In Mainz gibt es Probleme mit der Schulbuchausleihe.

Änderung der Verwaltungsvorschrift

Schulbuchbeschaffung in RLP: Wenn die Schulbücher nicht mehr vor Ort bestellt werden

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AUTOR/IN
Christian Stracke
Petra Wagner
Ingrid Reitenbach

Wenn Schulen Schulbücher brauchen, bestellen sie in der Regel bei der Buchhandlung ihres Vertrauens. Was so einfach klingt, ist nicht überall in Rheinland-Pfalz der Fall. Eine Änderung der Verwaltungsvorschrift sorgt dafür, dass regionale Buchhändler leer ausgehen.

Vor dem kommenden Schuljahr ist nichts mehr wie es war. Normalerweise sorgt die Buchhändlerin Alexandra Michels aus Kaiserslautern dafür, dass die ortsansässigen Schulen rechtzeitig ihre Bücher erhalten. Dieses Jahr ist das nicht mehr der Fall. Eine Neuregelung in der Verwaltungsvorschrift für das Öffentliche Auftragswesen in Rheinland-Pfalz hat nämlich dazu geführt, dass sie von der Stadtverwaltung keine Aufträge für Schulbücher mehr bekommen hat.

Das Schulbuchgeschäft war ein festes Standbein für die Buchhandlung "Uni-Buch", das vor allem Umsatz bedeutet hat. "Reich wird man damit nicht, aber es ist halt eine sichere Bank. Es sichert die Liquidität über das Jahr. Alles, was wir machen, es hängt halt alles dran", erzählt die Inhaberin.

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*Korrektur des Fernsehbeitrags: Aufträge über 10.000 Euro werden nicht deutschlandweit ausgeschrieben. Es werden Angebote von drei Unternehmen eingeholt, die in verschiedenen Regionen ansässig sein müssen. Die Buchhandlungen dürfen alle in Rheinland-Pfalz liegen.

Neue Verwaltungsvorschrift: Vergabeverfahren mit hohem Aufwand

Bisher hätten die Schulen in Kaiserslautern die Schulbuchbestellungen auf dem kurzen Dienstweg erledigt. Die Schulen haben vor Ort, bei der Buchhandlung ihres Vertrauens, bestellt. "Das war in der Regel auch immer so, dass jeder seine Bestellung bekommen hat und nicht nur eine Buchhandlung alle Bestellungen gemacht hat", sagt Michels. Jetzt müssen die Buchhandlungen vor Ort in ein aufwendiges Bewerbungsverfahren, wenn sie einen Auftrag bekommen möchten.

Grafik zur Neugerelung der Verwaltungsvorschrift für die Schulbuchbeschaffung in Rheinland-Pfalz
Das Auftragsvolumen der Schule oder des Schulträgers entscheidet, ob ein Vergabeverfahren notwendig ist oder nicht.

Die Änderung der Verwaltungsvorschrift, die seit dem 1. August 2022 in Kraft ist, hat das bisherige System auf den Kopf gestellt. Aufträge, die das Budget von 10.000 Euro übersteigen, müssen sich einem "wettbewerbsoffenem Vergabeverfahren" unterziehen. Liegen die Aufträge über 215.000 Euro, müssen sie sogar europaweit ausgeschrieben werden.

Stadtverwaltung Kaiserslautern schreibt Schulbücher europaweit aus

Genau das hat die Stadtverwaltung Kaiserslautern gemacht. Als Schulträger für 29 Schulen in ihrer Zuständigkeit haben sie die Bestellung europaweit ausgeschrieben. 38 Unternehmen aus dem gesamten Bundesgebiet haben ein Angebot abgegeben. Laut der Stadtverwaltung wurden die Bücher in fünf Lose nach Schularten aufgeteilt, um eine größere Streuung zu erreichen. In Folge wurden fünf Aufträge vergeben. Da die Buchpreisbindung gilt und die Unternehmen somit einen gleichen Preis angeboten haben, hat am Ende ein Losverfahren entschieden. Laut dem Rechtsanwalt Dr. Wiland Tresselt, der beratend für den Börsenverein des Deutschen Buchhandels agiert, ist das zulässig.

Für Alexandra Michels sowie andere Buchhandlungen aus Kaiserslautern ging es schlecht aus, keines der Lose fiel auf eine lokale Buchhandlung. Es wurden Firmen aus Zschopau, Braunschweig, Schwäbisch Gmünd, Werl und Hamburg beauftragt. Die Gesamtsumme der Auftragsvergabe beläuft sich für die nächsten vier Schuljahre auf rund 1.905.000 Euro. Die Vergabe kritisiert auch die Stadtverwaltung selbst, man habe das Verfahren durch die Neuregelung "verschlimmbessert", sagt Wolf Ernst, Leiter des Referats Schulen der Stadt Kaiserslautern.

"Das gesamte Verfahren ist erheblich arbeits-, zeit- und kostenintensiv für uns als Schulträger. Es stellt sich vor dem Hintergrund des Buchpreisbindungsgesetzes die Sinnfrage einer europaweiten Ausschreibung. Ein bedeutender Geschäftszweig der lokalen Buchhändler bricht weg.“

Kritik von rheinland-pfälzischen Kommunen

Ähnlich sehen das nahezu alle Städte und Landkreise im Land, bestätigt auf SWR-Anfrage der Städtetag Rheinland-Pfalz. Die Städte seien unzufrieden - ebenso wie die Landkreise, sagt Anne Meiswinkel vom Landkreistag Rheinland-Pfalz. Sie ist Beigeordnete im kommunalen Spitzenverband der 24 Landkreise und unter anderem für den Bereich Bildung zuständig. Die Kreisverwaltung Südliche Weinstraße betont, dass die Buchbestellungen laut der Verwaltungsvorschrift grundsätzlich von den Schulen vorgenommen werden müssten. Das sei "völlig praxisfremd, da während der Sommerferien, in denen die Buchbestellungen laufen, viele Schulen nicht besetzt" seien. Insofern nehmen sie es als Schulträger für die einzelnen Schulen in deren Namen vor.

