Kapazitäten sind am Limit

Koblenzer Tierheim klagt: "Tiere sind Wegwerfartikel geworden"

Stand
Autor/in
Martina Gonser

Das Tierheim in Koblenz kann nach eigenen Angaben kaum noch Tiere aufnehmen - so, wie die meisten Tierheime in Deutschland. Deshalb hat es gemeinsam mit anderen einen Brandbrief verfasst.

Im Hundehaus des Koblenzer Tierheims sind derzeit 40 Hunde untergebracht. Viel mehr geht nicht, sagt Tierheimleiterin Kirstin Höfer. Trotzdem werden ständig neue Hunde abgegeben. So wie zum Beispiel vor ein paar Tagen der Hund Pauli, ein kleiner schwarz-brauner Mischling, der offenbar viel gebissen hat.

Sein Besitzer hatte ihn im Internet gekauft und kam nicht mit dem Tier zurecht. Deshalb landete Pauli im Tierheim, so Kirstin Höfer. Nach Corona sei die Situation noch schlimmer als zuvor.

"Tiere sind Wegwerfartikel geworden."

"Tiere sind Wegwerfartikel geworden. Man hat sie sich angeschafft, es passt nicht, man hat keine Lust, diese Herausforderung anzunehmen", sagt Höfer. Deshalb fordert sie zusammen mit anderen Tierheimleitern in Deutschland einen Sachkundenachweis für potenzielle Hundehalter, einen Hundeführerschein.

Sachkundenachweis für potentielle Hundehalter gefordert

Sie sollen so verpflichtet werden, sich vor dem Kauf eines Hundes gründlich zu informieren und dann auch intensiv mit der Hundeerziehung zu befassen, damit jeder weiß, welche Verantwortung so ein Tier mit sich bringt. "Schlichtweg, um es Menschen, die sich einen Hund anschaffen wollen, ein bisschen schwerer zu machen. Natürlich mit der Hoffnung, dass manche Leute sagen, das ist mir so echt zu anstrengend. Da lassen wir das lieber," sagt Höfer.

Laut der Koblenzer Tierheimleiterin landen mittlerweile vor allem schwierige, bissige Hunde im Tierheim, die im schlimmsten Fall nicht einmal mehr vermittelt werden können. Außerdem müssen Tierheime auch immer mehr Tiere aufnehmen, die von Behörden beschlagnahmt werden.

Anfragen nach einem Platz im Koblenzer Tierheim aus ganz Deutschland

Anfragen kommen laut Höfer von Behörden aus ganz Deutschland, die nicht wissen, wo sie die beschlagnahmten Tiere unterbringen sollen.

Viele Menschen seien mittlerweile sehr verzweifelt. Es gebe zunehmend wirklich drastische Fälle, bei denen Hundehalter nicht mehr weiter wüssten.

"Eine Familie wollte den Hund abgeben, weil er das Kind gebissen hat. Es gab keinen Platz im Tierheim, deshalb musste das Kind vorübergehend zu Verwandten!"

Höfer berichtet von einem Fall, bei dem der Hund das Kind der Familie immer wieder gebissen hat. "Die Familie wollte den Hund abgeben, weil er das Kind gebissen hat. Es gab keinen Platz im Tierheim, deshalb musste das Kind vorübergehend zu Verwandten," erzählt Höfer.

Petition und Brandbrief an Landwirtschaftsminister

Die Situation sei unerträglich, deshalb hätten die Tierheimleiterinnen und -leiter bundesweit eine Petition gestartet. Darin fordern sie unter anderem ein Ende des gewerblichen Welpenhandels. Vor allem aber wollen sie, dass es zukünftigen Hundehalterinnen und -haltern schwerer gemacht wird, an einen Hund zu kommen. Den Angaben zufolge haben bereits 60.000 Menschen unterschrieben.

Bundeslandwirtschaftsministerium hält sich für nicht zuständig

Außerdem haben die Tierheimleiterinnen und -leiter vor kurzem einen Brandbrief an Landwirtschaftminister Cem Özdemir (Grüne) und die Tierschutzbeauftragte des Bundes geschrieben. Inzwischen kam eine Antwort an den SWR. Darin heißt es, der Bund habe keine finanziellen Verpflichtungen gegenüber den Tierheimen, auch wenn deren Arbeit unverzichtbar sei. Für Kosten, Unterhalt und Betrieb seien aber die Länder, Städte und Gemeinden zuständig.

Dennoch habe der Bund im Zusammenhang mit Corona-Pandemie und Energiekrise den Tierheimen Finanzhilfen zur Verfügung gestellt. Außerdem sei im Koalitionsvertrag vereinbart, zur Unterstützung der Tierheime eine Stiftung einzurichten - daran arbeite das Ministerium derzeit.

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