Fest hält Amon Traxinger die beiden Steuerruder. Währenddessen klammert sich ein Mitstudent draußen an einem kleinen abstehenden Balken an der Schiffswand fest. Die Füße sind nur wenige Zentimeter über dem Wasser. Notdürftig zurrt er während der Fahrt übers Meer ein dickes Band am Ruder fest. Das hatte sich durch den Wellenschlag gelockert.
"Wir fahren jetzt in den Windschatten einer Insel, um ein bisschen sicherer zu sein vor Wind und Wellen. Dann geht's zurück in den Hafen von Cannes", sagt Amon Traxinger. Er wirft den kleinen Dieselmotor an. Für heute ist die Segel-Exkursion beendet. Zu groß ist die Gefahr, dass sich das in Trier gebaute Römerschiff nicht mehr lenken lässt.
Die Vorlage für ihren Nachbau des römischen Handelsschiffs war vor mehr als 1800 Jahren an der Côte d’Azur ganz in der Nähe gesunken. Vor einem solchen Schicksal will Projektleiter Prof. Christoph Schäfer von der Uni Trier die "Bissula" unbedingt bewahren: "Wenn wir kentern, wird dieses Schiff auf den Meeresgrund sinken, weil kein Auftrieb das noch nach oben bringt."
Steuerruder machte schon bei den Römern Probleme
Schon bei den Römern hätten die Steuerruder Probleme gemacht, sagt Pascal Warnking, Junior-Professor für Maritime Antike an der Uni Trier. Er kenne entsprechende Reparaturrechnungen für Schiffe aus der Antike. "Jetzt macht das Sinn", sagt er.
Es ist nicht das erste Mal bei dieser Messfahrt, dass nicht alles glatt läuft: Als die Studierenden zum ersten Mal das Segel setzen wollen, verhakt es sich. Das Schiff schwankt heftig hin und her. Alle müssen sich festhalten. Mit vereinten Kräften zieht die Crew das Segel wieder ein.
Die Rah wird heruntergelassen - das ist der Querbalken, an dem das Segel festgemacht ist. Das Schiff schwankt immer noch. Hektisch entwirren mehrere Studierende die ineinander verknoteten Seile. Die Rah wieder hochzuziehen, ist ein Kraftakt. Alle packen mit an. Nächster Versuch, das Segel zu setzen. Dieses Mal klappt es. Aufatmen.
Das Schiff nimmt Fahrt auf. Da kommt das nächste Problem: Im Rumpf sammelt sich Wasser. Es gibt ein kleines Leck. Das kennen die Studierenden schon. Doch es wird größer. Vermutlich entstand der Schaden beim Transport von Trier nach Cannes. Das Holz war während der Fahrt ausgetrocknet. Jetzt werden die Pumpen angeworfen. Das Wasser fließt zurück ins Meer.
Hochmoderne Technik an Bord sammelt Daten für die Forschung
Währenddessen sammeln die Sensoren an Bord Daten: Standort, Strömung, Windstärke, Windrichtung, Geschwindigkeit. Mit den Daten können die Forscher ihr Schiff später am Computer virtuell durchs Mittelmeer schicken.
Schon jetzt hätten sie neue Routen entdeckt, die die Römer wahrscheinlich genommen haben, sagt. Prof. Schäfer: "Wir gewinnen das Know-how der alten Seeleute zurück." Auch lasse sich berechnen, wie schnell Waren in der Antike transportiert wurden.
Und auch Details des spätantiken Schiffsbaus lernen die Forschenden. Details, die nicht überliefert sind. So schlägt die Rah bei stärkerem Seegang heftig gegen den Mast. So heftig, dass schon nach ein paar Messfahrten ein Splitter aus dem Mast bricht. Das muss bei den Römern anders gewesen sein.
Dass an Booten immer wieder etwas repariert und verbessert werden muss, kennt Johanna Klusch vom Sportsegeln. "Boote brauchen Liebe. Ich glaube, die Bissula braucht super viel Liebe", sagt die Studentin.
Als Amon Traxinger am Tag zuvor den Mast repariert, sieht das vielleicht nicht gerade liebevoll aus. Er wirkt eher wie ein Pirat, als er in 13 Meter Höhe barfuß auf der Rah steht. Gesichert nur mit einem Seil. An der beschädigten Stelle bindet er ein Tau um den Mast. So könnten auch die Römer die Schläge abgedämpft haben. Ob es hilft? Das werden die nächsten Messfahrten zeigen. Bis Ende Oktober sind die Forschenden aus Trier dafür noch in Cannes.
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