Gleiches gilt auch in der Kreisverwaltung Kusel, die im Auftrag der Schule die Bestellung übernimmt. So konnten laut Ausschreibungsergebnis vier Buchhändler im Landkreis Kusel mit zwei Bestellungen im Juli beauftragt werden. Das Bestellvolumen lag bei rund 122.000 Euro für knapp 5.000 Bücher. Die Kreisverwaltung gibt zu bedenken, dass wenn es die Schulträger auf offiziellem Weg bestellen, die Gesamtauftragssummen "ganz schnell im Bereich der europaweiten Ausschreibung" lägen - wie im Fall Kaiserslautern.

Problem: Spontane Bestellungen und kurzfristige Änderungen

Gerade nach einem Schuljahr und der nachfolgenden Inventur müssten schnell Bücher bestellt werden. Entscheidet das Los über eine weit entfernte Buchhandlung, müsste der Aufwand mitbedacht werden. "Mit ihnen habe ich keinen direkten Kontakt, die Bücher müssen durch die Gegend gekarrt werden, denn irgendwas ist immer. Das heißt, ich kann das nicht auf die Schnelle mit dem Nachbarn klären, sondern alles mit zum Beispiel Hamburg und das nimmt wahnsinnig viel Zeit in Anspruch. Und diese Zeiten gehen aber dann mir, als Schulträger und als Schule verloren", betont Anne Meiswinkel.

Aus diesem Grund kann sich auch Wolf Ernst, Leiter des Referats Schulen der Stadt Kaiserslautern, "nur schwer vorstellen, wie das Schulbuchgeschäft mit einem Buchhändler aus dem europäischen Ausland, wie zum Beispiel Zypern oder Rumänien reibungslos verlaufen" könne. Aus der Praxis kann das Buchhändlerin Alexandra Michels bestätigen, Reklamationen oder Nachbestellungen seien die Regel.

"Das sind unnötige Kilometer, das sind Emissionen, das ist Verpackungsmüll. Also wo da die Nachhaltigkeit sein soll und auch die Preisersparnis und die Vereinfachung, das sehen wir einfach nicht.“

Auch der Börsenverein kritisiert das Vergabeverfahren

Nach Auffassung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels ergeben Ausschreibungen für preisgebundene Schulbücher keinen Sinn. "Öffentliche Ausschreibungen sollen den Auftraggeber in den Stand versetzen, unter mehreren Angeboten das wirtschaftlich günstigste auszuwählen. Dieses Ziel kann bei Schulbuchausschreibungen nicht erreicht werden, weil es keinen Preiswettbewerb und faktisch auch keinen Servicewettbewerb gibt", heißt es in einem Schreiben an die Schulträger.

Deshalb ist der Börsenverein auch gegen die neue Änderung in Rheinland-Pfalz vorgegangen. Trotz intensiver Bemühungen, wie der Börsenverein es gegenüber den Schulen und Schulträgern begründet, ist es dem Börsenverein nicht gelungen, die Kommission von der Zweckmäßigkeit einer Ausnahmeregelung bei preisgebundenen Schulbüchern zu überzeugen.

"Wir müssen uns jetzt deshalb einfach abfinden mit der Situation, die wir jetzt haben. Man muss konstruktiv mit der Zukunft umgehen."

Was sagt das Wirtschaftsministerium?

Nach Angaben des für das Vergabeverfahren zuständigen Wirtschaftsministeriums sei durch die neugefasste Verwaltungsvorschrift die Beschaffung von Schulbüchern vereinfacht worden. "Nach der Neuregelung können öffentliche Aufträge über preisgebundene Bücher bis zu einer Wertgrenze von 10.000 Euro (netto) je Schule direkt vergeben werden, also an einen Anbieter nach Wahl. Die allgemeine Direktauftragsgrenze beträgt übrigens aktuell 3.000 Euro - Schulen sind also sogar privilegiert", lautet die Antwort auf eine SWR-Anfrage.

Für die Budgetspanne zwischen 10.000 Euro und 215.000 Euro sei ein "einfaches wettbewerbsoffenes Verfahren" erforderlich. "Mehr Formalien sind praktisch nicht zu beachten", heißt es weiter.

Rheinland-Pfalz im Vergleich zu anderen Bundesländern

In anderen Bundesländern werde der Schulbucherwerb bereits seit mehreren Jahren mittels eines Vergabeverfahrens durchgeführt, sagt Prof. Dr. Christian Sprang. Daher stünde das Land Rheinland-Pfalz auch mit der neuen Verwaltungsvorschrift im bundesweiten Vergleich "gut" da. In anderen Bundesländern werde sehr viel gleich europaweit ausgeschrieben, weil die Schulträger das für ganze Landkreise und Städte machen. Das sei in Rheinland-Pfalz nicht so, wo viele Schulen noch mit eigenem Budget bestellen.

Aber es entstehe natürlich bei den Beteiligten durch den Wechsel, der mit der Verwaltungsvorschrift einhergeht, ein erhöhter Aufwand, gibt Sprang zu bedenken. Deshalb fordert die Buchhändlerin Alexandra Michels aus Kaiserslautern wie weitere Kritiker dringend Änderungen, damit den lokalen Buchhändlern der oft überlebenswichtige Schulbuchhandel nicht für mehrere Jahre komplett wegbricht.

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