Schüler einer Grundschule sitzen im Unterricht.

Vermittler zwischen Schule, Gesellschaft und Familien

Hilfe für Brennpunktschulen: Ludwigshafen bekommt drei Familiengrundschulzentren

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Nicoletta Prevete

In der Gräfenau-Grundschule in Ludwigshafen müssen derzeit fast 40 Grundschüler die erste Klasse wiederholen. Das hat Stadt und Land alarmiert: Sogenannte Familien-Grundschulzentren sollen den Familien bald helfen.

Der Schock saß tief: Knapp 40 Schülerinnen und Schülern der ersten Klasse der Gräfenau-Grundschule wiederholen derzeit die erste Klasse. Als das bekannt wurde, ging ein Aufschrei durch die rheinland-pfälzische Bildungspolitik. Was ist da los in Ludwigshafen, fragten sich Experten, Eltern und Pädagogen gleichermaßen.

In der Zwischenzeit gab es viele Gespräche zwischen dem Bildungsministerium in Mainz, der Gräfenau-Grundschule, aber auch mit anderen Schulen an Brennpunkten in der Stadt. Ein Ergebnis: Drei Grundschulen bekommen sogenannte Familiengrundschulzentren, darunter auch die Gräfenau-Grundschule.

39 Erstklässler an der Gräfenaugrundschule mussten die Klasse wiederholen
Nachdem an der Gräfenauschule in Ludwigshafen gerade 40 Schüler die erste Klasse wiederholen müssen, tut sich jetzt was: Drei Grundschulen bekommen Familienzentren.

Erich-Kästner-Schule hat Schüler aus 50 Nationen

Eine der Schulen, die ein solches Zentrum bekommen sollen, ist die Erich-Kästner-Grundschule in Ludwigshafen-Mitte. 640 Schüler und Schülerinnen aus 50 verschiedenen Nationen werden hier unterrichtet. Neben dem regulären Unterricht hat die Schule ein besonderes Sprachförderprogramm für die Kinder, denn nicht selten sprechen die Schüler und Schülerinnen kaum bis gar kein Deutsch.

Christoph Timmerhues, der zum Leitungsteam der Schule gehört, betont, wie wichtig ein Familienzentrum an der Schule sei: "Eltern mit Migrationshintergrund wenden sich bei Fragen rund um das Stadtleben, Behördengängen oder Gesundheitsfragen oft an die Schule. Wir sind oft der einzige Bezugspunkt zur deutschen Gesellschaft außerhalb ihrer ausländischen Community", so der Pädagoge.

Von den Familiengrundschulzentren verspricht er sich, dass die Eltern dort nicht nur Ansprechpartner für ihre Belange bekommen, sondern auch die Möglichkeit, beispielsweise besondere Elternkurse zu besuchen.

Besonders schwer: der Umgang mit bildungsfernen Familien

Besonders schwer sei es, mit bildungsfernen Familien in Kontakt zu treten, die vielleicht selbst nicht lesen oder schreiben können. Ihnen das deutsche Bildungssystem näher zu bringen, stelle eine Herausforderung dar, sagt Christoph Timmerhues. Oft sei den Eltern nicht einmal die Notwendigkeit eines regelmäßigen Schulbesuchs klar.

Dennoch sei die Stimmung an der Schule gut, die Lehrer und Lehrerinnen hoch motiviert und die Schüler und Schülerinnen würden sich mit wenigen Ausnahmen sehr wohl fühlen. "Unsere Schule ist ihr zweites Zuhause." Die Familiengrundschulzentren könnten dieses Gefühl, von "Zuhause sein", sicher verstärken - auch für die Eltern, glaubt der Pädagoge.

Ein Kind im Unterricht
Die Familiengrundschulzentren sollen zwischen Schulen, Familien und der Stadtgesellschaft vermitteln und den Grundschülern so einen besseren Start ins Schulleben ermöglichen

Blies-Schule bekommt eventuell auch ein Familienzentrum

Auch an der Goethe-Grundschule in Ludwigshafen soll ein Zentrum entstehen. Sollten sich zwei Schulen ein Zentrum teilen können, käme zudem die Bliesschule noch zum Zug, deren Einzugsgebiet auch die Bayreuther Straße ist - ein sozialer Brennpunkt, in dem viele Obdachlose und Flüchtlinge leben.

Schule schwänzen - ein massives Problem

Neben den Familiengrundschulzentren plant das Land weitere Maßnahmen: So wurde in Ludwigshafen mit Landesmitteln eine weitere, spezielle Stelle für Grundschulsozialarbeit geschaffen. Deren Ziel ist es, laut dem rheinland-pfälzischen Bildungsministerium, Schulabsentismus einzudämmen. Das heißt, dass ein Schulsozialarbeiter oder eine Schulsozialarbeiterin auf Familien zugeht, deren Kinder besonders oft in der Schule fehlen.

Familien sollen vermittelt bekommen, wie wichtig ein regelmäßiger Schulbesuch für die Kinder ist. Diese besondere Form der Schulsozialarbeit ist für alle Grundschulen in Ludwigshafen gedacht.

Erste Herausforderung: Deutsch lernen

Eine andere Fachkraft prüft seit ein paar Wochen in Ludwigshafen, wie gut Kindergartenkinder Deutsch sprechen können, die demnächst eingeschult werden. Und es gibt einen regelmäßigen runden Tisch zum Thema Sprachförderung von Kindergartenkindern, der lang-und mittelfristige Lösungskonzepte für Ludwigshafener Schulen erarbeiten soll.

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Blick über den Tellerrand - wie machen es die anderen?

Auch vom Land angestoßen: ein Austausch zwischen Schulleitungen aus Ludwigshafen mit Schulleitungen anderer Bundesländer, die auch Schulen in schwierigen Vierteln führen und ein Austausch der Schulen mit Wissenschaftlern. Denn oberstes Ziel ist laut Bildungsministerium: Die Ludwigshafener Schulen müssten eigene, für sich passende, individuelle Konzepte entwickeln - da helfe sicher auch der Austausch mit Kollegen und Kolleginnen aus anderen Bundesländern, um zu schauen, wie machen die das an ihrer Schule?

Veränderung ist ein langer, schwerer Weg

Klar sei: Über Nacht werde nichts besser. Das sei ein langwieriger Prozess, so ein Sprecher des Bildungsministeriums. Gerade wenn Kinder noch gar keine Kita besucht hätten oder erst vor Kurzem nach Deutschland gekommen seien.

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