Traktorkolonnen und Straßenblockaden

FAQ: Darum geht es bei den Bauernprotesten in RLP

Stand

Seit Wochen sorgen die Bauernproteste in Rheinland-Pfalz für Störungen des öffentlichen Lebens. Hintergrund sind Sparpläne der Bundesregierung, die inzwischen entschärft wurden.

Was hat die Proteste ausgelöst?
Was fordern die Landwirte von der Bundesregierung?
Wie wirkt sich der Wegfall der Hilfen auf die Bauern aus?
Welche Rolle spielt der Einzelhandel in der Debatte?
Welche Proteste gab es bislang und welche sind noch geplant?
Welche Reaktionen lösen die Proteste aus?
Wie geht die Politik mit den Forderungen der Bauern um?

Was hat die Proteste ausgelöst?

Die Bundesregierung muss wegen des Haushaltslochs sparen und hat entschieden, auch bei der Landwirtschaft anzusetzen. Und zwar an zwei Stellen:

Zum einen hatte die Ampel-Koalition in Berlin beschlossen, die Steuerbegünstigung von Agrardiesel zu kippen. Dieselkraftstoff wird mit 47,04 Cent pro Liter besteuert. Über die sogenannte Agrardieselvergütung können sich die Landwirte bisher 21,48 Cent pro Liter erstatten lassen. Wenn diese Regelung wegfällt, wird eben jeder verbrauchte Liter Diesel für die Landwirte um diese 21,48 Cent teurer.

Nach den ursprünglichen Plänen der Bundesregierung sollte zudem für die Landwirte die Befreiung von der Kfz-Steuer wegfallen. Sie hätten damit künftig für jeden Traktor oder andere landwirtschaftliche Fahrzeuge Steuern zahlen müssen. Die Regierung hatte sich von diesen Maßnahmen Einnahmen beziehungsweise Einsparungen von rund 900 Millionen Euro für das kommende Jahr erhofft.

Von beiden Plänen ist die Bundesregierung ganz oder in Teilen abgerückt: Die Kfz-Steuerbefreiung soll nun nicht gestrichen werden. Die Subventionierung des Agrardiesels soll nicht auf einen Schlag wegfallen, sondern schrittweise eingestellt werden. Das hatte der Bundestag im Haushalt für das laufende Jahr beschlossen. Allerdings ist noch unklar, wie es genau mit den Subventionen weitergeht. Am 22. März kommt der Bundesrat erneut zusammen, um über die Umsetzung der Beschlüsse zu beraten.

Was fordern die Landwirte von der Bundesregierung?

Der Bauernverband hatte bundesweit über seine Landesverbände - wie in Rheinland-Pfalz - zu Protesten aufgerufen, um sich gegen die ursprünglichen Beschlüsse der Bundesregierung zu wehren. Die Landwirte forderten von der Ampelregierung, die Beschlüsse komplett zurückzunehmen und die bestehenden Hilfen für die Betriebe aufrecht zu erhalten. Daher wird der Protest der Landwirte weitergehen: Der Deutsche Bauernverband hält die angekündigten Änderungen nämlich für nicht ausreichend: "Dies kann nur ein erster Schritt sein. Unsere Position bleibt unverändert: Beide Kürzungsvorschläge müssen vom Tisch", sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied.

Wie hätte sich der Wegfall der Hilfen für die Landwirte ausgewirkt?

Wenn die Hilfen wie vorgesehen weggefallen wären, würde den Landwirten nach Angaben des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd im Schnitt etwa zehn Prozent ihres Jahreseinkommens verlorengehen. Der Verband hat auf Anfrage des SWR ein Rechenbeispiel zum Agrardiesel aufgestellt:

Ein zukunftsfähiger Ackerbaubetrieb, der 200 Hektar Fläche bewirtschaftet, verbraucht demnach etwa 115 Liter Diesel pro Hektar. Das wären insgesamt rund 23.000 Liter im Jahr. Bei der aktuellen Agrardiesel-Entlastung von 21,48 Cent je Liter ergebe sich ein Betrag von knapp 5.000 Euro, die der Betrieb dann zusätzlich zahlen müsste.

Hinzu käme nach Angaben des Verbandes dann noch die zusätzliche Kfz-Steuer für die Fahrzeuge im Betrieb, sodass sich insgesamt ein fünfstelliger Betrag ergeben würde, der beim Jahreseinkommen wegfalle. "Für einige Betriebe wird das der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt", so ein Sprecher des Verbandes zur Frage, ob damit Betriebe im Land in ihrer Existenz gefährdet seien.

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Welche Rolle spielt der Einzelhandel bei der Debatte?

Viele Landwirte kritisieren auch die Preisgestaltung im Lebensmitteleinzelhandel, da die großen Supermarktketten größtenteils die Preise der landwirtschaftlichen Produkte wie beispielsweise Gemüse oder Obst bestimmen würden. Auch die Anforderungen an die Lieferanten, die die Kosten für die Betriebe ebenfalls in die Höhe treiben würden, seien inzwischen "unhaltbar".

Statistiken des Thünen-Institutes für Landwirtschaft belegen, dass langfristig gesehen immer weniger Geld in der Wertschöpfungskette bei den Betrieben ankommt. Ein Problem der Preisgestaltung: Mit Aldi, Edeka, Lidl und Rewe steuern vier große Konzerne rund 75 Prozent des gesamten Lebensmittelmarktes in Deutschland. Das geht aus den aktuellen Marktanteilen der Statista-Datenbank hervor. Entsprechend groß ist deren Macht über die Supermarktpreise.

