Wegen versuchten Mordes an ihrem Neugeborenen hat das Landgericht Ulm eine 38-Jährige zu einer Haftstrafe von zehn Jahren verurteilt. Die Kammer sah es am Montag als erwiesen an, dass die Frau ihr Baby im vergangenen Herbst kurz nach der Geburt in Tötungsabsicht in einem Altglascontainer im Alb-Donau-Kreis ausgesetzt hatte. Ein Passant hatte das Kind entdeckt und die Rettungskräfte alarmiert. Das Baby blieb unverletzt.
Urteil liegt über dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafmaß
Mit dem Urteil liegt die Kammer sogar über dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafmaß. Diese plädierte am Freitag für eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten. Sie bewertete die Tat als versuchten Mord.
Verteidigerin Corinna Nagel war von der Höhe der Strafe überrascht: "Ein Gericht hat natürlich die Möglichkeit, drüber zu gehen. Trotzdem ist es nicht der Normalfall. Und so sind zehn Jahre Haft für ein versuchtes Delikt dann doch recht heftig." Die Verteidigerin hatte auf eine Freiheitsstrafe von vier Jahren wegen versuchten Totschlags mit gefährlicher Körperverletzung plädiert. Nagel kündigte an, Revision einzulegen.
In der Urteilsbegründung heißt es, das Motiv der Frau sei "von erschreckender Banalität". Sie habe das Kind nicht gewollt und keine Vorkehrungen getroffen, wie es mit dem Kind weitergeht. Dass das Neugeborene überlebt hat, sei einer Verkettung glücklicher Ereignisse zu verdanken.
Für die Plädoyers am Freitag hat die Kammer des Ulmer Landgerichts die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Dies hatte die Verteidigerin beantragt, um die Intimsphäre ihrer Mandantin zu schützen. Auch die Vernehmung der Angeklagten im März hatte nicht öffentlich stattgefunden.
Passant rettet Baby aus Glascontainer
Laut Anklage hatte die 38-jährige Frau das Baby mit der telefonischen Unterstützung einer Hebamme in ihrer Wohnung zur Welt gebracht. Kurz nach der Geburt soll die Frau den Jungen durch die runde Öffnung eines Altglascontainers in Langenau geworfen haben. Etwa eine Dreiviertelstunde später entdeckte Passant Andreas Bichert zufällig das in ein Bettlaken gehüllte Neugeborene in dem Container.
Retter ging erst an Glascontainer vorbei
Zum Prozessauftakt im März schilderte Bichert, dass er nachts zunächst an dem Container am Langenauer Schulzentrum vorbeigegangen sei. Er habe ein Geräusch gehört, sei aber zunächst davon ausgegangen, dass die Laute aus einer der umliegenden Wohnungen kämen. Zuhause habe ihn das nicht mehr losgelassen. Daher habe er sich wieder auf den Weg gemacht.
Zurück am Schulzentrum hätte er das deutliche Schreien eines Babys gehört, das aus einem der Container drang. Mit einer Handytaschenlampe hat der Mechaniker aus Langenau laut seiner Aussage in den Weißglascontainer geleuchtet und das unterkühlte, aber unverletzte Kind gefunden. Er habe die Rettungskräfte alarmiert, den Säugling mit einem Arm herausgezogen und in sein T-Shirt gewickelt.
Säugling hätte Nacht wahrscheinlich nicht überlebt
Die Mutter ist seit Oktober in Untersuchungshaft. Laut Behörden ist die Frau nicht vorbestraft, sie räumte die Tat weitgehend ein. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass ihr bewusst war, dass das Neugeborene in dem Altglascontainer schnell auskühlen und erfrieren würde. Die behandelnden Ärzte haben bestätigt, dass das Kind die Nacht in dem Container nicht überlebt hätte.
Die Staatsanwaltschaft war zunächst davon ausgegangen, dass die Angeklagte mit der Situation überfordert war und die Schwangerschaft geheim gehalten hatte. Die Frau hat bereits drei Kinder. Um den Säugling kümmert sich jetzt eine Pflegefamilie.