meisten anderen Teilnehmerinnen an, die entweder schon in der Kommunalpolitik aktiv sind oder sich im Juni zur Wahl stellen wollen. Da wäre zum Beispiel Beate Jungbluth aus Gielert im Hunsrück, die als erste Frau in den Gemeinderat einziehen will. Oder auch Annette Roth, die als Ortsbürgermeisterin von Monzelfeld kandidiert und im Seminar lernen will, "sich gegen die Alphatiere in der Kommunalpolitik durchzusetzen".

"Männer vernetzen sich nach dem Gemeinderat in der Kneipe"

Es sind solche Frauen, die Gabriele Kretz motivieren und daran glauben lassen, dass sich die Strukturen irgendwann ändern werden. Seit 18 Jahren ist Kretz Gleichstellungsbeauftragte im Landkreis. Im März 2023 hat sie aber eine neue Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen, Frauen-Stammtische und Seminare organisiert. "Und so langsam merken die Frauen, dass hier im Landkreis etwas passiert", sagt Kretz.

Warum so lange zu wenig passiert ist? "Weil die Strukturen immer noch von Männern gemacht werden", sagt Kretz. Das fange schon damit an, dass Gemeinderatssitzungen oft erst um 20 Uhr starten, sagt Kretz: "Und dann enden sie mit einem Kneipenbesuch, die politischen Mitstreiter suchen sich Männer an der Theke. Das ist nicht die Welt, in der Frauen Kommunalpolitik machen wollen."

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Gleichstellungsbeauftragte: Frauen werden oft nicht erstgenommen

Zudem würden Frauen von einigen männlichen Kollegen oft nicht erstgenommen. Viele Kommunalpolitikerinnen berichteten Kretz davon, dass ihre Vorschläge oft abgelehnt würden: "Und wenn ein Mann dann zwei Sitzungen später denselben Vorschlag macht, wird er plötzlich gefeiert."

Ortsbürgermeisterin: Kein Geld zum Gestalten

Das ehrenamtliche Engagement sollte aber auch besser mit Familie und Beruf vereinbar sein, findet Kretz. Viele Frauen wollten sich keine zusätzliche Belastung aufhalsen und verzichteten deshalb auf Kandidaturen. Und wenn sie dann doch antreten, so wie Sonja Scholtes aus Minheim - dann seien sie oft enttäuscht von den geringen Möglichkeiten der Kommunen. "Die Frauen, die ich kenne, die wollen im Gemeinderat etwas verändern", sagt Scholtes.

Doch die Gemeinden in Rheinland-Pfalz seien finanziell so schlecht ausgestattet, dass kaum Geld für spannende Projekte bleibe. Das müsse sich ändern, und dann würde das Ehrenamt auch wieder mehr Zulauf bekommen, ist sich Scholtes sicher. Gabriele Kretz hofft, dass sie vor allem noch mehr Frauen dafür begeistern kann, in die Politik zu gehen. Sie will deshalb weiterhin besondere Angebote schaffen wie die regelmäßigen Frauenstammtische an der Mosel, in der Eifel und im Hunsrück.

Am 24. April lädt die Gleichstellungsbeauftragte in Bitburg zudem noch zu einem "Sprechtraining" für angehende Politikerinnen an, am 29. April sollen Frauen in Trier lernen, sich selbst "zu coachen". Und am 2. Mai in Daun geht es in einem Seminar um das Thema "Grenzen setzen und Nein sagen". Wer teilnehmen will, kann sich unter der E-Mail-Adresse gleichstellung@bernkastel-wittlich.de zu den Veranstaltungen anmelden.

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