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Die Landwirte fordern auch die Bundesregierung auf, ihren Einfluss auf die Handelsunternehmen geltend zu machen und sich für regionale Landwirtschaft einzusetzen. Auch Agrarökonomen sehen darin zumindest einen Teil der Lösung: In vielen Verträgen mit den Landwirten sind Menge und Preis beim Verkauf nicht klar festgelegt. Das bedeutet für die Erzeuger einen harten Wettbewerb mit den Preisen am Weltmarkt. Dass diese Praxis eher der Normalfall ist, könnte die Politik mit neuen Gesetzen ändern.

Auch Verbraucher haben die Möglichkeit, zumindest einen kleinen Einfluss auf die Preisgestaltung zu nehmen. Je kürzer die Wertschöpfungskette ist, desto mehr Geld kommt bei den landwirtschaftlichen Betrieben an. Wer also zum Beispiel sein Gemüse in einem Hofladen kauft, kauft in der Regel regionale und saisonale Produkte - ohne große Handelsketten.

Welche Proteste gab es bislang und welche sind noch geplant?

Die Proteste der Landwirtinnen und Landwirte zogen sich bereits vor Weihnachten quer durch Rheinland-Pfalz. Mehr als 80 Landwirte behinderten mit ihren Fahrzeugen in Trier den Verkehr. Auch Bauern aus der Eifel und von der Obermosel beteiligten sich an den Protesten. Ähnlich sah es in Bad Kreuznach aus, wo knapp 300 Traktoren durch die Innenstadt fuhren. Dadurch kam es nach Angaben der Polizei zu massiven Verkehrsbehinderungen.

Es gab außerdem Traktor-Blockaden in Rheinhessen. Landwirte versperrten mit ihren Fahrzeugen mehrere Stunden zahlreiche Autobahnauffahrten, unter anderem in Gundersheim und Wörrstadt. Betroffen war das Gebiet zwischen Kirchheimbolanden, Bingen und Mainz. Unbekannte hatten in Birkenfeld auf mehreren Verkehrskreiseln Kuhmist abgeladen. Im Norden von Rheinland-Pfalz haben Landwirte ebenfalls gegen die Sparpläne der Bundesregierung protestiert. Ein großer Traktor-Konvoi ist in Koblenz zusammenkommen.

Im Rahmen einer Protestwoche blockierten tausende Traktoren am 8. Januar Straßen und Autobahnen in ganz Rheinland-Pfalz. An vielen Orten wurden bei Einbruch der Dunkelheit Mahnfeuer angezündet. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) zeigte Verständnis für die Proteste. Sie forderte aber auch, Bauernkriegssymbolik, die Verunglimpfung des Staates und persönliche Angriffe zu unterlassen.

Zuletzt hatten Landwirte in Mainz protestiert, als Wirtschaftminister Habeck Ende Januar dort zu Gast war. Dabei kam es auch zum Gespräch zwischen Minister und Demonstranten. Inzwischen wurden die Bauernproteste auch auf den Lebensmitteleinzelhandel ausgeweitet. Am 5. Februar blockierten zahlreiche Traktoren die Zentrallager großer Supermarktketten in Rheinland-Pfalz.

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Welche Reaktionen lösen die Proteste aus?

Die Proteste der rheinland-pfälzischen Bauern treffen offenbar auf relativ viel Verständnis bei den Bürgerinnen und Bürgern. Das ergaben zumindest Befragungen des SWR von Pendlern, die etwa von den Staus in Trier betroffen waren. Auch protestierende Winzer und Landwirte berichteten, dass sie Unterstützung signalisiert bekämen: "Man kriegt auch mal einen Daumen hoch von den Autofahrern." Aber es gebe natürlich auch Menschen, die verärgert seien, wenn sie von Verkehrsbehinderungen betroffen seien.

Auch in den sozialen Netzwerken Facebook und X erfahren die Proteste von vielen Menschen Zustimmung. Doch hier gibt es auch Gegenwind, etwa unter den Beiträgen von SWR Aktuell. Nutzerinnen und Nutzer ziehen kritisch Parallelen zu Aktionen der "Klimakleber" oder kritisieren die Anspruchshaltung der Landwirte sowie das System der hiesigen Landwirtschaft.

Viel Kritik von Bürgerinnen und Bürgern sowie aus der Politik gibt es für eine Aktion von Landwirten, die Bundeswirtschaftsminister Habeck in Schleswig-Holstein daran gehindert haben, eine Fähre zu verlassen. In Schlüttsiel blockierten sie den Anleger, Habeck musste auf die Hallig Hooge zurückkehren. Mehrere Dutzend Menschen hätten versucht, die Fähre am Ablegen zu hindern. Die Polizei griff ein, unter anderem mit Pfefferspray.


Wie geht die Politik mit den Forderungen der Bauern um?

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sieht mit den Anpassungen am Haushaltskompromiss eine überproportionale Belastung der Land- und Forstwirtschaft abgewendet. Das Ministerium habe eigene Vorschläge zur Gegenfinanzierung gemacht, sagte der Grünen-Politiker in Berlin. Mit Blick auf Proteste gegen die ursprünglichen Kürzungspläne sagte Özdemir, es habe Aktionen gegeben, die deutlich über das Ziel hinausgeschossen seien.

Die rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) stellt sich hinter die Bauern im Land: "Wir können nicht wieder und wieder bei der Landwirtschaft kürzen." Die Kürzungen bei den Landwirten bedeuteten in der Konsequenz auch höhere Preise für die Verbraucher, so Schmitt.

Auch die Grünen im rheinland-pfälzischen Landtag befürchten zu hohe Belastungen für die Landwirtschaft. "Besonders die kleinbäuerlichen Betriebe, wie wir sie in Rheinland-Pfalz haben, würden stark belastet, das Höfesterben könnte weiter an Fahrt aufnehmen", erklärte Jutta Blatzheim-Roegler, Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion für Landwirtschaft und Weinbau.

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