Ingo Binnewerg, Bürgerinititaive Hochwasserschutz Sinzig, unter Brücke Kölner Straße

Bislang kaum Schutzmaßnahmen getroffen

Flutbetroffene im Ahrtal fordern schnelleren Hochwasserschutz

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Michael Lang
Bild von SWR Multimediareporter Michael Lang aus dem Regionalbüro Bad Neuenahr-Ahrweiler

Fehlender Hochwasserschutz an der Ahr: Betroffene befürchten, dass eine neue Flutwelle das wiederaufgebaute Ahrtal erneut zerstören könnte.

Ingo Binnewerg von der "Bürgerinitiative Ahrflut" steht in Sinzig unter der Autobrücke an der Kölner Straße: Durch den mittleren großen Brückenbogen rauscht die Ahr, andere Bögen nebenan wurden laut der Bürgerinitiative teilweise mit Steinen und Erde von Straßenbauern angeschüttet. Wahrscheinlich damit die Brücke stabil bleibt, vermutet Ingo Binnewerg. Aber die so verkleinerten Brückenbögen machten ihm Angst, sagt er.

Dass das Wasser wieder drei Meter hoch im Haus steht und auch einige Leute ertrinken. Davor haben wir Angst.

Sie müssten wieder geöffnet werden, fordert Binnewerg. Das sei wohl auch geplant, aber eben immer noch nicht passiert. Und weil der Abfluss hier bei einem Hochwasser so nicht gesichert sei, könne bei einem nächsten Hochwasser seine Nachbarschaft wieder überschwemmt werden, befürchtet er. Sein Haus stand in der Flutnacht rund drei Meter unter Wasser.

Bürgerinitiativen fordern schnelleren Hochwasserschutz an der Ahr

Binnewerg und die Sinziger "Bürgerinitiative Ahrflut" setzen sich zusammen mit anderen Bürgerinitiativen im Ahrtal für einen schnelleren Hochwasserschutz ein. Denn vieles sei doch jetzt schon schnell umsetzbar, meint der Flutbetroffene. Dazu gehören seiner Meinung nach auch sogenannte Retentionsflächen (Überschwemmungsgebiete) auf den Wiesen vor der Bundestraße 9.

Wir sind überhaupt nicht geschützt gegen ein neues Hochwasser.

Die in seinen Augen langsam voranschreitenden Planungen für den Hochwasserschutz an der Ahr sieht er kritisch: "Es ist ein bisschen so, als wenn man ein Haus baut, aber ohne Dach. Man macht in dem Haus alles fertig, aber wenn es regnet, geht es wieder kaputt." Man baue im Moment die kommunale Infrastruktur wieder auf, die Sportplätze, Turnhallen und Schulen. "Aber wir sind überhaupt nicht geschützt gegen ein neues Hochwasser", kritisiert Binnewerg.

Ahrufer in Dernau
Auch in Dernau wünschen sich die Menschen einen besseren Hochwasserschutz.

Hochwasserschutzmaßnahmen: Planungen bis Ende 2024

Der Kreis Ahrweiler weist darauf hin, dass nun alle Städte, Kommunen und Kreise im Einzugsgebiet der Ahr an einem Schutz vor Starkregen und Hochwasser an der Ahr und ihren Zuflüssen zusammenarbeiten wollen, also auch Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gemeinsam.

Die Planung der überörtlichen Maßnahmen zum Hochwasserschutz sollen aber erst Ende kommenden Jahres abgeschlossen sein, so die Kreisverwaltung. Erst dann könnten die meisten Rückhaltebecken und andere Schutzprojekte konkret geplant werden. Das bedeutet aber nicht, dass es dann schnell vorangeht.

Der Kreis Ahrweiler schreibt, dass bislang kein belastbarer Zeithorizont für die Umsetzung der Maßnahmen genannt werden könne, "da zu viele Unwägbarkeiten, wie zum Beispiel die Verfügbarkeit von Flächen, vorhanden sind."

Viele Schutzprojekte im Ahrtal seien außerdem besonders teuer und müssten deshalb europaweit ausgeschrieben werden. Diese Verwaltungsabläufe seien sehr komplex und zeitaufwendig, so die Kreisverwaltung.

Wer bezahlt den milliardenschweren Hochwasserschutz?

Zusätzlich stellt sich die Frage, wer den notwendigen Schutz vor Starkregen und Hochwasser bezahlt. Dazu und auch zu Fördermöglichkeiten kann die Kreisverwaltung Stand jetzt noch nichts sagen. Wegen der vielen ungeklärten Fragen sei davon auszugehen, "dass die Umsetzung der Hochwasservorsorgemaßnahmen eine Generationenaufgabe ist."

Gemeinde Grafschaft: Regenrückhaltebecken 15 mal größer

Allerdings seien auch schon viele Gewässerschutzmaßnahmen angelaufen, so der Kreis - auch das gehöre zum Hochwasserschutz. Nicht immer sind die Projekte so sehr sichtbar wie oben auf der Höhe in der Gemeinde Grafschaft. Bagger erweitern dort gerade im Gewerbegebiet ein Regenrückhaltebecken. Jörg Ulrich, Leiter des Bauamts der Gemeinde Grafschaft, sagt, dass das Becken bis Ende des Jahres 15 mal mehr Wasser aufnehmen könne als früher. Dadurch seien dann die Ortsteile unterhalb des Beckens vor Starkregen besser geschützt.

Unterhalb des provisorischen Are-Gymnasiums in der Grafschaft wird ein neues Regenrückhaltebecken gebaut.
Unterhalb des provisorischen Are-Gymnasiums in der Grafschaft wird ein neues Regenrückhaltebecken gebaut.

Außerdem könne das Becken das Wasser vom asphaltierten Schulhof des provisorisch eingerichteten Are-Gymnasiums auffangen. Die Planungen für die Erweiterung des Regenrückhaltebeckens von Grafschaft sind aber nicht neu, sondern basieren auf dem Hochwasserschutzkonzept der Grafschaft aus dem Jahr 2019. Jörg Ulrich sagt, dass die aufwändigen Bauplanungen für weitere Becken an der Ahr seiner Meinung nach Jahre dauern könnten.

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